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„Machtdemonstration statt Sachentscheidung“
Spahns BfArM-DIMDI-Fusion aus Sicht eines ehemaligen Präsidenten und Direktors
Vorausschicken möchte ich, dass meine Zeit im DIMDI zu meinen schönsten beruflichen Erinnerungen zählt. Ganz anders als im BfArM, wo die ersten Jahre bis zum Amtsantritt von Ulla Schmidt (SPD) und ihrer Entourage zwar auch aufregend-spannend waren, besonders wegen des zu lösenden Problems der Nachzulassung. Aber die Tatsache, dass ich aus dem Amt gedrängt wurde, hinterlässt bei mir doch einen – bis heute – bitteren Nachgeschmack.
Was war das Besondere am DIMDI? Ein hoch kompetenter, internationaler Mitarbeiterstab, die Chance unter dem Radar des Bundesgesundheitsministeriums das DIMDI auf einen neuen Weg zu führen und ihm neue Aufgaben im Bereich der Gesundheitswissenschaften zu geben. Das DIMDI wurde 1969 auf Initiative der deutschen Ärzteschaft gegründet, um die Wissensflut in der Medizin durch Bereitstellung von Datenbanken für die Ärzte leichter zugänglich zu machen. Dazu wurde eine beeindruckende IT-Infrastruktur geschaffen, mit der das DIMDI lange Vorreiter als Datenbankanbieter für die Medizin und als Entwickler von Recherche-Anwendungen war.
Zusätzlich wurde durch geschickte Verträge, z. B. mit der „National Libra-ry of Medicine“ (NLM) der USA, deren Datenschatz verfügbar gemacht. So stellte das Institut Informationsquellen für den Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums (schon früh das Arzneimittelinformationssystem AMIS mitentwickelnd) und die medizinische Fachöffentlichkeit bereit, erschloss die Inhalte deutscher medizinischer Fachzeitschriften mithilfe von Schlagworten (Indexierung) und führte Auftragsrecherchen durch. Viele medizinische Doktorarbeiten jener Zeit „inkorporierten“ DIMDI-Recherchen. Mit seinen Softwareentwicklungen gehörte es zu den Pionieren der Datenbankbranche in Deutschland. Bis heute bin ich stolz darauf, dass das vom DIMDI genutzte „Sandbox“-System, zumindest nach meinem Wissen und in meiner Amtszeit, niemals von Hackern überwunden wurde. Für das US-Pentagon gilt dies beispielsweise nicht.
Aber das Internet störte die Weiterentwicklung des DIMDI. Im Internet waren jegliche Informationen von Anfang an kostenlos. Das DIMDI stellte Gebühren in Rechnung. Das lief nicht mehr zusammen. „Qualitätsrecherchen“ nutzten nur noch Pharmakonzerne bei patentrelevanten Problemen, Recherchen für Dissertationen blieben dagegen häufig bei „quick and dirty“. Somit gab es schon damals eine erste Diskussion über die Zukunft des DIMDI.
Mit meinem Amtsantritt ergab sich die Chance, das DIMDI tiefer in gesetzliche Aufgaben einzubinden und ihm so eine Zukunft zu geben: Aufbau und Betrieb von Informationssystemen für Arzneimittel, Medizinprodukte und Versorgungsdaten, die Arbeit an Klassifikationen, Terminologien, Nomenklaturen und Thesauri sowie von verschiedenen Registern für das Gesundheitswesen. Ich erinnere noch, wie ich – damals noch im Arzneimittelinstitut (AMI) des Bundesgesundheitsamts (BGA) im Auftrag des BMG – den ersten Entwurf für eine Verankerung des DIMDI im MPG schrieb, der später Ausgangspunkt für viele weitere gesetzliche Aufgaben wurde. Auch die europäische Medizinproduktedatenbank EUDAMED (European Databank on Medi-cal Devices) und die Gründung der Health Technology Agentur Datenbank HDATA waren ein Teil des neues Weges.
Mit diesen Themen entwickelte sich das Institut zum Experten für medizinische Informations- und Begriffssysteme an der Schnittstelle von Medizin und Informationstechnologie und mit enger internationaler Vernetzung mit Einrichtungen wie z. B. der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der europäischen Arzneimittelbehörde EMA und anderen. Ein Höhepunkt unserer Arbeit war auch ab 1995 die schrittweise Öffnung von AMIS für die Öffentlichkeit. Im Gegenzug wurde dann die Datenbank MEDLINE im Internet kostenfrei und dem Ministerium allmählich klar, dass eine Selbstfinanzierung des DIMDI über Entgelte und Gebühren damit unmöglich geworden war.
Bei meinem Wechsel ins BfArM – ich gestehe es ein – habe ich damals mit einer Eingliederung des DIMDI in das BfArM „geliebäugelt“. Zu eng – und auch zu „reibungsvoll“ war die Verbindung über AMIS und andere Informationssysteme. Wäre nicht Ulla Schmidt Ministerin geworden, sondern Andrea Fischer (Grüne) Ministerin geblieben, möglicherweise wäre eine Vereinigung schon damals erfolgt.
Warum dann jetzt die „Eingliederung“ in das BfArM? Es ist eine rein politische (Fehl-)Entscheidung von Gesundheitsminister Jens Spahn, die er – für ihn wohl typisch – ohne Rücksicht auf gravierende Bedenken Dritter durchsetzt. Warum sage ich das, wo ich doch Anfang der 2000er-Jahre selbst dafür gewesen war? Deshalb: „Jens Spahn demonstriert seine Macht“ titelt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ 2019, und weiter heißt es im Artikel: „Spahn bleibt Bundesgesundheitsminister und wird nicht, wie spekuliert, die Nachfolge von Ursula von der Leyen als Bundesverteidigungsminister antreten. […] Als hätte er keine Zeit mehr zu verlieren, fusioniert Spahn auf die Schnelle auch noch zwei seiner Behörden.“ Vermutlich, weil er den Ressortwechsel als Niederlage empfunden hätte, holt der CDU-Mann zu einem gesundheitspolitischen Rundumschlag aus. Also: Machtdemonstration statt Sachentscheidung. Ich bin schon in größter Sorge was er macht, wenn er nicht Kanzlerkandidat wird. Legt er dann das Paul-Ehrlich-Institut und das BfArM zusammen?
Die Chance auf eine BfArM-DIMDI- Vereinigung, die in den 2000er-Jahren bestanden hätte, wurde vertan. Beide Institutionen haben sich seitdem weiterentwickelt und heute passt es meines Erachtens nicht mehr. Als Begründung verspricht sich das BMG mehr Synergien mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen, etwa durch eine gemeinsame Zentralverwaltung und optimierte Forschungsmöglichkeiten.
Welch‘ hanebüchener Blödsinn! Faktisch geht das kleine DIMDI im mehr als doppelt so großen BfArM auf. Und die Aussage zu „optimierten Forschungsmöglichkeiten“: Das DIMDI hat zwar exzellente IT-Systeme entwickelt, aber eine Synergie mit Forschungen des BfArM zu Arzneimittelproblemen jeglicher Art halte ich für „an den Haaren herbeigezogen“.
Die Anordnung selbst kam für die gesamte DIMDI-Belegschaft überraschend, da sie – wieder Spahn-typisch – in keine Konsultation, die der Entscheidung Spahns vorangegangen wäre, einbezogen worden war. Auch ist der „junge“ Spahn offensichtlich nicht über die Geschichte des BGA und dessen „Zerschlagung“ durch einen seiner Amtsvorgänger – Horst Seehofer – 1993 informiert. Im Zentrum der Kritik: das Bundesinstitut für Arzneimittel, die Vorgängerbehörde des BfArM. Seehofers Vorwurf: Ihm seien Daten zu 373 Infektionen von Hämophilie-Patienten, davon zehn Fälle nach 1985, verschwiegen worden. Dieser Skandal war aber nur der äußere Anlass für Seehofer, die Berliner Behörde – mit rund 3000 Mitarbeitern um ein Vielfaches größer als sein Bonner Ministerium – aufzulösen. Eine der Lehren: Das alte BGA war eine so heterogene „Schöpfung“, dass nichts mehr „rund“ lief und es inhaltlich nicht mehr führbar war. Kleinere Organisationseinheiten – wie Seehofer sie schuf – sind wesentlich effizienter, wenn sie einheitliche Aufgaben erfüllen. Hoffentlich will Spahn nicht eine neue „Super-Behörde“ durch die Hintertür aufbauen, um sich ein Denkmal zu setzen – die BfArM-DIMDI-Zusammenlegung ist nur der erste Schritt! |
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