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- DAZ 38/2020
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Die Seite 3
Eine Frage des Vertrauens
Als letzte Woche eine Phase-III-Studie mit dem Adenovirus-basierten Vektorimpfstoff AZD1222 der Oxford University und AstraZeneca unterbrochen wurde, weil eine Probandin unklare neurologische Symptome gegen diesen COVID-19-Impfstoff entwickelt hatte, machte das Hoffnung. Hoffnung darauf, dass die gerade unter großem Druck vorangetriebenen Impfstoffstudien doch mit größter Sorgfalt durchgeführt werden und die Sicherheit oberste Priorität hat.
Im Raum stand die nicht bestätigte Verdachtsdiagnose Transverse Myelitis, eine entzündliche Erkrankung des Rückenmarks, bei der das Immunsystem Nerven schädigt, was je nach Lokalisation zu Sensibilitätsstörungen bis hin zur Querschnittslähmung führen kann. Als Auslöser werden virale oder bakterielle Infekte, aber auch Impfungen diskutiert.
Einen Dämpfer bekam das gerade aufkeimende Vertrauen durch die Nachricht, dass diese Studie schon einmal unbemerkt von der Öffentlichkeit unterbrochen worden ist, auch hier wurde eine Transverse Myelitis diskutiert.
Dabei sind solche Studien-Unterbrechungen prinzipiell nicht ungewöhnlich. Doch eine Transverse Myelitis ist eine sehr seltene Erkrankung. Pro einer Million Menschen wird sie nur etwas mehr als einmal pro Jahr diagnostiziert. Zwei derartige Fälle neuroimmunologischer Komplikationen in kurzer Zeit lassen aufhorchen.
Besonders hellhörig macht vor diesem Hintergrund, dass der viel diskutierte russische Impfstoff Sputnik V ebenfalls Adenoviren als Vehikel nutzt. Über diesen Impfstoff war lange Zeit nichts bekannt. Inzwischen sind Daten zweier Phase-I/II-Studien mit 76 Probanden im Lancet publiziert worden. Doch eine Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Enrico Bucci von der Temple University in Philadelphia misstraut ihnen. Die Daten seien zu ähnlich und aus statistischer Sicht unwahrscheinlich. Der Verdacht der Datenmanipulation steht im Raum.
Die Phase-III-Studie mit AZD1222 ist inzwischen wieder aufgenommen worden (s. S. 33). Aber AstraZeneca hat erklärt, man könne keine weiteren medizinischen Informationen bekannt geben. So bleibt ungeklärt, ob und wie ein Zusammenhang zwischen den Komplikationen und der Impfung ausgeschlossen werden konnte.
Solche Vorgänge schüren Ängste und sind Wasser auf die Mühlen von Impfgegnern. Wenn sie nicht lückenlos aufgeklärt werden, wenn nicht schonungslos offengelegt wird, was denn die Sicherheitsüberprüfungen ergeben haben, dann wächst das Misstrauen. Das können wir uns nicht leisten. Denn wir sind auf eine breite Akzeptanz von Impfungen angewiesen. Sie schützen uns und retten Leben. Das zeigt nicht zuletzt die Grippeimpfung (s. S. 56).
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