Die Seite 3

Ziel: Gleichpreisigkeit!

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Die Debatte zum Rx-Versandhandelsverbot entwickelt sich mehr und mehr zu einem gefährlichen Vabanquespiel: Auf der einen Seite ein ehrgeizig-ambitionierter Gesundheitsminister, der den Versandhandel zeitgeistaffin für eine digitale Errungenschaft hält, auf der anderen Seite die ABDA, deren Berliner Zentrale mehr als zwei Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 noch immer keinen tragfähigen Plan B ausgearbeitet zu haben scheint, der aus der Schublade gezogen werden kann, falls Plan A, nämlich ein ­Rx-Versandhandelsverbot, politisch nicht durchsetzbar ist. Die Gemengelage ist komplex, wie das Spiel ausgeht, ungewiss.

Selbstkritisch hat Friedemann Schmidt inzwischen angemerkt, im Vertrauen auf die Politik beim Rx-Versandverbot zu lange auf nur ein Pferd gesetzt zu haben (warum eigentlich?), und angekündigt, jetzt über alternative Lösungen „nachzudenken“. Ob die Zeit dazu reicht, dem „Nachdenken“ auch plausible und tragfähige Ergebnisse folgen zu lassen? Nach wie vor herrscht bei der ABDA höchste Geheimhaltungsstufe. Externer Rat wird ohnehin nur widerwillig zur Kenntnis genommen, aber auch von der Expertenkommission, deren Konstituierung der diesjährige Apothekertag von der ABDA eingefordert hat, ist bis dato nichts bekannt. Die Schweigespirale dreht sich weiter. Das ist fahrlässig, denn es steht viel auf dem Spiel.

In unserem Schwerpunkt zeichnen wir in dieser DAZ die Genese des Versandhandelskonflikts nach und erläutern die wichtigsten Vorschläge und Ideen, die – jenseits oder in Ergänzung zu einem Rx-Versandhandelsverbot – bisher unter rechtlichen wie ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert werden, um die negativen Auswirkungen des EuGH-Urteils von 2016 zu beseitigen oder zumindest weitgehend zu begrenzen. Dabei wird deutlich: Ein gesetzlich verankertes Rx-Versandhandelsverbot ist nach wie vor versorgungspolitisch und ordnungsrechtlich das Mittel der Wahl. Von der Forderung, diesen Plan A umzusetzen, dürfen wir nicht ablassen. Unser Petitum wird nicht dadurch falsch, dass wir es ­aktuell mit einem Gesundheitsminister zu tun haben, der sich bisher – aus welchen Gründen auch immer – beharrlich weigert, eine Vorgabe des Koalitionsvertrags umzusetzen. Aber ebenso wahr ist: Auch unterhalb der Schwelle eines Verbots müssen wir alle Möglichkeiten ausloten, um einen preisbindungsrechtlichen Dammbruch zu verhindern. Dabei wird es den Plan B wohl nicht geben können, um die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln zu erhalten. Vielmehr dürfte ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig sein. Dieses Mosaik der Möglichkeiten intelligent zusammenzusetzen, ist jetzt eine gleichermaßen notwendige wie anspruchsvolle Aufgabe.

Wichtig ist es dabei, die Versandhandelsfrage nicht mit der Honorardebatte zu verknüpfen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Apotheken brauchen, und darauf weist Thomas Müller-Bohn in seiner Analyse (S. 28) nachdrücklich hin, sowohl einen soliden und verlässlichen Ordnungsrahmen als auch eine auskömmliche Honorierung. Es wäre deshalb ausgesprochen töricht und kurzsichtig, sich das zentrale Prinzip der arzneimittelrechtlichen Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch vage Aussichten auf höhere Honorare „abkaufen“ zu lassen. Dies gilt umso mehr, als ein solcher „Deal“ jedwede Chance zunichtemachen würde, den Europäischen Gerichtshof in einem weiteren Verfahren noch einmal mit der grenzüberschreitenden Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln befassen zu lassen. Denn wo es qua Gesetz keine Gleichpreisigkeit mehr gibt, kann sie auch vom EuGH nicht wiederhergestellt werden. Diese Möglichkeit darf sich die ABDA nicht selbst verbauen. Vielmehr sollte sie sich, wie Hilko J. Meyer ausführt (S. 32), zusammen mit der Bundesregierung darauf konzentrieren, wissenschaftliche Expertisen erstellen zu lassen, um den Zusammenhang von Rx-Preisbindung, flächendeckender Arzneimittelversorgung und engmaschigem Apothekennetz belegen zu können.

Dr. Christian Rotta


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