Foto: Talaj – stock.adobe.com

Wirtschaft

Gespart auf Kosten der Apotheker

Rabattverträge führen zu deutlichen Mehrbelastungen

Vor Kurzem hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) u. a. Zahlen zu den Einsparungen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufgrund der Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln durch Apotheken für das Jahr 2018 veröffentlicht. Danach wurde die GKV allein aufgrund dieser mit pharmazeutischen Unternehmen vertraglich vereinbarten Rabatte (nach § 130a Abs. 8 SGB V) um mehr als 4392 Mio. Euro – nach vorläufigen Ergebnissen – entlastet (s. Tab. 1). Mit nochmals 360 Mio. Euro (oder 8,9 Prozent) mehr als im Vorjahr ist das ein neuer Höchststand. | Von Uwe Hüsgen

Nach Angaben des Ministeriums stiegen im Berichtsjahr die GKV-Ausgaben insgesamt um 3,9 Prozent, die (zugehörigen) Arzneimittelausgaben um 3,1 Prozent. Hierbei hätten die Entwicklungen im Bereich innovativer Arzneimittel weiterhin eine zentrale Rolle gespielt. Weiter wies das Ministerium darauf hin, dass die Netto-Verwaltungskosten der Krankenkassen nach einer rückläufigen Entwicklung in 2017 im Berichtsjahr um 5,0 Prozent gestiegen seien.

Tab. 1: Vertraglich vereinbarte Rabatte mit pharmazeutischen Unternehmen in den Jahren 2017 und 2018
Nr.
Auswertungsposition
Jahr
Entwicklung
2017 = 100%
2017
2018
1
vertraglich vereinbarte Rabatte1) (mit MwSt.) in Mio. Euro2)
4033
4392
108,9%
2



zulasten der GKV abgegebene Fertig-Arzneimittel insgesamt in Mio.
davon:

672,7

674,5

100,3%

3rabattbegünstigte Arzneimittel in Mio.
405,6

415,0

102,3%

4nicht rabattbegünstigte Arzneimittel in Mio.
267,1

259,5

97,2%

5Anteil rabattbegünstigter Arzneimittel am Gesamtmarkt60,3%61,5%102,0%
6
Rabatt je rabattbegünstigtes Arzneimittel in Euro
9,94
10,58
106,5%
7

GKV-Arzneimittel-Umsatz zum ApU insg. in Mio. Euro

25.127

26.073

103,8%

8

GKV-Arzneimittel-Umsatz zum ApU von rabattbegünstigten Arzneimittel
9512

10.531

110,7%

9
n in Mio. Euro

15.615

15.542

99,5%
10GKV-Arzneimittel-Umsatz zum ApU von nicht rabattbegünstigten Arzneimitteln in Mio. Euro
Anteil rabattbegünstigter Arzneimittel-Umsatz zum ApU am Gesamtmarkt
37,9%40,4%

1): gem. § 130a Abs. 8 SGB V; 2): 2018 vorläufig; Quelle: BMG, INSIGHT Health und eigene Berechnungen

Bei all diesen Steigerungen muss (noch) berücksichtigt werden, dass die Zahl der in der GKV Versicherten wieder deutlich – von durchschnittlich knapp 72,23 Mio. (in 2017) auf gut 72,78 Mio. (in 2018), und damit um mehr als 550.000 Versicherte bzw. um fast 0,8 Prozent – zugenommen hat.

Im letzten Jahr wurden von den deutschen Apotheken rund 674,5 Mio. apotheken- und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (FAM) zulasten der GKV abgegeben. Das ist „seit GMG“, also seit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2004, der zweithöchste Wert nach 2016. Damit wurden im Berichtsjahr rund 1,8 Mio. FAM-Packungen (oder knapp 0,3 Prozent) mehr abgegeben als im Vorjahr.

Überproportionaler Anstieg bei den Rabattarzneimitteln

In 2018 haben die öffentlichen Apotheken 415,0 Mio. rabattbegünstigte Arzneimittel zulasten der GKV abgegeben; das war eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Prozent. Folglich erzielten diese zulasten der GKV verordneten Arzneimittel einen Absatzanteil von gut 61,5 Prozent am GKV-FAM-Markt; bei den verschreibungspflichtigen FAM lag der Marktanteil mit 65,6 Prozent sogar noch deutlich höher. Anders ausgedrückt: Von drei zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln (Rx-FAM) waren im Berichtsjahr zwei rabattbegünstigt; so viel wie nie zuvor.

Das bedeutet aber auch, dass seit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) zum 1. April 2007, als die Rabattverträge zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen „scharf gestellt“ wurden, noch nie so wenige nicht rabattbegünstigte FAM zulasten der GKV abgegeben wurden wie in 2018, nämlich weniger als 260 Mio. Packungen.

Rabattarzneimittel werden immer teurer

Während der Absatz von zulasten der GKV verordneten Arzneimitteln im Berichtsjahr um rund 0,3 Prozent angestiegen ist, ist der zugehörige Abgabepreis der pharmazeutischen Unternehmer (ApU), der im Folgenden auch als Herstellerabgabepreis bezeichnet wird, von knapp 25,13 Mrd. Euro auf gut 26,07 Mrd. Euro, oder um 3,8 Prozent angewachsen. Je Packung gerechnet bedeutet dies auf Basis des ApU einen Anstieg von 37,35 Euro (2017) auf 38,66 Euro (2018), oder um 3,5 Prozent.

Bei den Rabattarzneimitteln betrug der Zuwachs beim Herstellerabgabepreis 10,7 Prozent. Unter Berücksichtigung der Absatzentwicklung (von 2,3 Prozent) ist dies ein Anstieg von immer noch 8,2 Prozent (!); der durchschnittliche Herstellerabgabepreis je rabattbegünstigtem Arzneimittel stieg demnach von 23,45 Euro auf 25,38 Euro.

Damit sind rabattbegünstigte Arzneimittel im Vergleich zum Gesamtmarkt trotzdem immer noch preiswert, auch wenn sich der (Preis-)Abstand zu den nicht rabattbegünstigten Arzneimitteln in den letzten Jahren merklich verringert hat.

Da die Apotheken im Berichtsjahr wieder überproportional viele rabattbegünstigte Arzneimittel (mit einer zudem überdurchschnittlichen Steigerung des Herstellerabgabepreises) abgegeben haben, ist auch der Umsatzanteil zu Herstellerabgabepreisen – von 37,9 Prozent auf 40,4 Prozent – gestiegen.

Diese – aus Sicht der Krankenkassen positive – Entwicklung hat auch bewirkt, dass der Herstellerabgabepreis der nicht rabattbegünstigten Arzneimittel von knapp 15,62 Mrd. Euro auf 15,54 Mrd. Euro (oder um 0,5 Prozent) gefallen ist. Da die nicht rabattbegünstigten Arzneimittel im Berichtsjahr nochmals einen Absatzrückgang (von 2,8 Prozent) verzeichnen mussten, erhöhte sich der durchschnittliche Herstellerabgabepreis der nicht rabattbegünstigten Arzneimittel von 58,46 Euro (2017) auf 59,89 Euro (2018), bzw. um 2,4 Prozent.

Generika machen mit einem Absatzanteil von weit über 90 Prozent den Schwerpunkt der rabattbegünstigten Arzneimittel aus; der Herstellerabgabepreis der nicht rabatt­begünstigten Arzneimittel hat sich unterdurchschnittlich entwickelt. Damit ist die Aussage des BMG, die Entwicklungen der Ausgaben im Bereich innovativer Arzneimittel spielten weiterhin eine zentrale Rolle, nur schwer nachvollziehbar, sofern man davon ausgeht, dass innovativ zugleich Ausgaben-steigernd suggerieren soll.

Rabatt auf Allzeithoch

Auch im Berichtsjahr stieg der vertraglich vereinbarte Rabatt je zulasten der GKV abgegebenem rabattbegünstigtem Arzneimittel wieder an, und zwar von 9,94 Euro (2017) auf 10,58 Euro (2018), und damit um 6,5 Prozent (s. Tab. 2, in der die wichtigsten Entwicklungen zu den rabattbegünstigten Arzneimitteln seit 2007, dem Inkrafttreten des GKV-WSG, dargestellt sind). Dadurch wurden die gesetzlichen Krankenkassen, und infolge die Versichertengemeinschaft, auch in 2018 wieder deutlich entlastet.

Tab. 2: Zulasten der GKV abgegebene Fertigarzneimittel (FAM) in Mio., rabattbegünstigte Fertigarzneimittel (rab. AM) in Mio., den gesetzlichen Krankenkassen seitens der Hersteller darauf vertraglich gewährte Rabatte (nach § 130a Abs. 8 SGB V) in Mio. Euro und je rab. FAM sowie, zum Vergleich, Apotheken-Rohertrag (gem. AMPreisV) je GKV-Rx-FAM in den Jahren 2007 bis 20182
Aus­wer­tungs­position
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
GKV-FAM insgesamt in Mio.
607,9
623,0
649,1
648,0
651,0
649,0
660,4
666,8
671,7
679,0
672,7
674,5
davon: ­rabattbeg. FAM
in Mio.
in %
106,4
17,5%
259,2
41,6%
18,7
49,1%
314,7
48,6%
346,7
53,3%
370,4
57,1%
350,9
53,1%
363,4
54,5%
381,8
56,8%
397,7
58,6%
405,6
60,3%
415,0
61,5%
darunter:
apothekenpfl. in Mio.

6,7

15,2

18,7

16,6

16,9

17,4
353,0
8,9
341,9
6,4
357,1
7,9
373,9
9,8
387,9
9,8
395,9
10,4
404,6
verschreibungspfl.in Mio.99,7243,9300,1298,2298,2
Rabatte in Mio. Euro gem. § 130a Abs. 8 SGB V2
*1
310,2
846,2
1308,9
1720,5
2374,9
2972,4
3186,0
3655,0
3888,4
4032,6
4392,0
Rabatt je rabattb. FAM2
1,20 Euro
2,66 Euro
4,16 Euro
4,96 Euro
6,41 Euro
8,47 Euro
8,77 Euro
9,57 Euro
9,78 Euro
9,94 Euro
10,58 Euro
zum Vergleich: Apo.-Roh­ertrag je GKV-Rx-FAM (gem. AMPreisV)
7,14 Euro
7,11 Euro
7,62 Euro
7,62 Euro
7,38 Euro
7,41 Euro
7,89 Euro
7,95 Euro
8,02 Euro
8,05 Euro
8,09 Euro
8,14 Euro

*1 nicht ausgewiesen2 Herstellerrabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V: für 2018: vorläufig
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (KJ1, KV 45), INSIGHT Health, und eigene Berechnungen; Hü. ©

Apotheken-Rohertrag wird seit Jahren deutlich überstiegen

An dieser Stelle ist es Chronistenpflicht, darauf hinzuweisen, dass der durchschnittliche Rabatt je rabattbegünstigtem Arzneimittel den durchschnittlichen Apotheken-Roh­ertrag (gemäß AMPreisV) über alle (!) zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel (Rx-FAM) auch in 2018 – mit 8,14 Euro – wieder deutlich überschritten hat.

Dabei liegt der Apotheken-Rohertrag je rabattbegünstigtem Arzneimittel natürlich noch deutlich unter 8,14 Euro – so bei den rabattbegünstigten Rx-FAM bei rund 7,74 Euro!

Und da der durchschnittliche Apothekenabgabepreis je rabattbegünstigtem apothekenpflichtigen Arzneimittel unter zehn Euro liegt, der Wert ohne Mehrwertsteuer demnach unter 8,40 Euro, ist ersichtlich, dass bei diesen Arzneimitteln der durchschnittliche Rohertrag noch weit unter 7,74 Euro liegen muss.

Der vertraglich vereinbarte Rabatt wird seitens der Hersteller einschließlich Mehrwertsteuer gewährt.

Deshalb muss als Vergleichswert für die durch Apotheken verursachten Ausgaben der Krankenkassen je Rx-FAM korrekterweise der durchschnittliche Apotheken-Rohertrag zusätzlich Mehrwertsteuer herangezogen werden; er beträgt – auf alle (!) zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM – 9,69 Euro und liegt damit um 0,89 Euro unter dem Rabatt je rabattbegünstigtem Arzneimittel. Je rabattbegünstigtem Arzneimittel beträgt der Apotheken-Rohertrag zuzüglich Mehrwertsteuer demnach weniger als 9,21 Euro; die Differenz zum Hersteller-Rabatt beträgt demnach mehr als 1,37 Euro.

Auf den Punkt gebracht heißt dies: für jedes zulasten der GKV abgegebene rabattbegünstigte Arzneimittel, und damit für 61,5 Prozent des Absatz-Marktes, erhalten die gesetz­lichen Krankenkassen deutlich mehr an Rabatten aus vertraglichen Vereinbarungen mit den Herstellern, als sie den öffentlichen Apotheken im Rahmen der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Beratung ihrer Versicherten und die anschließende Abgabe dieser Arzneimittel an Honorar zugestehen.

Die Sache mit der Mehrwertsteuer

Alle Rabatte, die Apotheken und Hersteller den gesetzlichen Krankenkassen gewähren (müssen), enthalten die Mehrwertsteuer. Diese Erlösschmälerungen aufseiten der Leistungserbringer verringern sowohl den Umsatz als auch die Zahllast. Dabei wird die Zahllast definiert als Differenz aus der gesetzlich zu erhebenden Mehrwertsteuer und der an Vorlieferanten entrichteten Vorsteuer.

Zur Berechnung des effektiven ApU werden deshalb die vertraglich vereinbarten Rabatte der Hersteller nach Kürzung um die anteilige Mehrwertsteuer von dem originären, im Lauer gelisteten ApU abgezogen (s. Tab. 3).

Während die Hersteller in 2017 auf Arzneimitteln nach § 130a Abs. 8 SGB V noch einen durchschnittlichen Rabatt von 35,6 Prozent vereinbarten/vereinbaren mussten, um einen Vertrag mit den Krankenkassen abschließen zu können, sank dieser Wert in 2018 um 0,6 Prozentpunkte auf 35,0 Prozent.

Die Zahl der vertraglich gebundenen Arzneimittel nimmt also von Jahr zu Jahr zu, der Durchschnittspreis pro Packung steigt ebenso wie der (packungsbezogene) absolute Rabatt. Allerdings nimmt der prozentuale Rabatt, bezogen auf den Herstellerabgabepreis, dabei ab.

Tab. 3: Umsatz (ApU) mit rabattbegünstigten Arzneimitteln und Erlösschmälerungen der Hersteller
Nr.
Auswertungsposition
Jahr
Entwicklung
2017 = 100%
2017
2018
1
GKV-Arzneimittel-Umsatz zum ApU von rabattbegünstigten Arzneimitteln in Mio. Euro
9512,3
10.531,1
110,7%
2
vertraglich vereinbarte Rabatte1 (m. USt) in Mio. Euro2
4032,6
4392,0
108,9%
3
Erlösschmälerungen (Herst.) aufgrund vertraglich vereinbarter Rabatte1
3388,7
3690,8
108,9%
4
gekürzter GKV-AM-Umsatz (ApU) v. rabattb. AM in Mio. Euro (Nr. 1 - Nr. 3)
6123,5
6840,3
111,7%
5
Erlösschmälerungen in Prozent
35,6%
35,0%

1: gem. § 130a Abs. 8 SGB V; 2: 2018 vorläufig; Quelle: BMG, INSIGHT Health und eigene Berechnungen

Zusatzaufwand verrechnen

Der Autor dieses Beitrags hatte bereits im Jahre 2013 anhand einer Modellrechnung (s. „Aufwand honorieren!“, DAZ 2013, Nr. 8, S. 24) nachgewiesen, dass den Apotheken im Zuge der Abgabe von Rabattarzneimitteln, die bei der Abgabe zulasten der GKV anfallen, in 2011 zusätzliche Personalkosten von etwa 1,13 Euro (netto!) je Packung entstanden sind. Die durch die Rabattverträge ausgelösten Mehrbelastungen jenseits der Personalkosten sind bei dieser Modellrechnung damals vollständig außen vor geblieben. Aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen fällt der ausgewiesene Betrag heute natürlich deutlich höher aus.

Seit jeher gilt in der Sozialen Marktwirtschaft, dass diejenigen Marktpartner, die Erlöse zugunsten eines Dritten unter erhöhten, eigenen Aufwendungen einziehen, an diesen Geschäften regelmäßig mit einer Provision beteiligt werden. Gedacht wurde 2013 dabei an eine Absenkung des Kassenabschlags (von derzeit 1,77 Euro brutto), die heute im Minimum auf einen kompletten Wegfall des Kassenabschlags bei rabattbegünstigten Arzneimitteln hinauslaufen müsste.

Aufgrund der mit den pharmazeutischen Unternehmen vertraglich vereinbarten Rabatte in Höhe von aktuell 4392 Mio. Euro wäre ein solches „Kompensationsgeschäft“ ein fairer Ausgleich für die apothekerliche Mehrleistung/Mehrbelastung.

Auf Basis dieser Zahlen aus 2018 ergäben sich für die öffentlichen Apotheken durch den Wegfall des Apotheken-Rabatts Rohertragszuwächse von etwa 605 Mio. Euro und zusätz­liche Steuereinnahmen des Staates von rund 115 Mio. Euro. Demgegenüber würden sich die gesetzlichen Rabatte, die die Apotheken den Krankenkassen zu gewähren haben, von 1111 Mio. Euro um 720 Mio. Euro auf rund 391 Mio. Euro verringern.

Foto: Kaesler Media – stock.adobe.com
Versorgungsengpässe durch Marktkonzentration? Industrievertreter sehen in den Rabattverträgen die Gefahr, dass immer mehr versorgungskritische Situationen auf dem Arzneimittelmarkt eintreten könnten.

Auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten, so die Schlussfolgerung schon 2013, wäre eine solche Regelung – heute mehr denn je – zu begrüßen, wären doch kleinere Krankenkassen, die im Zuge von Ausschreibungen nicht über entsprechend hohe Umsatzvolumen verfügen, und folglich auch nicht vergleichbare Mengen mit den Herstellern aushandeln können, im Gegensatz zu den größeren Kassen nicht mehr ganz so schlecht gestellt.

Die Prognosen, dass eine solche, von Apothekerseite geforderte Änderung beim Kassenrabatt erfolgreich sein könnte, stehen nicht gut. So hat der Autor in den letzten Jahren auch keinen Vorschlag des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) in dieser Angelegenheit registrieren können. Nachdem der Apotheken-Rabatt, auf Betreiben des DAV, nun auch noch gesetzlich festgeschrieben worden ist, müsste heute der Gesetzgeber (über eine Änderung von § 130 SGB V) tätig werden.

Hätten die niedergelassenen Apotheker aber z. B. eine Kassenapothekerliche Bundesvereinigung (KABV) gebildet, wären die Krankenkassen aufgrund der nachgewiesenen Mehrbelastungen der Apotheken gefordert, hierzu in Verhandlungen mit der Apothekerschaft einzutreten.

Aktuelles

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im vom BMG aktuell vorgelegten Referenten-Entwurf für ein „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ – mit Blick auf den Risikostrukturausgleich (RSA) – eine Versicherten-individuelle Berücksichtigung von Arzneimittelrabatten vorgesehen ist, die die Verzerrungen in den Zuweisungen beseitigen sollen, um damit die tatsächlichen Arzneimittelausgaben (bei den einzelnen Krankenkassen) berücksichtigen zu können. An dieser Stelle soll es in Zukunft also Kompensationen geben.

Ebenso interessant ist der Umstand, dass der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) aktuell ein Gutachten „Zehn Jahre Arzneimittel-Rabattverträge“ vorgelegt hat, das das Instrument der Rabattverträge scharf kritisiert. So ziehe das Kassen-Prinzip, die größtmögliche Einsparung zu erzielen, immer häufiger versorgungskritische Situationen nach sich. Dadurch sei im rabattvertragsgeregelten Markt eine Marktkonzentration eingetreten, die die Arzneimittelversorgung massiv beeinträchtige: Mittlerweile werde für bestimmte Wirkstoffe der gesamte Markt nur noch von wenigen bis zu einem einzigen Unternehmen beherrscht. In der Folge seien Liefer- und Versorgungsengpässe eher die Regel als die Ausnahme, resümiert der BPI in seinem Gutachten.

Dem hat der Vorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, scharf widersprochen: Man habe die gängige Pauschalkritik an Rabattverträgen schon im Jahr 2017 widerlegt. Damals hätten Apotheker bei lediglich 0,6 Prozent aller zulasten der GKV abgerechneten Arzneimittel ein Lieferversagen der Pharmaindustrie dokumentieren und ein austauschbares Arzneimittel abgeben müssen. Solche Lieferausfälle hätten mit tatsächlichen Versorgungsproblemen aber noch gar nichts zu tun, sagt der Chef der AOK Baden-Württemberg.

Ähnlich die Argumentation der Bundesregierung zur Kritik des Bundesrates am aktuell vorgelegten „Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV), der es zur Vermeidung von Lieferengpässen als notwendig erachtet, dass das Vorhandensein europäischer Produktionsstandorte bei der Vergabe von Rabattverträgen ebenfalls Berücksichtigung finden soll. In ihrer Replik verweist die Bundesregierung auf die Berücksichtigung der Gewährleistung einer unterbrechungsfreien und bedarfsgerechten Lieferfähigkeit beim Abschluss von Rabattverträgen, die der Gesetzentwurf bereits vorsehe.

Angesichts der aktuellen Situation – erinnert sei in diesem Zusammenhang bezüglich der Lieferengpässe nur an die Valsartan-Verunreinigungen und deren Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und -qualität und die Einführung von Securpharm, das die Apotheken in Summe noch Millionen kosten dürfte – sind größere Probleme im Zusammenhang mit rabattbegünstigten Arzneimitteln – weit jenseits der von Hermann genannten Quote von 0,6 Prozent – zu erwarten. Von pharmazeutischen Bedenken an dieser Stelle ganz zu schweigen. |

Ein besonderer Dank gilt dem Unternehmen Insight Health, das dem ­Autor seit Jahren die benötigten Rohdaten zur Ver­fügung stellt.

Autor

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Essen, war langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e. V.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.