Thema Wechseljahre

„Weg vom Gießkannen-Prinzip!“

Univ. Prof. Dr. Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik der Technischen Universität München

Ein Drittel der Frauen, die in die Menopause kommen, ist unmittelbar durch klimakterische Beschwerden, wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche, sehr belastet. Zwei Drittel der Frauen haben während der Wechseljahre keinerlei Beschwerden beziehungsweise die Intensität der Beschwerden ist gering bis moderat, so dass sie auch ohne Hormontherapie auskommen. Bei einigen dieser Frauen treten erst mehrere Jahre nach der Menopause Estrogen-Mangelbeschwerden, wie Scheidentrockenheit und eine erhöhte Infektanfälligkeit des Urogenitaltraktes, auf.

Schwerwiegende klimakterische Beschwerden können mit einer Hormontherapie sehr gut gelindert werden. Da die Hormontherapie auch nachteilige Effekte ausübt, ist der Trend weg vom sogenannten „Gießkannen-Prinzip“: Alle Frauen sollten in den Wechseljahren eine Hormontherapie erhalten. Aktuelle Auswertungen der Women’s Health Initiative (WHI)-Studien zeigen zwar, dass die Mortalitätsrate insgesamt nicht durch eine Hormontherapie beeinflusst wird – weder erhöht noch reduziert sich die Rate [1], allerdings beeinflusst die Hormontherapie die Risiken für verschiedene Erkrankungen in unterschiedlichem Ausmaß. Das Krankheitsprofil der Patientin wird durch die Hormontherapie verändert: So sinkt die Inzidenz für Osteoporose-bedingte Frakturen oder Darmkrebs. Für andere Erkrankungen, wie Brustkrebs oder Demenz, wird die Inzidenz nachteilig erhöht. Es gibt keinen generellen Gesundheits-präventiven Effekt der Hormontherapie. Frauen, die ihre klimakterischen Beschwerden ohne eine Hormontherapie in den Griff bekommen, profitieren nicht davon. Auch Frauen, die älter als 60 Jahre sind und die erst Jahre nach der Menopause Atrophie-bedingte Beschwerden entwickeln, profitieren nicht von einer systemischen Hormontherapie, da das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse überwiegt. Bei diesen Frauen ist eine lokale Therapie mit Estradiol-Zäpfchen oder -Cremes zu bevorzugen. Im Dezember 2017 resümierte die US Preventive Services Task Force in ihrem Empfehlungs-Statement, dass allein zur Prävention chronischer Erkrankungen ohne Bestehen schwerwiegender klimakterischer Symptome keine systemische Hormontherapie ein­geleitet werden soll [2].

Da sich mit zunehmender Anwendungsdauer die schädigenden Effekte einer Hormontherapie potenzieren, ist die Lebenssituation unter einer Hormontherapie regelmäßig neu zu bewerten. Eine Hormon­therapie soll so kurz wie möglich angewendet werden. Eine weitere grundsätzlich geltende Regel ist die Anwendung der geringsten effektiven Dosis. Vor der oralen Gabe sollte eine transdermale Applikation ausprobiert werden, sofern die Patientin damit zurechtkommt. Zudem sind regelmäßige gynäkologische Untersuchungen anzuraten.

Festzuhalten ist, dass eine Hormontherapie bei Frauen in den Wechseljahren so früh wie möglich und nötig angewendet werden sollte. Sie sollte nur bei Bedarf – akute, belastende klimakterische Beschwerden – angewendet werden. Eine Hormontherapie ist nicht per se für alle Frauen geeignet. Bei moderaten klimakterischen Beschwerden sind oft auch nicht hormonelle Therapie­maßnahmen wirksam. |

Literatur

[1] Manson JE et al. Menopausal Hormone Therapy and Long-term All-Cause and Cause-Specific Mortality – The Women’s Health Initiative Randomized Trials. JAMA 2017;318(10):927-938

[2] Grossman DC et al. Hormone therapy for the primary prevention of chronic conditions in postmenopausal women. US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. 2017; https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2665782?resultClick=1#178504955


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