Gesundheitspolitik

Schlaglichter der Gesundheitspolitik

ks | Jens Spahn (CDU) hatte bereits in seinem ersten Amtsjahr als Bundesgesundheitsminister zahlreiche gesundheitspolitische Vorhaben ­angestoßen – 2019 geht es munter weiter. Mitte Dezember kann er rein quantitativ eine stolze Bilanz aufweisen: 21 Gesetze und 15 Verordnungen hat er auf den Weg gebracht, viele davon sind bereits in Kraft getreten. Hier ein Überblick über Spahns apothekenrelevante Aktivitäten abseits des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG).

Manch einer reibt sich 2019 die Augen, ob der Rastlosigkeit des Ministers. Ein Referentenentwurf jagt den anderen. Die Linksfraktion im Bundestag stellt zwischenzeitlich gar eine Kleine Anfrage, wie es angesichts der Gesetzesflut um den Gesundheitszustand der Ministeriumsmitarbeiter bestellt ist. In seiner Antwort räumt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein, dass sich die Arbeitsbelastung tatsächlich erhöht habe, nicht nur durch selbst angestoßene Reformen, sondern auch durch zahlreiche parlamentarische Anfragen, die allein die Arbeitskraft von 11,5 Beschäftigten beanspruchen. Doch das BMG erklärt auch, dass Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitsbelastung vorgenommen würden. Zwar wurde im Jahr 2018 auch ein Krankheitstage-Rekord im BMG aufgestellt – dennoch gibt man sich noch nicht alarmiert.

Doch woran wurde nun gearbeitet? Das für die Apotheker wichtigste Vorhaben aus dem Hause Spahn ist zweifelsohne das VOASG. Seinen verschlungenen Wegen ist – zusammen mit der weiterhin geführten Diskussion über ein Rx-Versandverbot – ein eigener Beitrag in diesem Jahresrückblick gewidmet (siehe S. 34). Aber es gab auch zahlreiche weitere Aktivitäten aus dem BMG, die die Apotheken mehr oder weniger direkt betrafen.

Terminservice- und Versorgungsgesetz

Das TSVG war eines der ersten Gesetzesvorhaben des Ministers. Im Vorjahr angestoßen, tritt es im Mai in Kraft (DAZ 20). Im Kern geht es darum, GKV-Versicherten schneller Arzttermine zu verschaffen: Die Terminservicestellen werden ausgebaut, das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärzte erhöht. In unterversorgten Gebieten müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten. Weiterhin werden die Krankenkassen verpflichtet, für ihre Versicherten spätestens ab 2021 elektronische Pa­tientenakten anzubieten. Doch das Gesetz entwickelt sich zu einem echten Omnibus. Auch für Apotheker hält es wich­tige Regelungen parat. So wird die Grippe­impfstoffversorgung neu geregelt – sowohl im Hinblick auf das Vorbestellverfahren als auch auf die Ver­gütung der Apotheker. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens werden immer wieder neue Vorschläge diskutiert (AZ 11). Am Ende einigt man sich, dass Verträge im Impfstoffbereich ausgedient haben und die Vergütung in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt wird: Apotheker erhalten nun je Einzeldosis fix einen Euro, höchstens jedoch 75 Euro pro Verordnungszeile. Der Bundesrat sieht die Regelung zur Versorgung mit Grippeimpfstoffen kritisch. Er lässt das Gesetz zwar passieren, fordert aber in einer begleitenden Entschließung, die getroffenen Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Praxistauglichkeit schon in der Saison 2019/2020 zu prüfen und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen (AZ 16/17). Zudem bemüht sich der Gesetzgeber im TSVG um eine Klarstellung, dass das Großhandelsfixum von 70 Cent pro Packung keinem Rabatt zugänglich ist. Hintergrund ist ein 2017 ergangenes Urteil des Bundesgerichthofs: In einem Rechtsstreit um die Konditionen des Großhändlers AEP entschied dieser, dass der pharmazeutische Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent nicht zwingend erheben muss – das hatte der Gesetzgeber eigentlich anders intendiert. Doch auch nach der Neuregelung des TSVG bleibt umstritten, wie die Regelung genau zu verstehen ist. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) ist überzeugt: Damit sind Rabatte und Skonti von Großhändlern und direkt vertreibenden Herstellern nur noch im Rahmen der 3,15-Prozent-Marge und bis höchstens 37,80 Euro zulässig. Der Großhändler AEP sieht es anders. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Skonti-Frage eines Tages wieder vor Gericht landen wird (DAZ 14, DAZ 27). Weiterhin werden mit dem TSVG Ausschreibungen für Hilfsmittel abgeschafft (DAZ 7). GKV-Versicherte ab 16 Jahren mit erhöhtem HIV-Infektionsrisiko bekommen einen Anspruch auf Präexpositionsprophylaxe (PrEP) – diese Regelung tritt zum 1. September in Kraft (DAZ 36). Ferner wird der Deutsche Apothekerverband (DAV) verpflichtet, dem BMG regel­mäßig Auswertungen zu den beim Notdienstfonds vorhandenen Daten zu abgegebenen Rx-Packungen zu übermitteln. Und: Das Ministerium ist nun ermächtigt, die Aufgaben des beim DAV angesie­delten Notdienstfonds zu erweitern (AZ 10).

Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung

Das GSAV ist Spahns erstes großes Gesetz für den Arzneimittelmarkt. Es ist eine Reaktion auf die diversen Arzneimittelskandale, die 2018 für Schlagzeilen sorgten: die Valsartan-Verunreinigungen, die Lunapharm-Affäre, der Bottroper Zyto-Prozess und die Geschehnisse um den Heilprak­tiker aus Brüggen-Bracht, der Krebspatienten mit zweifelhaften Substanzen behandelte. Schon im November 2018 legte Spahn seinen Referentenentwurf vor. Bis der Bundestag das Gesetz im Juni 2019 beschließt und es Mitte August in Kraft tritt, macht es zahlreiche Wandlungen durch. Besonders extrem sind diese bei der Importförderklausel. Nach der Lunapharm-Affäre, die anschaulich aufzeigte, welch zweifelhafte Wege parallel­importierte Arzneimittel nehmen können, war klar, dass hier etwas geschehen soll. Der erste Referentenentwurf sah recht zahm vor, die bislang geltende 15/15-Preisabstandsregel zu stutzen: Der Preisabstand zwischen Original und Import sollte zwar weiterhin mindestens 15 Prozent betragen – der alternative 15 Euro-Abstand jedoch gestrichen werden. Dann kursiert kurzfristig ein Entwurf, in dem die Importförderklausel gänzlich gestrichen ist. Doch die Erleichterung all jener, die eben dies gefordert hatten, währt nicht lange. Im Ende Januar beschlossenen Kabinettsentwurf findet sich plötzlich eine kompliziert wirkende differenzierte Regelung für drei Preisstufen. Sie orientiert sich am ab dem 1. Juli geltenden Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Für einige Apotheken von Bedeutung ist auch eine weitere Wandlung: Der GSAV-Referentenentwurf sah zunächst eine neue Honorierung für die Zubereitung parenteraler onkologischer Zubereitungen vor, doch diese geht mit dem Kabinettsentwurf unter (AZ 5).

Mit dem TSVG und dem GSAV hat Minister Spahn zwei umfangreiche Gesetze geschaffen – das Schicksal des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes bleibt ungewiss.

Umstrittene Importförderung

Es ist vor allem die Importförderklausel, die im Gesetzgebungsverfahren für Diskussionen sorgt. Es hagelt Kritik seitens des Bundesrats (DAZ 12), der ABDA und der AMK (DAZ 15) sowie der Kassen, allen voran der AOK Baden-Württemberg. Selbst im GKV-Spitzenverband gibt es mittlerweile Zweifel am Sinn der Regelung (AZ 16/17, DAZ 20). Auch die SPD-Bundestagsfraktion fordert die gänzliche Streichung der Klausel (AZ 21, 22). Lediglich die Importeure und ihre Verbände selbst machen sich stark für den Erhalt (DAZ 22). Dennoch hält sich die zuletzt gefundene Regelung. Erst ganz zum Schluss, kurz vor der Verabschiedung im Bundestag, wird über einen Änderungsantrag noch eine Ausnahme beschlossen: Für Biopharmazeutika und parenteral anzuwendende Zytostatika soll die Austauschpflicht im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht gelten. Zudem wird der GKV-Spitzenverband verpflichtet, die neue Importförder­regelung zu evaluieren – auf Grundlage seines Berichts soll entschieden werden, ob die Regelung weiterhin notwendig ist (AZ 24). Am Ende lenken sogar die Länder ein – obwohl der Bundesrat mehrheitlich für die Abschaffung der Importförderklausel war und die Anrufung des Vermittlungsausschusses im Raum stand (AZ 25, DAZ 27).

Die letzten Änderungsanträge kommen allerdings so kurzfristig, dass dabei ein redaktionelles Versehen unterläuft und die Ausnahmen von der Importförderklausel für Biopharmazeutika und Zytostatika versehentlich erst einmal nicht in Kraft treten. Der Gesetzgeber korrigiert den Lapsus im Gesetzentwurf zur Errichtung eines Implantateregisters in Deutschland – das Gesetz soll am 1. Januar 2020 in Kraft treten (DAZ 40).

Druck aus dem Saarland: Die Importförderklausel hat sich trotz massiver Kritik im SGB V halten können – wenn auch in neuer Form und mit Ausnahmen.

Später im Jahr zeigt sich: Die Vermutung, dass hinter dem Festhalten an der Klausel vor allem das Saarland bzw. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steckt, war richtig. Er machte einen „Minister-Vorbehalt“ gegen die Streichung geltend und stritt mit Spahn überdies um Kompetenzen in Sachen Apothekenhonorar. Das belegen Aktenvermerke und Vorlagen des Bundeswirtschaftsministe­riums (BMWi) rund um das Gesetz­gebungsverfahren zum GSAV. Auch ein E-Mail-Austausch zwischen Kohlpharma und dem BMWi ist dokumentiert. Einblick in diese internen Dokumente hatte sich ein Rechercheteam um den Journalisten Markus Grill über das Informationsfreiheitsgesetz verschafft (DAZ 35).

Was das GSAV sonst noch bietet

Das GSAV hat aber noch mehr zu bieten: Für Apotheken relevant ist ins­besondere der Fahrplan für das E-Rezept. Die Selbstverwaltung wird verpflichtet, hierfür innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten des Ge­setzes die notwendigen Regelungen zu schaffen. Zudem wird das Verbot, eine aus einer Fernbehandlung resultierende Verordnung zu bedienen, gestrichen. Weiterhin setzt es den Rahmen für einen kommenden Bio­similar-Austausch in der Apotheke: Der G-BA wird beauftragt, die Details zu regeln, in Kraft treten wird diese Neuerung aber erst drei Jahre später, zum 16. August 2022. Außerdem wird die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg (Direktvertrieb des Herstellers mit Ärzten und Krankenhäusern) für Arzneimittel zur Versorgung von Hämophilie-Patienten zurückgenommen – diese Regelung wird im August 2020 wirksam (DAZ 20). Das führt auch zu neuen Meldepflichten nach der Apothekenbetriebsordnung, die auch für Blutzubereitungen gelten. Zudem werden erweiterte Kennzeichnungspflichten für patientenindividuell hergestellte parenterale Zubereitungen eingeführt (DAZ 35).

Darüber hinaus enthält das GSAV zahlreiche weitere Regelungen: Bundes- und Länderbehörden sollen künftig besser zusammenarbeiten. Die Koordinierungsfunktion des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bzw. des Paul-Ehrlich Instituts (PEI) wird gestärkt, ihre Rückrufkompetenzen werden erweitert. Die Überwachungsbefugnis der Landesbehörden von Betrieben und Einrichtungen, die der Arznei­mittelüberwachung unterliegen, wird ebenfalls gestärkt. Herstellerbetriebe – und auch Apotheken – sollen häufiger kontrolliert werden. Die Länder müssen die zuständigen Bundesoberbehörden über geplante Inspektionen bei Herstellern von Arzneimitteln und Wirkstoffen in Drittstaaten informieren. Auch sind Informationen über Wirkstoffhersteller von Fertigarzneimitteln nun öffentlich zu machen. Krankenkassen bekommen einen Regressanspruch bei Produktmängeln, wenn ein Arzneimittelrückruf erfolgt und für Versicherte entfällt die Zu­zahlung, wenn sie in diesen Fällen ein neues Arzneimittel verordnet bekommen. Außerdem werden die Krankenkassen verpflichtet, bei Rabattverträgen die Vielfalt der Anbieter zu berücksichtigen – eine verpflichtende Mehrfachvergabe kommt aber nicht. Im Arzneimittelgesetz werden zudem neue Ordnungswidrigkeitentatbestände für Verstöße gegen Pflichten aus der Delegierten Verordnung zum Arzneimittel-Fälschungsschutz geschaffen (AZ 24, DAZ 24).

Masernschutzgesetz

Im März heizt der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach erneut die Diskussion um eine Masernimpfpflicht an (DAZ 10). Im BMG gibt man sich zunächst noch zurückhaltend: Man wolle erst einmal sehen, ob die 2015 mit dem Präventionsgesetz beschlossenen milderen Maßnahmen zur Verbesserung des Impfschutzes Früchte tragen. Seitdem ist zum Beispiel geregelt, dass bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorzulegen ist – anderenfalls drohen Sanktionen. Dann geht es aber doch recht schnell: Anfang Mai legt Spahn einen Referentenentwurf für ein Masernschutzgesetz vor (DAZ 19), im Juli folgt der Kabinettsentwurf. Vor­gesehen ist eine verpflichtende Masernimpfung für alle, die in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten betreut werden oder in bestimmten Gemeinschafts­unterkünften untergebracht sind. Zudem für alle Personen, die in medizinischen Einrichtungen tätig sind und dort mit Patienten Kontakt haben – Apotheken zählen nicht dazu. Nach­gewiesen werden muss entweder ein ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern. Bei wem eine gesundheitliche Kontraindikation gegen eine Masernschutzimpfung besteht, kann sich dies ärztlich bescheinigen lassen – dann gilt die Impfpflicht nicht. Kinder ohne Impfschutz sollen vom Kitabesuch ausgeschlossen werden. Bei Schulen ist dies wegen der Schulpflicht nicht möglich. Verstöße gegen die Impfpflicht sollen mit Bußgeldern von bis zu 2500 Euro geahndet werden können (AZ 29, DAZ 29). Zudem sollen künftig alle Arztgruppen (außer Zahnärzte) Masernimpfungen verabreichen dürfen und die Aufklärung zu Schutzimpfungen gestärkt werden – für letzteres erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro pro Jahr.

Der Bundesrat äußert zwar Bedenken gegen das Gesetzesvorhaben (DAZ 38, 39). Ein kritischer und viel diskutierter Punkt ist, dass es in Deutschland gar keinen Mono-Impfstoff gegen Masern gibt. Daher bestimmt das Gesetz, dass die Impfpflicht auch gilt, wenn nur Kombiimpfstoffe zur Verfügung stehen. Doch Spahn verteidigt diese Regelung (DAZ 36).

Omnibus für Teile der Apothekenreform

Als das Gesetz im Oktober im Bundestag besprochen wird, bekommt das Masernschutzgesetz überraschend Zuwachs. Für die Apotheker interessant ist vor allem, dass zwei zunächst im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz vorgesehene Vorhaben nun über Änderungsanträge Eingang finden (DAZ 42): Modellprojekte für Grippeimpfungen in der Apotheke und Wiederholungsverordnungen. Vor allem mit den Impf-Projekten in der Apotheke hatte die ABDA im Vorfeld gehadert – man wollte den Ärzten nicht zu nahe treten. Doch der Gesetzgeber lässt sich nicht beirren und hält an der Regelung fest, wonach Kassen künftig mit einzelnen Apothekern, Gruppen von Apothekern oder ihren Landesverbänden – wenn diese sie dazu auffordern – Modellprojekte vereinbaren müssen, in denen Apotheker Erwachsene gegen Grippe impfen. Die Apotheker müssen zuvor ärztlich geschult werden. Die Projekte sind im Regelfall auf längstens fünf Jahre zu befristen und zudem nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards zu begleiten und auszuwerten. Was die neue Regelung zu den Wiederholungsrezepten betrifft, haben die Ärzte weiterhin die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie sie verordnen. Grundsätzlich soll es den Medizinern aber möglich sein, Rezepte auszustellen, die es insbesondere Chronikern, die kontinuierlich mit einem Arzneimittel versorgt werden, erlauben, sich die nötige Medikation bis zu drei Mal wiederholt in der Apotheke abzuholen. Anders als die Ärzteschaft, die beide Regelungen ablehnt, gewöhnt sich die ABDA zunehmend an den Gedanken impfender Apotheker; sie sieht das Vorhaben mittlerweile als Chance und hält die Apotheker für die neue Auf­gabe für gerüstet (AZ 44). In Brandenburg unterzeichnen im November hingegen Landesapothekerkammer und Landesärztekammer eine Resolution, dass sie keine Impfprojekte in ihrem Bundesland haben wollen (AZ 49).

Überdies sattelt Spahn auf das Masernschutzgesetz ein weitergehendes Werbeverbot für Schönheitsoperationen gegenüber Jugendlichen auf – und eine Regelung, dass Kassen künftig für Leistungen zur „vertraulichen Spurensicherung“ bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch, einen sexuellen Übergriff, sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung aufkommen müssen (DAZ 43).

Mitte November beschließt der Bundestag das erweiterte Gesetz (AZ 47), am 20. Dezember steht der letzte Durchgang im Bundesrat an. In­krafttreten soll das Gesetz am 1. März 2020.

Apothekenbetriebsordnung und Arzneimittelpreisverordnung

In trockene Tücher bringt Spahn zudem die eigentlich ebenfalls im Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vorgesehenen Regelungen zu einer höheren Notdienstpauschale, einer besseren Vergütung für die Abgabe dokumentationspflichtiger Arzneimittel sowie zum Botendienst. Diese Änderungen in der Arzneimittelpreisverordnung und der Apothekenbetriebsordnung begründen keine so grundsätzliche neue Regelung, als dass sie in ­einem Gesetz durch den Bundestag beschlossen werden müssten – eine Änderungs­verordnung des BMWi und des BMG reicht. Noch vor der Sommerpause liegt diese als Referentenentwurf vor (DAZ 26), kurz darauf passiert sie das Kabinett. Demnach wird der Zuschlag zum Nacht- und Notdienstfonds von derzeit 16 auf 21 Cent je Rx-Packung angehoben, die Dokumentations­gebühr für BtM- und T-Rezepte steigt von 2,91 Euro auf 4,26 Euro und der Botendienst ist nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt, sondern wird eine reguläre Spielart der Versorgung mit gewissen Regeln für Lieferung und Beratung. Überdies wird festgeschrieben, dass die Temperaturanforderungen für Arzneimittel sowohl beim Versand als auch beim Botendienst einzuhalten sind. Außerdem wird eine Aut-idem-Regelung für PKV-Versicherte, Selbstzahler und Beihilfeempfänger ein­geführt. Der Bundesrat, der der Verordnung zustimmen muss, sorgt zur Erleichterung der Apotheker im September noch für Präzisierungen beim Botendienst: Es ist nun klargestellt, dass der Bote zum Personal der ausliefernden Apotheke gehören muss. Zudem müssen auch rezeptfreie Arzneimittel von pharmazeutischem Personal ausge­liefert werden, wenn zuvor keine Be­ratung stattgefunden hat (ggf. telefonisch). Die neue Regelung zum Botendienst tritt unmittelbar nach der Verkündung im Bundes­gesetzblatt in Kraft, die Regelungen für eine höhere Vergütung werden zum 1. Januar 2020 wirksam (DAZ 43).

Während die Rx-Boni-Frage ungelöst bleibt, können sich die Apotheker über un­strittige Vergütungserhöhungen ab Januar 2020 freuen.

Digitale-Versorgung-Gesetz

Im Mai legt Spahn den DVG-Referentenentwurf vor, mit dem er die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigen will. Es soll nun wirklich vorangehen mit der Telematikinfrastruktur (TI), der „Datenautobahn“, über die die Leistungserbringer sicher Patientendaten austauschen können. Apotheken sollen sich dem ersten Entwurf zufolge bis zum 31. März 2020 an die TI anschließen müssen; zudem ist für sie eine Honorierung für die „Synchronisation der Medikationsdaten des Medikationsplans mit der elektronischen Patientenakte“ vorgesehen (AZ 21). Im Kabinettsentwurf, der im Juli beschlossen wird, wird die Anbindungsfrist auf den 30. September 2020 verschoben – die ABDA hatte um Zeit bis zum 31. Dezember 2020 gebeten. Zudem wird die Idee der Medikationsplan-Vergütung für die Apotheker abgeblasen (DAZ 24, 28, AZ 29). Weitere Regelungen des DVG: Es gibt künftig Gesundheits-Apps auf Rezept und Videosprechstunden werden erleichtert. Krankenkassen müssen ihren Versicherten spätestens ab dem 1. Januar 2021 eine elektronische Patientenakte anbieten. Der Arzt erhält für deren Anlage und Verwaltung eine Vergütung. Dafür droht Praxisinhabern, die bis März 2020 noch immer nicht an die TI angeschlossen sind, eine Honorarkürzung von 2,5 Prozent – bislang kostet sie der Verzug 1 Prozent ihres Honorars. Zudem bereitet das DVG den Weg für das E-Rezept für Heil- und Hilfsmittel sowie die häusliche Krankenpflege. Bestimmt wird weiterhin, dass Gesundheitsdaten pseudonymisiert zu Forschungszwecken an den GKV-Spitzenverband übermittelt werden. Und: Der Innovationsfonds wird um fünf Jahre verlängert und mit weiteren 200 Mio. Euro jährlich aus­gestattet. Im November beschließt der Bundestag das Gesetz, kurz darauf gibt der Bundesrat grünes Licht (DAZ 49). Das Gesetz wird nach seiner Verkündung bzw. in weiten Teilen zum Jahreswechsel in Kraft treten.

PTA-Reformgesetz

Spahn nimmt 2019 auch die Reform des PTA-Berufs in Angriff. Die gesetzlichen Regelungen, auf die Beruf und Ausbildung gründen, sind in die Jahre gekommen. Sie sollen modernisiert und den geänderten Bedingungen der Apothekenpraxis angepasst werden – um den Beruf attraktiver zu machen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im April legt Spahn einen ersten Referentenentwurf vor. Es hagelt Kritik von allen Seiten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So missfällt es der Apothekengewerkschaft Adexa und dem Bundesverband PTA (BVpta), dass die Ausbildungsdauer bei 2,5 Jahren bleiben soll – sie selbst fordern, die Schulzeit von derzeit zwei Jahren auf zweieinhalb Jahre auszudehnen. Die ABDA wiederum findet es gut, dass die Ausbildungsdauer nicht angetastet werden soll, hat aber sonst einiges zu bemängeln. Etwa, dass PTA unter bestimmten Voraussetzungen künftig pharmazeutische Tätigkeiten ohne Aufsicht ausüben dürfen sollen (DAZ 17, AZ 21). Erst Ende August beschließt das Kabinett den Gesetzentwurf, der zwar formal stark nachgebessert ist, aber die beiden Hauptstreitpunkte Ausbildungsdauer und Kompetenzerweiterung unverändert lässt. So ist jetzt ein gänzlich neues PTA-Berufsgesetz vorgesehen, das das bisherige Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten ersetzt (DAZ 36). Darin werden das Berufsbild und weitere Begrifflichkeiten moderner formuliert. Als der PTA-Beruf 1968 erstmals gesetzlich geregelt wurde, stand die Unterstützung des Apothekers bei der Arbeit im Labor und bei der Rezeptur im Vordergrund. Heute ist es wesentliche Aufgabe der PTA, Arzneimittel und Medizinprodukte abzugeben und Patienten zu beraten. Darauf soll die Ausbildung künftig abzielen – auch unter Nutzung digitaler Technologien. Zugleich soll jedoch die Vermittlung einer fundierten pharmazeutisch-technologischen Kompetenz gewährleistet bleiben. Vorgesehen ist auch, dass PTA während ihrer prak­tischen Ausbildung eine Vergütung erhalten, die im Ausbildungsvertrag ausdrücklich festgelegt wird.

Die PTA-Reform sorgt für hitzige Diskussionen: Kann eine längere Ausbildungsdauer die Attraktivität des Berufs erhöhen? Wie viel mehr Kompetenz darf es sein?

Doch die Pläne sind weiterhin heftigem Gegenwind ausgesetzt. Nicht nur seitens der ABDA, der Adexa, des BVpta und der PTA-Lehrer – vertreten durch eine Arbeitsgruppe in der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft –, sondern insbesondere auch seitens der Länder. Da das Gesetzesvorhaben im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, ist diese Kritik ernst zu nehmen. Die Länder fordern eine dreijährige und zudem verzahnte Ausbildung mit wechselnden praktischen und schulischen Abschnitten. Zudem eine Ausbildungsvergütung von Anfang an und eine Kompetenz­erweiterung, die dank der besseren Ausbildung für alle PTA gelten soll. Der Regierungsentwurf sieht dem­gegenüber vor, dass nur für PTA, die mindestens eine „gute“ Abschlussnote und drei Jahre Berufserfahrung haben sowie sich regelmäßig fortbilden, die Aufsichtspflicht gelockert werden soll. Überdies vermissen die Länder eine Regelung zur Schulgeldfreiheit und wollen das Inkrafttreten der Reform um zwei Jahre, auf Anfang 2023, verschieben, damit ausreichend Vorbereitungszeit bleibt (DAZ 41, AZ 42). Die Bundesregierung kommt den Forderungen der Länder nur sehr bedingt entgegen (AZ 43). In der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags wird erneut offenbar, dass die Auffassungen, wie das Reformvorhaben richtig anzugehen ist, höchst unterschiedlich sind. Kritiker der längeren Ausbildung sprechen von Organisationsproblemen der Schulen und meinen, dass der Beruf so nicht attraktiver wird. Aber: Wo kann angesichts neuer Ausbildungsinhalte sinnvoll gekürzt werden? (DAZ 43, 44)

Wo ist die Zauberformel, um das Problem der Arzneimittel-Lieferengpässe zu lösen?

Auch die SPD-Fraktion meldet Nachbesserungsbedarf an (DAZ 45) – die Regierungsfraktionen sind zum Kompromiss verdammt. Im November einigen sie sich auf Änderungsanträge. Unter anderem gibt es eine Präzisierung im Sinne der ABDA: Wo zuvor stand, dass PTA bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten „in eigener Verantwortung“ ausüben dürfen, soll es nun „ohne Beaufsichtigung“ heißen. Zudem soll die praktische Ausbildung nun ausdrücklich auch in Krankenhausapotheken stattfinden können. Beim Thema Ausbildungsdauer bleibt es bei den 2,5 Jahren – die SPD konnte lediglich durchsetzen, dass die Änderungen an der Ausbildung nach acht Jahren evaluiert werden (DAZ 45). In Kraft treten soll die Reform aber erst 2023. Mitte November beschließt der Bundestag das PTA-Reformgesetz mitsamt den Änderungsanträgen (AZ 47). Nächste Station ist erneut der Bundesrat. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats empfiehlt dem Plenum den Vermittlungsausschuss anrufen – am 20. Dezember soll die Länderkammer über diese Empfehlung entscheiden (DAZ 50).

Lieferengpässe

Das Thema Lieferengpässe wird im Laufe des Jahres immer breiter diskutiert. Über den Sommer finden sich in der regionalen Publikumspresse nahezu täglich Meldungen über die Probleme von Apotheken und Patienten, weil viele Arzneimittel nicht verfügbar sind. Nachdem mit dem GSAV nur ein eher halbherziger Anlauf unternommen wurde, bei Rabattverträgen die Liefersicherheit zu erhöhen, kann die Politik das Thema nicht ignorieren. Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich kündigt im September an, dass nun Maßnahmen auf den Weg ­gebracht werden sollen (AZ 36). Kurz darauf kursiert ein erstes Papier der Unionsfraktion zu Lieferengpässen. Gefordert werden mehr Transparenz, verbindliche Meldepflichten, eine Ausweitung der Vorhaltepflicht für Kliniken, Großhandel und Apotheken, ein Export-Verbot als ultima ratio und die Streichung der exklusiven Rabattverträge. Geprüft werden soll auch, ob Rabattverträge künftig regional und kassenübergreifend ausgeschrieben werden könnten. Zudem soll die Bundesregierung die pharmazeutische Produktion in der EU zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 machen (DAZ 40). Die SPD-Bundestagsfraktion legt im November ebenfalls ein Positionspapier vor. Auch die Sozialdemokraten sehen die Rabattverträge als einen Ansatzpunkt für Maßnahmen: Exklusiv-Rabattverträge soll es nicht mehr geben, dafür höhere Vertragsstrafen bei Nicht-Einhaltung der Lieferfähigkeit und einen Qualitätszuschlag, wenn höhere Sicherheits- und Produktionsstandards eingehalten werden. Darüber hinaus plädiert auch die SPD für Meldepflichten und Exportverbote im Fall eines Engpasses (AZ 46). Forderungen stellen auch Verbände, Kassen und Fachgesellschaften auf – darunter die ABDA. Einigkeit gibt es vor allem in einem Punkt: Mehr Transparenz muss her (AZ 49). Für die Kassen – ­allen voran für die AOKen – ist allerdings eine ebenfalls häufig geäußerte Forderung Gift: Die Rabattverträge dürfen aus ihrer Sicht nicht angetastet werden, sie seien keinesfalls schuld an den Engpässen (DAZ 48, 50). Im November wird es dann politisch konkreter: Aus dem BMG kommt eine Formulierungshilfe zu einem Änderungsantrag zum Faire-Kassenwett­bewerb-Gesetz (GKV-FKG), der verschiedene Regelungen zum Umgang mit Defekten vorsieht (AZ 47).

Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz

Das GKV-FKG ist bereits in Planung – gestartet hatte es im März als Refe­rentenentwurf für ein „Faire-Kassenwahl-Gesetz“: Mit ihm soll der Finanzausgleich zwischen den Kranken­kassen (RSA) reformiert werden. Zunächst ist vorgesehen, dass sich alle Kassen – auch die AOKen – bundesweit öffnen. Das sorgt für massiven Aufruhr im AOK-Lager (DAZ 23). Mit Erfolg: Spahn gibt die Öffnungspläne auf, fortan heißt sein Vorhaben „Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz“. Bedeutung für die Apotheken bekommt es, als auch dieses Gesetz zum Omnibus wird und um die Änderungsanträge zu Lieferengpässen ergänzt wird. Zum Jahresende wird an diesen allerdings noch gefeilt (AZ 49). Ende November sind folgende Regelungen vorgesehen: Die zuständigen Bundesoberbehörden (BfArM und PEI) sollen neue Kompetenzen bekommen und den Herstellern nach deren Antrag den Vertrieb des Arzneimittels aus dem Ausland befristet gestatten können, wenn ein „versorgungsrelevanter“ Engpass droht oder besteht. Dies gilt allerdings nur bei Arzneimitteln, die von Ärzten direkt am Patienten angewendet werden. Zudem soll der 2016 etablierte Jour Fixe zu Lieferengpässen im BfArM rechtlich verankert werden. Er soll neue Mitglieder bekommen (u. a. den GKV-Spitzenverband) und die Aufgabe haben, die Versorgungslage mit Arzneimitteln zu beobachten und zu bewerten. Das BfArM soll nach Anhörung des Beirats bei drohenden oder bestehenden Engpässen anordnen können, dass Pharmaunternehmen und Großhändler Maßnahmen „zur Gewährleistung der angemessenen und kontinuierlichen Bereitstellung von Arzneimitteln“ ergreifen – auch solche zur Lagerhaltung und Kontingentierung“. Apotheken soll bei Nichtlieferfähigkeit eines Rabattarzneimittels „nach Ablauf von 24 Stunden“ ermöglicht werden, ein anderes, wirkstoffgleiches, nicht rabattiertes und lieferbares Präparat abzugeben. Dieses darf allerdings den Preis des verordneten Arzneimittels nicht überschreiten. Für Großhändler und Hersteller soll es künftig zudem die Pflicht geben, Daten zu den verfüg­baren Beständen und der Absatzmenge von Arzneimitteln an das BfArM zu melden. Überdies sollen die zustän­digen Behörden eine Liste mit allen versorgungsrelevanten und -kritischen Wirkstoffen im Internet veröffentlichen. Anders als es die Regierungsfraktionen fordern, ist keine verpflichtende Mehrfachvergabe von Rabattverträgen vorgesehen. Geprüft hat das BMG dieses Anliegen zwar – doch es ist überzeugt: Dies „kann Lieferengpässe nicht verhindern“. Unter anderem argumentiert das BMG, die Streichung der Exklusivverträge würde „den Wettbewerb schwächen, voraussichtlich zu höheren Preisen führen und damit das Einsparpotenzial der Rabattverträge grundsätzlich infrage stellen“. 2020 wird zeigen, ob damit in puncto Rabattverträge das letzte Wort ge­sprochen ist – und ob die neuen Maßnahmen tatsächlich helfen, die alltäglichen Probleme in der Apotheke zu lindern.

Schwangerschaftsabbruch und Verhütung

Nicht jedes Gesetz gerät so ausladend wie das TSVG oder das GSAV. Zwischendurch schiebt Spahn auch überschaubare Vorhaben ein: Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ reagiert Spahn auf die strafrechtliche Verurteilung einer Frauenärztin, die auf ihrer Webseite über Schwangerschaftsabbrüche informiert hat: Das bestehende Werbeverbot (§ 219a StGB) wird gelockert; Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen sollen straffrei darauf hinweisen können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitergehende Informationen müssen sie aber auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Im selben Gesetz wird geregelt, dass verschreibungspflichtige Kontrazeptiva nun bis zum vollendeten 22. Lebensjahr von der GKV erstattet werden – zuvor war dies nur bis zum Alter von 20 Jahren der Fall. Nach wie vor fällt für Versicherte ab dem 18. Geburtstag die gesetzliche Zuzahlung zu ihrem Kontrazeptivum an. Auch Mehrkosten sind selbst zu tragen. Das Gesetz tritt Ende März 2019 in Kraft. (DAZ 15)

AMVV I: Levocetirizin und Retionide

Am 1. April tritt die 17. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) in Kraft. Damit dürfen Levocetirizin-haltige Präparate in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 5 mg je abgeteilter Form zur Anwendung bei Erwachsenen und Kindern ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr nun auch ohne Rezept abgegeben werden. Zudem werden Diclofenac-Pflaster zum äußeren Gebrauch ohne weiteren Zusatz arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Wirkstoffmenge bis zu 140 mg je abgeteilter Arzneiform rezeptfrei. Aus der Verschreibungspflicht entlassen werden weiterhin Wirkstoffkombinationen aus Hydrocortisonacetat, in einer Konzentration von 0,2%, und Natriumbituminosulfonat (hell) in Packungsgrößen bis zu 20 g (z. B. Ichthocortin®). Und zwar zur kurzzeitigen Anwendung zur Linderung nicht infizierter, leicht ausgeprägter entzündlicher, allergischer oder juckender Hauterkrankungen. Bei oral anzuwendenden Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin darf die Höchstmenge je Verschreibung jetzt nicht mehr den Bedarf für 30 Tage übersteigen, wenn sie Frauen im gebärfähigen Alter verordnet werden. Außerdem sind derartige Verschreibungen nur bis zu sechs Tage nach dem Tag ihrer Ausstellung gültig. ­Hintergrund ist hier ein europäisches Risikobewertungsverfahren zu Retinoiden (DAZ 15).

AMVV II: Dosis auf Rezept

Mit der 18. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungs­verordnung wird die verpflichtende Angabe der Dosierung auf dem Rezept auf den Weg gebracht – ab 1. November 2020 muss der Verordner diese vermerken – das hatte die Apothekerschaft schon lange gefordert. Aus­genommen sind Verordnungen, bei denen dem Patienten ein Medikationsplan, der das verschriebene Arzneimittel umfasst beziehungsweise eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung vom Arzt vorliegt und dies auf dem Rezept kenntlich gemacht ist oder das Arzneimittel an den Verschreibenden selbst abgegeben wird (AZ 24). Der Bundesrat sorgt zudem für Heilungsmöglichkeiten (DAZ 39): Fehlt die Angabe zur Dosierung kann der Apotheker, wenn ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit der verordnenden Person nicht möglich ist, die Verschreibung insoweit ergänzen. Gleiches gilt für Fälle, wenn dem Apotheker die Dosierungsangaben zweifelsfrei bekannt sind; z. B. wenn der Patient einen aktuellen Medikationsplan oder eine Dosierungsanweisung vorlegt. Ferner regelt die AMVV bereits ab 1. November 2019, dass bei Arzneimitteln, die in der Apotheke herzustellen sind, keine Gebrauchsanweisung nötig ist, wenn das Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird. Weiterhin werden Indoxacarb, Permethrin sowie die Zubereitung aus beiden Stoffen für die Anwendung bei Hunden von der Verschreibungspflicht ausgenommen. 14 Wirkstoffe, wie z. B. Brigatinib (Alunbrig®), Desfesoterodin (Tovedeso®) und Streptozocin (Zanosar®) inklusive Derivate, werden der Verschreibungspflicht unterstellt. (DAZ 45).

Betäubungsmittel-Kostenverordnung

Die Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Kostenverordnung tritt zum 6. September in Kraft. Mit ihr kommen neue Gebührensätze, die das BfArM für „individuell zurechenbare öffentliche Leistungen auf dem Gebiet des legalen Betäubungsmittelverkehrs“ erhält – auch für Apotheken. Zwar brauchen Apotheken, die (legale) Betäubungsmittel herstellen, erwerben und abgeben, hierfür keine besondere Erlaubnis im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Doch es besteht eine Anzeigepflicht (§ 4 Abs. 3 BtMG) gegenüber dem BfArM bzw. der dort angesiedelten Bundesopiumstelle. Und zwar bei einer Neugründung, einem Betreiberwechsel, Änderungen der Rechtsform, des Namens oder der Anschrift (der Apotheke oder des Apothekenbetreibers), bei einer Umwandlung von Haupt- in Filialapotheke oder umgekehrt sowie bei einer Apotheken­schließung beziehungsweise einem Verzicht, am Betäubungsmittelverkehr teilzunehmen. Das Gebührenverzeichnis der BtM-Kostenverordnung sieht zwei Punkte vor, die diese Leistungen betreffen: Die Anzeige einer Neugründung, eines Betreiberwechsels oder einer Rechtsformänderung einer Apotheke oder eines Apothekenverbundes kostet nun 250 statt 70 Euro. Für die Anzeige einer Änderung des Namens oder der Anschrift einer Apotheke oder eines Apothe­kenbetreibers werden statt bislang 35 Euro nun 110 Euro fällig (AZ 38, DAZ 38).

Dies sind noch keine 21 Gesetze und 15 Verordnungen. Doch Spahn hat seine Aktivitäten auf alle Beteiligten im Gesundheitswesen verteilt – und so gibt es auch zahlreiche Vorhaben, die Apotheken nicht berühren. Dazu zählen beispielsweise das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenaus­bildung, das Hebammenreformgesetz, das MDK-Reformgesetz oder das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz. Hält die Große Koalition, so wird auch Jens Spahn bis zur nächsten Bundestagswahl dafür sorgen, dass es in der Gesundheitspolitik niemals langweilig wird. Für Januar hat er bereits die Vorlage eines weiteren Digitalisierungsgesetzes – DVG II – angekündigt. |

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