Die Seite 3

Ideen statt Aktionismus

Foto: DAZ/tmb
Dr. Thomas Müller-Bohn

Klimaschutz ist überall. Auch beim Deutschen Apothekertag stehen dazu zwei Anträge auf der Tagesordnung (siehe Seite 26). Außerdem kursiert die Idee, die Apotheken sollten die Zahl ihrer Großhandelsbelieferungen für den Klimaschutz reduzieren. Das betrachte ich als Aktionismus, der dem Klima nicht hilft, aber vor allem als ein Zeichen, wie wenig über den Arbeitsalltag und die Leistungen der Apotheken bekannt ist.

Mehrmals tägliche Apothekenbelieferungen sind nötig, um die Patienten auch mit ausgefallenen Arzneimitteln schnell zu versorgen. Bei selten verwendeten Arzneimitteln wäre die Vorratshaltung wegen des Verfallrisikos auch volkswirtschaftlich und ökologisch unsinnig. Naturgemäß geht es dabei eher um Arzneimittel gegen schwerwiegende Erkrankungen, die selten vorkommen. Die schnelle Versorgung durch das passende Arzneimittel mag manchmal sogar darüber entscheiden, ob der Patient ambulant oder stationär versorgt werden kann. Als zweiter Grund für die häufigen Lieferungen kommt hinzu, dass nur so Rabatt- und Lieferverträge der Krankenkassen erfüllt und die Patienten dabei noch am selben Tag versorgt werden können. Auch wenn dies nicht immer entscheidend für die Therapie ist, drückt sich darin ein hohes Versorgungsniveau aus, das einen gesellschaftlichen Wert darstellt.

Dieses Niveau muss der zentrale Anspruch für die Arzneimittelversorgung sein. Dabei dürfen Gesundheit und Ökologie nicht zu Gegnern werden und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Außerdem erscheinen reduzierte Großhandelslieferungen absurd, wenn zugleich jeder Verbraucher selbstverständlich die nutzlosesten Dinge jederzeit über große Entfernungen bestellen kann und der Trend dabei zum „same day delivery“ geht. Soll der Kampf gegen den Klimawandel bei den Schwächsten beginnen? Gerät jede Verhältnismäßigkeit aus dem Blick, wenn irgendjemand „Klima“ sagt? Klima first, Bedenken second? Hoffentlich nicht! Denn die Arzneimittelversorgung zielt auf die Gesundheit des Menschen und auf das bewährte und gesellschaftlich gewünschte Versorgungsniveau. Letztlich soll auch der Umweltschutz der Gesundheit dienen, aber nicht umgekehrt.

Statt Aktionismus sind also Ideen gefragt – und das auch in der Arzneimittelversorgung. Denn auch dort gibt es sinnvolle Ansätze für den Klimaschutz. Mehrmals tägliche Großhandelslieferungen wären zwar auch ohne Rabattverträge für die Akutversorgung nötig, aber Botendienste und zusätzliche Fahrten der Patienten wegen Nachlieferungen könnten bei mehr Substitutionsmöglichkeiten und weniger Regularien reduziert werden. Dieser Aufwand erscheint volkswirtschaftlich und mit Blick auf das Klima gleichermaßen unsinnig, wenn er nur dazu dient, einen Rabattvertrag zu erfüllen und der Krankenkasse ein paar Cent zu sparen. Der Versand mit weiten Transportwegen, Mehrfachzustellung und reichlich Verpackungsmüll wirkt ebenfalls problematisch. Die Apothekerkammer Berlin verweist in ihrem Antrag zum Apothekertag auch auf den Import wegen marginaler Preisunterschiede, die Vernichtung von Arzneimitteln mit geringfügigen Kennzeichnungsfehlern und Botendienste für die Bequemlichkeit. Vielleicht regt der Klimaschutz sogar dazu an, das ganze bürokratisch verfahrene Versorgungssystem aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit zu durchforsten. Dazu gehört dann auch der sparsame Umgang mit der knappen Ressource der pharmazeutischen Arbeitskraft. Auch dies ist längst überflüssig.

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

 

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