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Substitution

Ähnlich, aber nicht gleich

Generikafähigkeit von parenteral anwendbaren Fe(III)-Kohlenhydratkomplexen hat Grenzen

Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexe zur intravenösen Anwendung werden immer häu­figer eingesetzt. Inzwischen gibt es sechs Anbieter entsprechender Präparate, doch eine unkritische Substitution verbietet sich. | Von Hans-Peter Lipp

Bei den Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexen zur intravenösen Gabe handelt es sich um eine Substanzklasse, die in der klinischen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnt. Diese Entwicklung lässt sich dadurch erklären,

  • dass man in den letzten Jahren immer besser verstanden hat, dass die möglichst rasche Behebung eines Eisenmangels enorme klinische und pharmakoökonomische Vorteile bietet,
  • dass die zielführende Messung der Transferrin-Sättigung (TSAT %) als Indikator und Verlaufskontrolle immer häufiger eingesetzt wird,
  • dass orale Eisen-Präparate aufgrund ihrer sehr geringen absoluten Bioverfügbarkeit und relativ hohen gastrointestinalen Unverträglichkeit oft als ungeeignete Behandlungsalternative einzustufen sind und
  • dass die Vertreter der dritten Generation, zu denen Eisen(III)-Carboxymaltose und Eisen(III)-Derisomaltose zählen, mittlerweile ein vereinfachtes ambulantes Management erlauben, da sie in der Regel eine Dosis von 1000 mg als Kurzinfusion in 15 bis 60 min ermöglichen (Tab. 1) [21, 22].
Tab. 1: Physikochemische und klinische Charakteristika der international verfügbaren Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexe (die eingeklammerten Präparate sind in Deutschland [Stand 01/2020] nicht handelsüblich verfügbar) (mod. nach [2, 5, 11, 12])
Eisen(III)-Carboxymaltose
Eisen(III)-Derisomaltose
Ferumoxytol
Eisen(III)-Sucrose
Eisen(III)-Dextran
Eisen(III)-gluconat
Handelsname
Ferinject®
(Injectafer®)
Monofer®
(Diafer®)
(Feraheme®)
(Rienso®)
Venofer®
Fermed® (ISS)
Cosmofer®
(INFeD®)
Ferrlecit®
verfügbare Ampullengröße
100 mg, 500 mg, 1000 mg
100 mg, 500 mg, 1000 mg
100 mg
100 mg
40 mg, 62,5 mg
max. Einzeldosis i. v.
1000 mg
20 mg/kg
510 mg
200 mg
20 mg/kg
62,5 (– 125) mg
Infusionsdauer
15 min
> 15 (– 30) min
15 min
30 min
60 min – 6 h
10 – 60 min
Molekulargewicht [kDa9
150
69
185
43,3
103
37,5
relative Komplexstabilität
hoch
hoch
hoch
mittel
hoch
niedrig
dialysierbares Eisen [%]
< 0,002
< 0,002
< 0,002
0,057
0,10
0,789
Dextran-Gehalt bzw. dextranbasiert
nein
nein*
ja
nein
ja
nein
Plasma-HWZ [h]
7 – 12
20
ca. 15
6
5 – 20
ca. 1

* In der Fachinformation von Monofer® wird auf Daten zur Präklinik mit Eisen-Dextran Bezug genommen, Dextrane sind allerdings als sonstige Bestandteile nicht auf­geführt. Der Nachweis einer Antidextran-Reaktivität mittels Immunodiffusions-Assay wurde unter Experten in der Vergangenheit kontrovers diskutiert [17].

Damit ist zwischenzeitlich ein grundlegender Paradigmenwechsel vollzogen worden, wenn man bedenkt, dass noch vor einigen Jahren die Meinung vertreten wurde, dass die parenterale Gabe von „Fe(III)-Salzen“ selten indiziert sei, und dass Risiken und Gefahren meist ihren Nutzen über­wiegen würden!

Non-Biological-Complex-Drugs (NBCD)

In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Diskussion um die Non-Biological-Complex-Drugs (NBCD) deutlich an Fahrt aufgenommen. Im Fokus stehen dabei vor allem parenteral applizierbare Präparate wie

  • liposomal eingebettetes Amphotericin B, Doxorubicin oder Bupivacain,
  • die Glatirameroide,
  • aber auch die verschiedenen Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexe (Tab. 2) [20], unabhängig davon, ob es sich um Erstanbieter (Tab. 1) oder Zweitanbieterprodukte (Fermed®) handelt.
Tab. 2: Übersicht zu parenteral anzuwendenden Non-Biological-Complex-Drugs (NBCD) (mod. nach [20])
  • Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexe
  • Gadolinium-Oxid-Nanopartikel
  • Glatiramer
  • liposomales Amphotericin B
  • liposomales Cytarabin
  • nab-Paclitaxel
  • pegyliertes liposomales Doxorubicin
  • pegyliertes liposomales Irinotecan

Sie stellen in den meisten Fällen nanotechnologisch basierte Formulierungen dar, deren Herstellung sehr anspruchsvoll ist und nicht mit konventionellen Darreichungsformen gleichgesetzt werden darf. Dieser Umstand erklärt, weshalb bis heute in Europa für z. B. die liposomale Formulierung des Amphotericin B (Ambisome) oder die pegylierte liposomale Formulierung des Doxorubicin (Caelyx) keine entsprechenden Präparate von Zweitanbietern zur Verfügung stehen, obwohl für beide umsatzstarken Präparate schon seit Längerem kein Patentschutz mehr besteht. Dabei ist es nicht nur der komplexe Herstellungsprozess an sich, der zur Abgrenzung der NBCD gegenüber „klassischen“ Generika führt, sondern auch die höhere Chargenvariabilität (z. B. Fe(III)Kohlenhydrat-Komplexe) und die deutlich aufwendigere pharmazeutisch-chemische Analytik der Produkte. Dass bis heute Zweitanbieter von Fe(III)-Kohlenhydratkomplexen (z. B. Fe(III)-Sucrose) bisher keine weitergehenden klinischen Studien wie bei den Biosimilars für die Zulassung vorlegen müssen (Hybrid-Antrag) und die Zulassungen in der Regel auf nationaler Ebene erfolgen, wird dem hohen Anspruch der NBCD – allen voran den i. v. Eisen(III)-Komplexen – aus regulatorischer Sicht nicht ganz gerecht [6, 14].

In diesem Zusammenhang wird von den Protagonisten der NBCD das Prinzip „the product is the process“ immer wieder hervorgehoben und damit eine Abgrenzung gegenüber „klassischen“ chemischen Wirkstoffen gefordert. Wirkstoffe wie Zink(II)-aspartat oder Hydroxycobalamin stellen zwar auch Chelatkomplexe bzw. höhermolekulare komplexe Strukturen dar, sind in ihrer analytischen Bestimmung im Plasma jedoch deutlich einfacher zu handhaben als Fe(III)-Kohlenhydratkomplexe.

In den folgenden Abschnitten sollen deshalb einige Aspekte näher erläutert werden, die verständlicher werden lassen, dass es sich insbesondere bei den Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexen nicht um generikafähige Produkte, sondern um eine besondere NBCD-relevante Substanzklasse handelt.

Komplexe – pharmazeutisch-chemisch betrachtet

Zunächst handelt es sich bei Komplexen um chemische Verbindungen, bei denen ein Zentralteilchen von einem oder mehreren Liganden umgeben ist. Im Gegensatz zu klassischen Komplexen handelt es sich bei Fe(III)-Kohlen­hydratkomplexen zur parenteralen Gabe um kolloidale Lösungen, die der Kategorie der Nanomedizin zugeordnet werden [8], sodass deren pharmakologische Eigenschaften nicht nur durch ihre chemische Zusammensetzung, sondern auch durch die physikalische Struktur (z. B. Größe, Morphologie und Oberflächenbeschaffenheit) der Nano­partikel definiert wird.

Als vor etwa 20 Jahren mit der Richtlinie 2001/83/EG (Art. 10) – unter Bezug auf § 24b Abs. 2 AMG – die Definition von „Wirkstoffen“ im Rahmen von Generika-Zulassungen klargestellt werden sollte, wurde festgeschrieben, dass ein und derselbe Wirkstoff vorliegt, wenn verschiedene Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate verwendet werden, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkennt­nissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit. Es darf unterstellt werden, dass damit nicht bereits die weiterentwickelten Fe(III)-Kohlenhydratkomplexe zur parenteralen Gabe berücksichtigt worden waren!

Wie wichtig die physikalisch-chemische Stabilität von intravenös applizierbaren Metall-Chelat-Komplexen sein kann und wie unterschiedlich dies innerhalb einer Substanz­klasse klinisch einzuordnen ist, wurde eindrucksvoll mit den verschiedenen Gadolinium(Gd)-haltigen Komplexen in der Radiologie gezeigt. Erst viele Jahre nach Zulassung des ersten Vertreters Gadopentetat-Dimeglumin (Magnevist® a. H.) hatte man leidvoll erfahren müssen, dass die Stabilität eines solchen Komplexes für die Langzeitverträglichkeit eines Arzneistoffs sehr wichtig ist. Darauf aufbauende Entwicklungen wie Gadoteridol (ProHance®) weisen nicht nur einen stabileren Gd-Komplex auf, sondern setzen darüber hinaus als weiteren Bestandteil noch Calteridol-Calcium ein, um eventuell freigesetzte Gd-Ionen schnell chelatisieren zu können. Hierdurch soll gegenüber den Vertretern der ersten Generation eine Gd-Ablagerung in den Nieren – mit dem Risiko der nephrogenen systemischen Fibrose – und im Gehirn bestmöglich verhindert werden.

Im Umkehrschluss käme heute niemand auf die Idee, die Richtlinie 2001/83/EG (Art. 10) auf die genannten Gd-Komplexe anzuwenden, nur weil sie das gleiche Zentralatom aufweisen, die Wirkstoffe als Komplexe vorliegen und häufig in der gleichen Konzentration von 0,5 mmol Gd/ml erhältlich sind [18].

Ähnlich wie bei den Gd-Komplexen gilt auch für die Verträglichkeit der parenteralen Fe(III)-Kohlenhydrat-Komplexe, dass sie umso besser ist, je fester die Fe(III)-Ionen in ihrem Kohlenhydratkomplex eingebettet sind [2]. Im Umkehrschluss kann der historische Werbeslogan des Präparats Ferrophor (a. H.) aus dem Jahr 1978 heute nicht mehr überzeugen, als man damals behauptete, der „lockere Fe(III)-Kohlenhydratkomplex“ wäre der Grund für die gute Verträglichkeit, da inzwischen unbestritten ist, dass freie Fe(III)-Ionen akut toxisch auf Membranen wirken[2, 5].

Eisen(III)-Sucrose-Similars (ISS)

Das dezentrale Zulassungsverfahren für Zweitanbieter von z. B. Fe(III)-Sucrose (syn.: Fe(III)-Saccharose) zur i.v. Gabe sieht vor, dass neben der Bezugnahme auf Unterlagen eines Referenzarzneimittels es unter bestimmten Bedingungen zusätzlich erforderlich ist, bestimmte Ergebnisse aus eigenen präklinischen oder klinischen Studien vorzulegen (Hybrid-Antrag). Allerdings erlaubt ein Eisen(III)-Kohlen­hydratkomplex keine vergleichbare Bioäquivalenzprüfung bezüglich Cmax und AUC, wie dies bei einer chemisch definierten Reinsubstanz (z. B. Pantoprazol) üblich ist, sodass auf Surrogatparameter wie die Gesamt-Fe-Bestimmung und die TSAT% zurückgegriffen werden muss [6, 14, 20].

Es darf deshalb bei Präparaten mit dem gleichen INN, wie z. B. Fe(III)-Sucrose nicht allein davon ausgegangen werden, dass es sich bei Zweitanbietern um gleichwertig stabile Komplexe handelt [8, 24]. Fe(III)-Sucrose-Komplexe weiterer Anbieter („Nanosimilars“ [8]) können am Ende sogar mit höheren Dosierungen und einem erhöhten Erythropoetin-Bedarf als flankierende Behandlung der Anämie verbunden sein, um das gleiche Therapieziel wie mit dem Referenzarzneimittel zu erreichen. Teilweise kam es zu schlechteren Verträglichkeiten im Rahmen einer Umstellung [24], sodass einmal mehr gezeigt werden konnte, dass preislich „günstigere“ Präparate nicht automatisch wirtschaftlicher und gleich sicher sein müssen [1].

Die Sonderstellung der Dextrane

Über die letzten 20 Jahre wurde intensiv daran gearbeitet, Kohlenhydratkomplexe, in denen Fe(III)-Ionen eingebettet werden sollen, in ihrer Stabilität so zu verbessern, dass höhere Absolutmengen von z. B. 1000 mg pro Infusion ver­abreicht werden können (Tab. 1).

Bei einem Vertreter der ersten Generation wie Ferrlecit® darf z. B. aus Toxizitätsgründen auch weiterhin eine Absolut­menge von 62,5 mg pro Anwendung nicht überschritten werden. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass Gaben von 125 mg Fe(III)-Gluconat mit einer deutlichen Häufung von Unverträglichkeitsreaktionen verbunden waren [4].

Mit Dextranen lassen sich hingegen physikalisch-chemisch sehr stabile Komplexe herstellen (z. B. Cosmofer® 100 mg). Mittels Dextransucrasen lassen sich aus α-D-Glucose neue Struktureinheiten gewinnen, die vorwiegend zu (1→6)-α-Glucopyranosyl-α-D-Glucose-Ketten führen, aber auch (1→2)-, (1→3)- und (1→4)-Verknüpfungen enthalten können. Der Verzweigungsgrad ist letztendlich vom Typ des synthetisierenden Mikroorganismus abhängig. Zu­sammenfassend steht damit der Begriff „Dextran“ als Bestandteil in einer Formulierung nicht für eine einheitliche Molekülstruktur!

Trotz der unbestritten hohen physikalisch-chemischen Stabilität der Dextrankomplexe spielen sie heute als einbettende Komplexe für Fe(III)-Ionen allerdings eine eher untergeordnete Rolle, da ihr Einsatz mit einer unverhältnismäßig hohen Rate an teilweise schweren Überempfindlichkeitsreaktionen verbunden ist [2, 4]. Selbstredend ist unter diesen Vorzeichen eine Aut-idem-Substitution eines Dextran-freien Venofer® 100 mg auf z. B. Cosmofer® 100 mg nicht in Betracht zu ziehen. Die Kohlenhydratkomplexe, die bei den Vertretern der dritten Generation Ferinject® (Fe(III)-Carboxymaltose) und Monofer® (Fe(III)-hydroxid-oxid-citrat-isomalto-Oligosaccharidalkohol-Hydrat-Komplex, synonym: Eisen(III)-Derisomaltose, verwendet werden, sind ebenfalls sehr stabil (Tab. 1). Unstrittig ist allerdings, dass diese beiden Komplexe unter­einander nicht 1 : 1 gleichzusetzen sind [2, 5, 12, 14].

Während bei Dextran-haltigen Komplexen vieles für IgE-oder IgG-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen spricht, geht man bei den Komplexen der dritten Generation eher von Komplement-assoziierten pseudo-allergischen Reaktionen (CAPRA) aus, die eine Aktivierung von Mastzellen und basophilen Granulozyten zur Folge haben und eine Ausschüttung von Histamin, Thromboxan, Leukotrienen und Platelet-activating-factor (PAF) nach sich ziehen [10, 12, 19].

Klinische Studien

Mittlerweile liegen zahlreiche Studien mit verschiedenen Fe(III)-Kohlenhydratkomplexen in verschiedensten Indikationen vor (z. B. Herzinsuffizienz NYHA II bis IV, Onkologie, perioperatives Patient-Blood-Management), die die besondere Bedeutung einer parenteralen Eisenzufuhr eindrucksvoll bestätigen konnten [10, 12, 13, 21, 23]. Bei den Studien zur Herzinsuffizienz (z. B. CONFIRM-HF, und FAIR-HF) waren unter der i.v. Anwendung von Fe(III)-Carboxymaltose nur selten Überempfindlichkeitsreaktionen der Kategorie Grad ≥ 3 zu beobachten. Dieses Studienergebnis ist für die klinische Praxis insofern von besonderer Relevanz, da die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Notwendigkeit eines Therapieabbruchs vorsieht, wenn sich Zeichen einer schweren Überempfindlichkeitsreaktion (Tab. 3) auf einen parenteral verabreichten Fe(III)-Kohlenhydratkomplex ergeben – unabhängig davon, welcher Komplex tatsächlich verabreicht worden ist [9]!

Tab. 3: Ring und Messmer-Klassifikation von Überempfindlichkeitsreaktionen (HSR) (mod. nach [14])
Grad 1
Hautsymptome und/oder leichtes Fieber
Grad 2
messbar, aber nicht lebensbedrohlich:
kardiovaskuläre Reaktionen (Tachykardie, Hypotension)
Grad 3
Schock, lebensbedrohliche Spasmen der glatten Muskulatur (z. B. Bronchien)
Grad 4
Herz- und/oder Atemstillstand

Anm.: Symptome einer Anaphylaxie sind entweder durch ein atmungsbehinderndes Angioödem (z. B. Zunge, Atemwege), eine persistierende Hypotonie (z. B. SBD-Abfall von 30 mmHg) oder eine Endorganstörung (z. B. Synkopen) gekennzeichnet.

Fe(III)-Kohlenhydratkomplexe der dritten Generation im Vergleich. Bisher liegt keine große randomisierte, doppelblinde, multizentrische Vergleichsstudie vor, die unter kontrollierten Bedingungen die Inzidenz aller Nebenwirkungen zwischen Eisen(III)-Carboxymaltose (Fe(III)CM) und Eisen(III)-Derisomaltose (Fe(III)IIM) systematisch untersucht hat.

In der monozentrischen Kohortenstudie von Mulder et al., die sich mit der Häufigkeit des Auftretens von Überempfindlichkeitsreaktionen (HSR) der beiden Präparate Fe(III)CM und Fe(III)IIM beschäftigte, erhielten 836 Patienten Fe(III) CM als 15-min-Infusion zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2014 (Tab.4). 496 dieser Patienten hatten vorher zwischen dem 1. Februar und dem 31. Dezember 2013 Fe(III)IIM (als 60-min-Infusion) erhalten. In der Nebenwirkungsbeurteilung wurde eine Klassifikation der Überempfindlichkeitsreaktionen (HSR) in 4 Schweregrade vorgenommen (Tab. 3).

Die von unabhängigen Experten bestätigte HSR-Inzidenz (alle Schweregrade) lag im Rahmen der Fe(III)CM-Gabe bei 2,1% (18 von 836) und unter Fe(III)IIM bei 8,7% (43 von 496). Damit war die HSR-Inzidenz unter Fe(III)-CM etwa 75% geringer als unter Fe(III)IIM (RR: 0,248, 95%-KI: 0,145 – 0,426, p < 0.0001) (Tab. 4), wobei Komorbiditäten das Risiko für das Auftreten einer HSR um das ca. Drei- bis Vierfache erhöhten, unabhängig davon, ob Fe(III)CM oder Fe(III)IIM verwendet worden war [15]. Zuvor hatten bereits Bager et al. [3] mit einem prinzipiell ähnlichen Studiendesign eine HSR-Häufigkeit von 10,7% unter Fe(III)IIM und 2,5% unter Fe(III)CM publiziert [15]. Weitere veröffentlichte Studienergebnisse mit Fe(III)IIM (1000 mg i. v. über 20 min) lassen bezüglich schwerer HSR auf eine Inzidenz von 0,3% über einen Beobachtungszeitraum von acht Wochen schließen [26, 27]. Ein studienbasierter Direktvergleich bezüglich schwerer HSR zwischen Fe(III)IIM und Fe(III)CM liegt bisher nicht vor.

Tab. 4: Ergebnisse der Kohortenstudie von Mulder et al. zum Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen (HSR) in unterschiedlichen Schweregraden unter Eisen(III)-Carboxymaltose bzw. Eisen(III)-Isomaltosid (nähere Erläuterungen im Text) (mod. nach [15])
Eisen(III)-Carboxymaltose
Eisen(III)-Isomaltosid
Anwendung
1000 mg i. v. (15-min-Inf.)
1000 mg i. v. (60 min-Inf.)
n
836
496
Patienten mit HSR
18
43
HSR-Risiko (95%-Kl)
2,1% (1,1 – 3,2%)
8,7% (6,1 – 11,2%)
Grad 1 (n)
12
11
Grad 2 (n)
6
29
Grad 3 (n)
0
3

In der kürzlich publizierten Studie von Wolf et al. wurde wiederum das Auftreten von Hypophosphatämien unter Fe(III)CM und Fe(III)IIM untersucht (Tab.5). In zwei identisch geplanten, offenen randomisierten klinischen Studien erhielten 245 Patienten mit normaler Nierenfunktion und Eisenmangelanämie entweder 1000 mg Fe(III)IIM oder jeweils 750 mg Fe(III)CM an den Tagen 0 und 7. Primärer Endpunkt der Studie waren Phosphatwerte < 2 mg/dl im Serum. Die Auswertung ergab, dass 7,9% unter Fe(III)IIM und 75% untere Fe(III)CM eine Hypophosphatämie in den ersten fünf Wochen entwickelten. Begleitet war dieser veränderte Laborparameter mit einem kurzfristigen Anstieg der FGF23-Werte im Serum und einer verstärkten Phosphaturie bei erhöhten Parathormon-Werten [25]. Unter diesen Vorzeichen sollte bei Bedarf, d. h. einer symptomatischen Hypophosphatämie, keine Substitution von Phosphatsalzen, sondern von Calcitriol und Vitamin D3 erfolgen [16].

In der Kohortenstudie von Bager et al. waren es 64% Hypophosphatämien (alle Schweregrade) unter Fe(III)CM und 9% unter Fe(III)IIM (p < 0,01) gewesen [3].

Angesichts der unterschiedlichen Häufigkeiten an HSR und Hypophosphatämien zwischen Fe(III)CM und Fe(III)IIM lässt sich schlussfolgern, dass es pharmakodynamische Unterschiede zwischen den Drittgenerations-Fe(III)-Kohlen-hydratkomplexen Fe(III)CM und Fe(III)IIM gibt, die einer Aut-idem-Substitution entgegenstehen [2, 5, 14].

Tab. 5: Hypophosphatämie, Phosphaturie und Parathormon(PTH)-Anstieg in einer direkten Vergleichsstudie zwischen Fe(III)CM und Fe(III)IIM bei nieren­gesunden Patienten mit Eisenmangelanämie (gepoolte Daten) (mod. nach [25])
Parameter
Fe(III)CM
Fe(III)IIM
Patientenzahl
n = 117
n = 125
Hypophosphatämie*
22,2%
1,6%
PTH-Anstieg
5,1%
3,2%

* Der primäre Endpunkt der Studie waren Phosphatwerte < 2 mg/dl. Eine Subdifferenzierung in unterschiedliche Schweregrade wurde in der Studie nicht vorgenommen.

Diskussion

Als in der Richtlinie 2001/83/EG (Art. 10) formuliert wurde, dass ein und derselbe Wirkstoff vorliegt, wenn verschiedene „Komplexe“ angeboten werden und damit eine Aut-idem-Substitution möglich ist, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Substanzklasse der Fe(III)-Kohlenhydratkomplexe zur parenteralen Gabe gemeint gewesen. Dabei fällt bereits unter pharmazeutisch-chemischen Gesichtspunkten bei der Betrachtung der INN-Bezeichnungen auf, dass die Vertreter der dritten Generation Unterschiede in ihren Kohlenhydratbezeichnungen aufweisen (Tabelle 1). Darüber hinaus haben Erfahrungen mit den Iron-Sucrose-Similars (ISS) gezeigt, dass selbst bei gleichem INN berechtigte Zweifel zur Aut-idem-Austauschbarkeit bestehen [11].

Solange es keine groß angelegte, direkte Phase-III-Vergleichsstudie zu signifikant unterschiedlichen Überempfindlichkeitsreaktionen (HSR) zwischen Fe(III)CM und Fe(III)IIM gibt, wird man bis auf Weiteres auf Surveillance-Datenbanken wie EudraVigilance und VigiBase zurückgreifen. Tatsächlich ergibt sich in diesem Zusammenhang eine höhere Rate an gemeldeten Überempfindlichkeitsreaktionen in Verbindung mit Eisen(III)-Derisomaltose im Vergleich zu Eisen(III)-Carboxymaltose, sodass relevante physikochemische und pharmakologische Unterschiede zwischen den beiden Komplexen angenommen werden müssen. Andererseits haben Untersuchungen gezeigt, dass auch die Rate an Hypophosphatämien zwischen den beiden Präparaten unterschiedlich ist [25].

Bemisst man den Einsatz der Fertigarzneimittel Ferinject® 1000 mg und Monofer® 1000 mg allein auf ihren jeweiligen Abgabepreisen der pharmazeutischen Unternehmen – ausgehend vom ApU – so ergibt sich (Stand: 01/2020) für die ApU-Preise der 1000-mg-Darreichungsformen derzeit ein Unterschied von ca. 16% (d. h. ca. 45 Euro netto).

Eine Aut-idem-Substitution allein auf der Basis des Preises voranzutreiben, ist angesichts der Komplexität der NBCD nicht zu unterstützen, da die NBCD nicht mit generisch verfügbaren Präparaten gleichgesetzt werden dürfen. Dieser Tatsache wurde inzwischen auch in dem auf Grundlage des § 129a SGB V geschlossenen Liefervertrags in Baden-Württemberg zwischen mehreren Kostenträgern und den Krankenhäusern Rechnung getragen, sodass Rabattstaffeln wie bei generisch verfügbaren Produkten bei den i.v. Eisen(III)-Kohlenhydratkomplexen nicht zur Anwendung kommen. |

 

Literatur

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Autor

Prof. Dr. rer. nat. Hans-Peter Lipp, Leiter der Universitätsapotheke Tübingen, Fachapotheker für Klinische Pharmazie

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