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Pandemie Spezial
WHO geht auf Distanz zu Remdesivir
Leitlinien-Gruppe sieht derzeit keinen Nutzen – weitere Erforschung befürwortet
In die Freude über die neue Kombi-Zulassung platzte die Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation, die sich neuerdings gegen den Einsatz von Remdesivir ausspricht. Derzeit lägen keine Hinweise vor, dass Remdesivir unabhängig von der Schwere der Erkrankung wesentliche Auswirkungen auf die Mortalität, die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung, die Zeit bis zur klinischen Verbesserung oder andere für den Patienten wichtige Ergebnisse habe, heißt es in einer „bedingten Empfehlung“ der WHO. Die Empfehlung, Teil einer „Living Guideline“ zur klinischen Versorgung von COVID-19, ist von einem internationalen Gremium entwickelt worden, dem 28 Experten für klinische Versorgung sowie Patientenvertreter und ein Ethiker angehörten. Die Arbeiten dazu begannen laut WHO am 15. Oktober 2020, als die WHO-Solidarity-Studie ihre Zwischenergebnisse veröffentlichte. Die vom Gremium überprüften Daten umfassten Ergebnisse dieser Studie sowie drei weitere randomisierte kontrollierte Studien. Insgesamt wurden Daten von über 7000 Patienten berücksichtigt. Die Leitlinienentwicklungsgruppe sprach sich aber für die weitere Erforschung von Remdesivir aus, insbesondere um die Evidenz für bestimmte Patientengruppen zu verbessern. Sie unterstützt deshalb auch die fortgesetzte Teilnahme an Studien zur Bewertung von Remdesivir.
Gilead enttäuscht
Der Remdesivir-Hersteller Gilead Science äußerte sich nach einem Bericht im „Manager-Magazin“ enttäuscht. Der Pharmakonzern habe erklärt, sein unter dem Namen Veklury® vermarktetes Mittel sei „von mehreren glaubwürdigen nationalen Organisationen anerkannt“. Die WHO „ignoriert anscheinend diese Belege zu einer Zeit, da die Fälle rund um die Welt dramatisch ansteigen und Ärzte auf Veklury® als erste und einzige zugelassene Behandlung für Patienten mit COVID-19 angewiesen sind“. Ende Oktober habe Gilead bereits seine Umsatzprognose für 2020 gesenkt. Die Nachfrage sei geringer als erwartet, der Absatz von Remdesivir lasse sich schwer vorhersagen. Der Nutzen des Medikaments und vor allem die Preispolitik des Unternehmens seien schon länger umstritten, schreibt das Manager-Magazin und auch der WHO ein Dorn im Auge. Die EU-Kommission hatte Anfang Oktober einen Vertrag mit Gilead über die Lieferung von bis zu 500.000 Dosen Remdesivir in den kommenden sechs Monaten unterzeichnet.
Remdesivir in Deutschland weiter eingesetzt
Trotz der kritischen WHO-Studie werde Remdesivir in Deutschland zur Behandlung bestimmter Corona-Patienten zunächst weiter eingesetzt, ist in dem Wirtschaftsportal „finanzen.net“ nachzulesen. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums habe mitgeteilt, dass man eine Neubewertung auf EU-Ebene auch unter deutscher Beteiligung abwarten wolle. Bis dahin halte man an der Praxis fest. Ein Vertreter deutscher Intensivmediziner habe vor wenigen Wochen betont, dass die Therapie mit Remdesivir bei bestimmten Patienten durchaus einen positiven Effekt zeige.
AMK: Arzneimittelrisiken melden
Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker hat sich vor wenigen Tagen hinsichtlich Remdesivir zu Wort gemeldet. Sie verweist darauf, dass mehrere medizinische Fachgesellschaften Empfehlungen zum Einsatz von Veklury® veröffentlicht hätten. Basis dafür seien vor allem die jetzt vollständig publizierten Daten der ACTT-1-Studie und der GS-US-540-5773-Studie. Bei hospitalisierten COVID-19-Patienten könne Remdesivir die Genesungszeit verkürzen. Eine signifikante Senkung der Mortalität sei bisher jedoch nicht nachgewiesen worden. Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse erscheine ein Einsatz vor allem in der Frühphase der Erkrankung sinnvoll. Die Therapiedauer sollte dabei in der Regel fünf Tage betragen.
Die AMK bittet die Apotheker darum, alle Arzneimittelrisiken im Zusammenhang mit der Anwendung von Remdesivir unter www.arzneimittelkommission.de zu melden. |
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