Gesundheitspolitik

Kommentar: Zu viel Respekt vor den Kassen

Kommentar von Christine Ahlheim

Wer schon einmal einen Auftritt von Gesundheitsminister Spahn vor Apothekern erlebte, musste mit Entsetzen feststellen, wie wenig Respekt er vor unserem Berufsstand hat. Da werden gute Argumente einfach ignoriert, es wird mit dem äußerst fragwürdigen Honorargutachten gedroht und bei Widerworten das Mitwirken bei der Apothekenreform infrage gestellt.

Ganz anders verhält sich Spahn allerdings gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen. So legte er erst kürzlich seinen Plan, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen) gegen deren Widerstand bundesweit zu öffnen, ad acta. Auch beim Thema Lieferengpässe will er den Kassen offenbar nicht zu nahe treten und lässt die Finger von den Rabattverträgen. Schließlich hatte die AOK verkündet, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen Lieferengpässen und Rabattverträgen gebe. Während dies andere Gesundheitspolitiker der Großen Koalition nicht davon abhält, dennoch Änderungen an den Rabattverträgen zu fordern, sieht Spahn hier keine Dringlichkeit (s. S. 8). Er strebt eine europäische Lösung beim Vergaberecht an, wonach bei den Zuschlägen auch der Produktionsstandort eine Rolle spielen soll. In die Wege leiten will er dies aber erst, wenn Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Wie lange es dauern wird, bis eine solche Regelung gefunden ist und sich auf die Lieferengpässe auswirkt – darüber mag man als Apotheker gar nicht nachdenken. Vor allem dann nicht, wenn man seinen halben Arbeitstag damit verbringen musste, die immer größer werdenden Lücken in den Schub­laden zumindest notdürftig zu stopfen.

Dr. Christine Ahlheim, Chefredakteurin der AZ

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.