Schwerpunkt Biosimilars

Wie Blätter vom selben Baum

Auf Patientenfragen zu Biosimilars leicht verständlich antworten

Von Claudia Bruhn | Biosimilars sind bereits seit 2006 in Deutschland und anderen eurpäischen Ländern zugelassen. Wegen des Patent­ablaufs zahlreicher monoklonaler Antikörper erhalten seit 2015 sukzessive auch Nachahmerpräparate von Arzneimitteln mit monoklonalen Antikörpern, die vor allem in der Rheumatologie und der Onkologie eingesetzt werden, den Marktzugang. Mit zunehmenden Verordnungszahlen wird auch der Informationsbedarf von Patienten zu Biosimilars ansteigen.

Bei den Verordnungen von Biosimilars gibt es große regionale und wirkstoffspezifische Unterschiede. So wurden beispielsweise laut dem Arzneiverordnungsreport 2017 im Jahr 2016 1,6 Millionen Tagesdosen des Infliximab-Biosimilars Inflectra® verordnet. Das entspricht einem Zuwachs von rund 198% gegenüber 2015. Im gleichen Zeitraum haben die Verordnungen des Infliximab-Erstanbieterpräparats Remicade® abgenommen. Dagegen spielen andere Präpa­rate wie beispielsweise Insulin-lispro-Biosimilars derzeit nur eine geringe Rolle in der Versorgung. Dennoch rechnen Experten damit, dass sich die Marktanteile der Biologika-Nachahmer­präparate in den kommenden Jahren erhöhen werden. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Beispielsweise haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband in ihren Rahmenvorgaben für Arzneimittel 2019 nach SGB V die Förderung der Nutzung von Biosimilars als Ziel formuliert und für einige Wirkstoffe bereits Verordnungsmindestquoten vereinbart, die sogenannten Biosimilar­quoten. Mit dem Anstieg der Ver­ordnungszahlen wird sich auch der Informationsbedarf der Patienten über biosimilare Arzneimittel erhöhen. Im Folgenden sind einige Frage-Antwort-Szenarien zusammengestellt, wie man im Gespräch mit Patienten die Informationen vermitteln kann.

Foto: Tom Bayer - stock.adobe.com


Was ist ein biologisches Arzneimittel? 

Sie kennen synthetisch hergestellte Medikamente wie zum Beispiel Aspirin® und andererseits Präparate mit Pflanzenextrakten wie zum Beispiel Baldrian-Tropfen. Biologische Arzneimittel, kurz Biologika, werden dagegen mithilfe biotechnologischer Verfahren hergestellt. Bei diesen Herstellungsmethoden verändert man lebende Zellen oder lebende Bakterien so, dass sie Arzneistoffe in großer Menge produzieren können. Es handelt sich dabei um sehr große, komplex aufgebaute Eiweiße. Ist die Produktion beendet, werden die Wirkstoffe gereinigt und so „verpackt“, dass sie vom Patienten oder vom Arzt angewendet werden können, zum Beispiel als Fertigspritze oder Pen. Das vielleicht bekannteste unter den biologischen Arzneimitteln ist Insulin.

Was ist ein Biosimilar? 
Wenn ein biologisches Arzneimittel auf den Markt gekommen ist, genießt es in der Regel zehn Jahre Patentschutz. Nach Ablauf dieser „Exklusiv-Zeit“ können Nachahmerprodukte zugelassen werden. Sie werden als Biosimilars bezeichnet. Um eine Zulassung zu erhalten, müssen die Firmen verschiedene Studien durchführen, die aber nicht so umfangreich sind wie beim Original-Biologikum. Deshalb können Biosimilars zu einem günstigeren Preis angeboten werden. Biosimilars sind jedoch keinesfalls „Billigkopien“ der Originale. Denn sie werden unter strengen Qualitätsauflagen hergestellt und wie alle anderen Medikamente auch umfangreich kontrolliert. Sie sind deshalb eine sichere und preisgünstige Alternative zu den Original-Biologika.

Sind Biosimilars Generika von biologischen Arzneimitteln? 
Das trifft nicht zu. Bei synthetisch hergestellten Arzneimitteln ist der Wirkstoff aufgrund seiner definierten Struktur immer der gleiche, egal in welcher Produktionsstätte er hergestellt wurde. Bei biologischen Arzneimitteln ist diese 100%ige Übereinstimmung nicht möglich. Der Grund dafür ist, dass die Wirkstoffe groß und komplex aufgebaut sind und dass sie von lebenden Zellen hergestellt werden. Daraus ergeben sich selbst zwischen unterschiedlichen Chargen aus derselben Produktionsstätte geringe Unterschiede. Solche Unterschiede können auch entstehen, wenn im Herstellungsprozess eines Biologikums eine kleine Änderung vorgenommen wurde. Alle Abweichungen zwischen dem Originalpräparat und dem Biosimilar müssen sich aber in engen Grenzen bewegen, damit beide Arzneimittel die gleiche Wirksamkeit und Sicherheit besitzen. Dafür gibt es strenge Prüfvorschriften bei den Herstellern. Ein Original-Biologikum und sein Biosimilar sind also ähnlich, aber nicht gleich. Man könnte sie mit zwei Blättern vom selben Baum vergleichen. Deren Aussehen und die Funktion sind gleich. Unter dem Mikroskop erkennt man jedoch geringe Unterschiede.

Warum werden in der EU Biosimilars entwickelt und zugelassen? 
Viele Biologika werden gegen schwere Erkrankungen wie Krebs, Rheuma oder Schuppenflechte eingesetzt. Ihre Entwicklung ist sehr zeitaufwändig und teuer. Deshalb besteht die Gefahr, dass der Zugang zu ihnen nicht in allen Ländern für alle Patienten uneingeschränkt möglich ist. Biosimilars können zu einem niedrigeren Preis angeboten werden. Das liegt zum ­einen daran, dass für ihre Zulassung nicht alle klinischen Studien, die mit dem Original-Biologikum durchgeführt wurden, noch einmal wiederholt werden müssen. Außerdem verändert sich nach der Markteinführung eines oder mehrerer Biosimilars für die Hersteller der Präparate die Wettbewerbssituation. Dies führt häufig auch bei den Originalpräparaten zu niedrigeren Preisen. Die europäische Zulassungsbehörde und die EU-Kommission verbinden mit der Zulassung von Biosimilars die Hoffnung, dass der Zugang von Patienten zu biologischen Arzneimitteln verbessert wird.

Warum werden nicht alle Studien mit dem Original-Biologikum auch mit dem Biosimilar durchgeführt? 
Biologika und Biosimilars weisen eine sehr ähnliche Struktur auf und besitzen die gleiche biologische Wirkung. Deshalb ist es nicht notwendig, alle Untersuchungen, die mit dem Original-Biologikum vor seiner Zulassung durchgeführt wurden, zu wiederholen. Vielmehr kommt es darauf an, in Studien zu belegen, dass es keine wesentlichen klinischen Unterschiede zwischen dem Biosimilar und dem Original gibt.

Kann mein Arzt mich von einem Biologikum auf ein Biosimilar umstellen?
Ja, das ist möglich. Dieses Vorgehen wird in der Fachsprache als Switch bezeichnet. Der Arzt ist jedoch verpflichtet, Sie umfassend darüber aufzuklären. Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen ist es wichtig sehr genau zu dokumentieren, welches Arzneimittel Sie erhalten haben. Bisher wurden in keiner klinischen Studie, die den Switch eines Biologikums auf ein Biosimilar untersucht hat, gravierende Unterschiede bei der Wirksamkeit oder Verträglichkeit beider Arzneimittel gefunden.

Was soll ich unternehmen wenn ich vermute, unter einer Nebenwirkung des Biosimilars zu leiden? 
Bei allen Arzneimitteln ist es wichtig, den Verdacht auf eine Nebenwirkung zu melden. Denn nur so kann ihre ­Sicherheit vollständig überwacht ­werden. Informieren Sie deshalb ihren Arzt oder uns, wenn Sie eine Nebenwirkung vermuten. Wir leiten diese Information an die zuständige Behörde weiter. |

Quelle

Schwabe U et al. (Hrsg.) Arzneiverordnungs-­Report 2017, Springer-Verlag GmbH, Deutschland, 2017

Was ich wissen sollte über Biosimilars. Patienteninformationen zu Biosimilar-Arzneimitteln 2016, erstellt von Europäischer Arzneimittelagentur (EMA), Europäischer Kommission, Europäisches Patientenforum (EPF), Europäischer Verband der Morbus Crohn & Colitis ulcerosa Vereinigungen (EFCCA), Ständiger Ausschuss der Europä­ischen Ärzte (CPME), Europäischer Dachverband der pharmazeutischen Industrie und Verbände (EFPIA), Europäischer Verband der Bio-Industrie (EuropaBio) und Arzneimittel für Europa, Stand 15. Dezember 2016.

Biosimilars in der EU. Leitfaden für medizinische Fachkräfte. Hrsg. Europäische Arzneimittelagentur, Letzte Aktualisierung am 27. April 2017, http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/Leaflet/2017/05/WC500226648.pdf. Abruf am 17. September 2018

Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 6 SGB V – Arzneimittel - für das Jahr 2019, vereinbart zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stand 1. Oktober 2018, Abruf am 22. Oktober 2018

www.probiosimilars.de

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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