Pandemie Spezial

Die Wundermittel aus dem Himmel

Ein Gastkommentar

Foto: Alois Müller

Dr. Verena Stahl

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass REGN-COV2, ein in klinischer Prüfung befindlicher Kandidat des Biotechnologie-Unternehmens Regeneron, eine Notfallgenehmigung der FDA bekommen wird. Die Frage ist vermutlich nur, wann das Präparat eine sogenannte Emergency Use Authorization (EUA) erhalten und die Firma in den Genuss von Milliarden­umsätzen kommen wird.

Schützenhilfe leistet ausgerechnet einer, der nach eigenen Angaben immens von dem experimentellen Präparat profitiert hat – und noch eine Weile (bis zum 3. November 2020) auf der Welle des potenziellen Erfolgs mitschwimmen will. Die Rede ist von Donald Trump, der das nicht zugelassene Präparat im Zuge seiner COVID-19-­Erkrankung verabreicht bekommen haben soll. Dieser schwärmte – mit belegter Stimme – in einer aus dem Militärkrankenhaus gesendeten Videobotschaft von Wundermitteln („frankly, they are miracles“), die ihm der Himmel geschickt habe („coming down from God“).

Die „Werbekampagne“ in fremder und eigener Sache ging wenige Tage später weiter, als Trump – sichtlich gebräunt und scheinbar gut erholt – via Twitter eine Videobotschaft aus dem Garten des Weißen Haus sendete. Darin verbreitete er mit Pathos die Nachricht, dass er sich unmittelbar nach der Gabe von REGN-COV2 (das er verallgemeinernd „Regeneron“ nennt) großartig gefühlt habe und dass dies der Schlüssel zum medizinischen Erfolg gewesen sei. Er fügt hinzu, dass er es nicht als Therapeutikum ansehen würde, sondern als Mittel, dass eine Heilung herbeigeführt habe, und spricht von Glück im Unglück. Die Begeisterung des Glücklichen kennt keine Grenzen und so macht er über seine Einflussnahme auf die FDA bezüglich einer Notfallgenehmigung für REGN-COV2 und das ebenfalls in Prüfung befindliche Konkurrenzpräparat der Firma Eli Lilly keinen Hehl: „We are trying to get them on an emergency basis. We’ve authorized it – I’ve authorized it. […] I have Emergency Use Authorization all set.“ Über die Verfügbarkeit und Kostenfreiheit der Behandlung muss man sich sodann keine Sorgen machen, wenn man Trumps Worten Glauben schenkt: „We have hundreds of thousands of doses that are just about ready. […] I’m gonna make it free. You are not gonna pay for it!“ Kurz lässt der Präsident dann noch durchblicken, dass er mit der vermeintlichen Verzögerung der Impfstoffzulassung nicht einverstanden sei, um dann wieder geschickt den Fokus auf die vielversprechenden Antikörpertherapien zu lenken: „It’s much more important to me than the vaccine.“ Kein Wunder, schließlich sind sie nach Hydroxychloroquin, Impfstoffen und Rekonvaleszentenplasma sein letzter Pfeil im Köcher, um im COVID-19 gebeutelten Wahlkampf noch zu punkten. Zu allem Überfluss nimmt Trump für sich in Anspruch, dass es sein Vorschlag gewesen sei, REGN-COV2 anzuwenden. „I heard about this drug, I said ‚Let me take it.‘ It was my suggestion […].“ Seine Arroganz gipfelt in der Aussage, dass man den monoklonalen Antikörpern ohne sein persönliches Erlebnis nicht mehr Beachtung schenken würde, als einer ganzen Reihe anderer Arzneimittel.

Trump verbreitet mit seiner desas­trösen Videobotschaft, die mehr als 23 Millionen Mal aufgerufen wurde, vor allem erneut eines: gefährliche Aussagen. Der Präsident brüstet sich dabei mit fadenscheinigem Wissen, womit er die Wissenschaft mit Füßen tritt. Indem er Fakten schafft und Druck auf die Zulassungsbehörde hinsichtlich einer Notfallgenehmigung ausübt, sät er bei seinen Widersachern Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der FDA. Eine voreilig erteilte Notfallgenehmigung würde jedoch nicht nur dem Ansehen der Behörde weiter schaden, sondern auch die Rekrutierung von Patienten für laufende klinische Studien zu monoklonalen Antikörpern gefährden. Wer möchte schließlich hieran noch teilnehmen, und die 50%-ige Gefahr in Kauf nehmen, „nur“ die Placebo-Therapie zu erhalten, wenn es das Präparat auch im Rahmen einer Notfallgenehmigung und angeblich kostenfrei gibt?

 

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