Monopolkommission

Der Ball liegt im Feld der Apotheker

Ein Kommentar von Prof. Dr. Andreas Kaapke

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte.

Ein Blick auf die Internetseiten der Monopolkommission zeigt deren Aufgaben deutlich. Die Monopolkommission bezeichnet sich selbst als ein unabhängiges Beratungsgremium, das die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Ihre Gutachten werden veröffentlicht. Die Stellung und Aufgaben der Monopolkommission sind in den §§ 44 bis 47 sowie in § 42 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie im Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG), Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Telekommunikationsgesetz (TKG) und Postgesetz (PostG) geregelt. Nach § 44 Abs. 1 GWB erstellt die Monopolkommission alle zwei Jahre ein Hauptgutachten, in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unter­nehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt, die Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle würdigt sowie zu sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nimmt.

„Eine Regierung leistet sich keine Experten, wenn man deren Expertise missachtet oder zu missachten trachtet.“

Daraus wird ersichtlich, dass sich die Monopolkommission immer dann und dort zu Wort meldet, wenn es aus Sicht der Experten zu beurteilen gilt, ob Wettbewerb behindert oder verhindert wird. Je regulierter Märkte sind, umso wahrscheinlicher demnach eine Begutachtung durch die Monopolkommission. Die Apothekerinnen und Apotheker hatten dies vor rund zehn Jahren bereits leidvoll erfahren, als die Monopolkommission unter ihrem damaligen Vorsitzenden Prof. Justus Haucap einen zu geringen Wettbewerb monierte und deshalb für eine Intensivierung desselben plädierte, entsprechende Vorschläge dazu wurden im damaligen Hauptgutachten gemacht. Damals wurde beispielsweise seitens der Experten völlig ausgeblendet, dass zwischen den Apotheken selbst Wettbewerb besteht. Die Fokussierung auf einen Preiswettbewerb und die Ausblendung anderer Wettbewerbsarten wie Qualitätswettbewerb oder Servicewettbewerb war bereits im dort erschienenen Gutachten ersichtlich.

Zwar fanden die damaligen Vorschläge nicht oder nur bedingt Eingang in die Rechtsprechung, gleichwohl sollte man aus der damaligen Verfahrensweise nicht auf die heutige schließen. Damals standen durch ein ebenfalls anstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Fragen des Mehr- und Fremdbesitzverbotes auf der Diskussionsagenda. Alles in allem hinreichend viele Hinweise dafür, dass dieses die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für Wirtschaft beratende Gremium nicht lapidar abgetan werden kann. Eine Regierung leistet sich keine Experten, wenn man deren Expertise missachtet oder zu missachten trachtet.

Zudem dürfte es die Standesvertretung sorgenvoll aufhorchen lassen, dass sich das Hauptgutachten auf rund 30 Seiten mit den „Reformen im Vergütungssystem für die Versorgung mit Arzneimitteln durch Großhändler und Apotheken“ beschäftigt und dabei als eine der Hauptquellen das sogenannte Honorargutachten von 2HM & Associates GmbH in den Fußnoten rund 30 Mal zitiert. Das somit geadelte Honorargutachten war seitens der Standesvertretung bislang als nicht diskussionswürdig etikettiert worden, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Berechnungen und Behauptungen fand nur bedingt statt. Das Hauptgutachten der Monopolkommission scheint zu einer anderen Bewertung zu kommen, so oft wie das Honorargutachten darin zitiert wird.

So hatten sich bislang nur einschlägige Branchenkenner, wie z. B. Dettling, Diener, Herzog, Hüsgen und Müller-Bohn zum 2HM-Gutachten in der DAZ geäußert und ihre Bedenken über Berechnungen, Schlussfolgerungen und Prämissen eindrucksvoll dargelegt. Eine offizielle Stellungnahme inhalt­licher Natur durch die ABDA ist nicht bekannt. Man mag nach wie vor zur Ansicht gelangen, dass das Honorargutachten das Geld nicht wert ist, dass es gekostet haben mag und sich nicht darauf einlassen wollen, Falsches zu kommentieren. Alleine aber der Umstand, dass das 2HM-Gutachten wieder zitiert wird, zeigt die Brisanz einer solchen Haltung.

Im Ergebnis plädiert die Monopolkommission – ähnlich wie zehn Jahre zuvor – für mehr Wettbewerb. Hinweise, dass gerade bei der Abgabe von Arzneimitteln dem ansonsten freien Spiel der Marktkräfte entgegnet werden müsste, kontert das Gutachten schon zu Beginn. „Festzustellen ist, dass eine Regulierung gerade im pharmazeutischen Sektor aufgrund der enormen gesundheitlichen Gefahren einer Fehlmedikation grundsätzlich besonders berechtigt sein kann. Allerdings rechtfertigt dies nur eine solche Regulierung der Arzneimittelversorgung, die zielgenau der angemessenen Eindämmung entsprechender Risiken dient, da andernfalls die Gefahr eines ineffizienten bzw. verzerrten Preis- und Leistungsniveaus besteht.“ Allein die Formulierung „berechtigt sein kann“ zeigt deutlich, dass die Gutachter grundsätzliche Zweifel an der Sonderstellung der Apotheken haben.

Etwas später, in der Zusammenfassung, wird es dann bizarr. Als Begründung, warum gerade der Blick auf Apothekenpreise gelenkt werden muss, dient das EuGH-Urteil zur Gewährung von Rabatten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Weil der EuGH sich völlig eindimensional der Sache angenommen hat, müssen auch die deutschen Wettbewerbshüter die Preise unter die Lupe nehmen. Dies wäre dann zu begrüßen, wenn das EuGH-Urteil nicht als gegeben betrachtet würde, sondern die seit Herbst 2016 nicht abreißende Diskussion über die Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit des EuGH-Urteils, die sogar Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, ebenfalls gewürdigt worden wäre. Zudem wird im Gutachten angeführt, dass der Bundesgerichtshof 2017 bestätigt hat, dass die in der deutschen Preisregulierung festgelegten Großhandelszuschläge vollumfänglich rabattfähig sind. Dass auch hier erbitterte Diskussionen im Vorfeld und im Nachgang die jeweiligen Urteile als alles andere als unreflektiert zu übernehmen deklarieren, lässt die Gutachter offensichtlich kalt.

„Bis heute ist es nicht gelungen, in den einschlägigen Gremien die Hauptargumente der Apotheker für das bestehende System so zu platzieren, dass diese sitzen.“

Die Gutachter betonen auch, dass sie die Argumente vonseiten der Apotheker hinsichtlich Beratungsqualität und flächendeckender Versorgung gewürdigt haben, kommen aber final zum Ergebnis, „dass die Fortführung des bestehenden Systems der Arzneimittelpreisverordnung und eine den Preiswettbewerb ausschließliche Vorgabe von Preisen auf Basis einer Kostenkalkulation auch vor dem Hintergrund dieser Argumente nicht zu empfehlen sind“. Danach gehen die Gutachten noch von Mechanismen aus, die sich durch die geänderte Systematik ergeben würden.

Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Schlagabtausch auf der Interpharm im Jahr 2011 Prof. Justus Haucap, damaliger Vorsitzender der Monopolkommission, diskutierte mit DAZ-Herausgeber Dr. Klaus G. Brauer und Prof. Andreas Kaapke über den Wettbewerb unter Apotheken (v. l.)

Man kann es den Gutachtern nicht vorwerfen, dass sie wettbewerbsökonomisch argumentieren, das ist ihre Aufgabe. Dass sie sich ausgerechnet die Arzneimittelpreise aussuchen, liegt an der hohen Regulierungsdichte des Gesundheitswesens und den dort feststellbar ausufernden Kosten. Daraus resultiert Nährboden für vermeintliche Verbesserungen in Form von Effizienzsteigerungen durch vermehrten Wettbewerb, die sich letztendlich in niedrigeren Kosten dokumentieren lassen sollen. Dass dabei wichtige Argumente anders bewertet werden als dies die Apothekerschaft tut, macht den Handlungsbedarf mehr als deutlich. Bis heute ist es nicht gelungen, in den einschlägigen Gremien die Hauptargumente der Apotheker für das bestehende System so zu platzieren, dass diese sitzen. Dies wiederum lässt den Schluss zu, dass an dieser Lobbyarbeit intensiv gearbeitet werden muss oder aber die Argumente nicht taugen. Letzteres wäre dramatisch, ersteres beschämend.

Der Ball liegt nun im Feld der Apotheker. In insgesamt 76 Einzelpunkten wird die Ansicht der Monopolkommission dokumentiert. Die ABDA täte gut daran, jeden einzelnen Punkt zu durchleuchten und darauf inhaltlich einzugehen. So zu tun, als ob ein Zirkel Ahnungsloser sich eines Marktes angenommen hat, und mit Schweigen als mit Gegenwehr zu reagieren, wäre gefährlich.

Das Hauptgutachten der Monopolkommission kommt zu einem guten Zeitpunkt. Die Sommermonate sollten genutzt werden, um sich zu munitionieren und eine Entgegnung vorzulegen, die sich intellektuell und inhaltlich mit dem Gutachten auseinandersetzt. Weniger wäre ein Offenbarungseid – neuerlich! |

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