Wirtschaft

Wird die Direktabrechnung zur ernsthaften Alternative?

„Whitepaper“ zu AvP und zur Zukunft der Rezeptabrechnung

tmb | Das E-Rezept wird die Arbeit in den Apotheken ver­ändern und neue Möglichkeiten für die Rezeptabrechnung er­öffnen. Außerdem hat die AvP-Insolvenz die Frage nach einer Alternative für das bisherige Geschäfts­modell der Apotheken­rechen­zentren aufgeworfen. Diese könnte in der Direktabrechnung liegen. Die Firma Scanacs arbeitet an einem solchen Angebot und wendet sich mit ihren Ideen nun an Apotheken.

Das zentrale Argument für die Direktabrechnung hat durch die AvP-Insolvenz ganz neue Bedeutung erlangt. Denn bei der direkten Zahlung der Krankenkasse an die Apotheke wird kein Rechenzentrum zwischengeschaltet und damit entfällt das Insolvenzrisiko. Dies würde alle politischen und juristischen Mühen für eine sichere Gestaltung der Vertrags­beziehung zum Rechenzentrum erübrigen. Doch der entscheidende Schub für einen solchen Ansatz ergibt sich erst aus dem E-Rezept, weil damit der physische Transport und das Einscannen der Rezepte entfallen werden.

Scanacs und seine Prüfplattform

Vor diesem Hintergrund präsentiert Scanacs sein Konzept in einem „Whitepaper“ unter dem Titel „Der Fall AvP und seine Folgen“. Scanacs bezeichnet sich als „innovatives Start-up“ mit dem Ziel, „eine einfache wie effiziente Kommunikation zwischen Apo­theke und Krankenkasse zu ermöglichen“. Das Unternehmen wurde 2016 von Frank Böhme gegründet, der nun einer der beiden Geschäftsführer ist. Böhme war zuvor bei einer gesetzlichen Krankenversicherung, einem großen Pharmaunternehmen und anschließend bei einem Unternehmen zur Rezeptprüfung tätig.

Derzeit bietet Scanacs eine elektro­nische Verknüpfung von Apotheken mit Krankenkassen auf einer gemeinsamen Plattform. So können Apotheken den Zuzahlungsstatus der Versicherten elek­tro­nisch prüfen und über die „Ver­ordnungs­prüfung“ die bei der jeweiligen Krankenkasse verwendeten Erstattungshinweise in Echtzeit abfragen. Damit könne sich die Apotheke vor Retaxationen schützen und Zeit sparen, wirbt Scanacs. Nach Angaben des Unternehmens hätten Krankenkassen mit ins­gesamt mehr als 27 Millionen Versicherten die Plattform aktiviert und 3000 Apotheken seien dort registriert.

Argumente aus dem „Fall AvP“

Das „Whitepaper“ von Scanacs trägt die Entwicklung im „Fall AvP“ übersichtlich zusammen, bietet gut informierten Beobachtern aber keine inhaltlichen Neuigkeiten. Es enthält ein Interview mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg, eine Darstellung aus der Perspektive der betroffenen Apothekerin Silvia Trautmann und einen Beitrag einer Krankenkassenmitarbeiterin über die Konsequenzen für die Abrechnungstätigkeit. Scanacs betont, bei der bisherigen Rezeptabrechnung könne die Apotheke wegen möglicher Retaxationen erst nach zwölf Monaten sicher sein, das Geld behalten zu können. Dabei gerät in den Hintergrund, dass die gesetzlichen Krankenkassen innerhalb von zehn Tagen nach Rechnungseingang zahlen müssen, um den Apothekenabschlag abziehen zu dürfen. Als weitere Nachteile des bisherigen Abrechnungsverfahrens nennt Scanacs beispielsweise „intransparente Preis- und Vertragsmodelle“, „lange Vertrags­bindung“ und „Unsicherheit hinsichtlich weiterer Insolvenzen“, ohne dabei zwischen den Anbietern zu differenzieren. Um die Risiken zu verringern, könnten Apotheken die Abrechnung auf mehrere Dienstleister verteilen, heißt es dazu weiter.

Konzept für die Direkt­abrechnung

Doch Scanacs will offensichtlich für sein Konzept zur Direkt­abrechnung werben, das auf der existierenden Plattform zur Rezeptprüfung aufbaut. Dort wird das Rezept geprüft und ein Abrechnungskennzeichen vergeben. Anschließend kann die Krankenkasse direkt an die Apotheke zahlen. Scanacs betont, dass die Abrechnung durch die Apotheken schon heute im SGB V vorgesehen sei, denn diese „können“ ein Rechenzentrum in Anspruch nehmen, müssen dies aber nicht.

Als Vorteile der Echtzeit-Prüfung nennt das Unternehmen die „zeitliche Entlastung durch eine klare Konfiguration von Prüfungen“ und den „Wegfall unterschied­licher Vertragsinterpretationen zwischen Apotheken und Krankenkassen“. Dies reduziere den Aufwand für Prüfungen und bei Retaxationen und schaffe Planungssicherheit.

Die derzeit interessantesten Argumente dürften allerdings die Hoheit der Apotheke über die Abrechnung und die schnelle insolvenzfeste Zahlung der Krankenkasse sein. Die Zahlungen des Nacht- und Notdienstfonds und die Herstellerrabatte könnten ebenfalls über die Plattform abgerechnet werden, erklärt Scanacs. Auch die Krankenkassen hätten Vorteile durch die „Verbesserung der Prozessqualität in der Rezeptprüfung“ und durch geringeren Aufwand.

Einspruchsfristen würden bleiben

Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass die tech­nische Möglichkeit zur Echtzeit-Prüfung nichts an den vertrag­lichen Einspruchsfristen und weiteren Prüfmöglichkeiten der Krankenkassen ändern würde.

Auf die Frage der AZ, wann das Konzept angeboten werden kann, hieß es, das Unternehmen arbeite mit Apotheken und Krankenkassen an der Direktabrechnung und sei zuversichtlich, „dass die Einführung der Direktabrechnung in Kürze für weitere Apotheken zugänglich gemacht werden kann“. Solange noch Papierrezepte abgerechnet werden, müssten diese von den Apotheken an die einzelnen Krankenkassen geschickt werden.

Honorierung und weitere Alternativen offen

Im Whitepaper bleibt offen, nach welchem Konzept und in welcher Höhe Scanacs für seine Dienst­leistung bezahlt werden soll. Da es dabei nur um eine technische Dienstleistung und nicht um eine Vorfinanzierung geht, kann die Honorierung nicht mit den Rechenzentren verglichen werden. Apotheken, die eine Vorfinanzierung benötigen, müssten dann Banken in Anspruch nehmen und die Finanzierungskosten berücksichtigen. Dies zeigt, welche grundlegenden Veränderungen mit diesem Konzept verbunden wären. Falls dies Anklang findet, würden vermutlich weitere An­bieter entstehen.

Außerdem ist zu fragen, ob die Rezeptprüfung, die bei Scanacs im Mittelpunkt steht, überhaupt entscheidend für die Direktabrechnung ist. Auch einfachere Konzepte erscheinen denkbar, bei denen dann das Inkasso der Hersteller­rabatte zur wesentlichen Herausforderung werden dürfte. Angesichts des riesigen Marktvolumens ist das Angebot von Scanacs wohl nur der Auftakt für viele neue Geschäftsideen im Zusammenhang mit der Rezeptabrechnung. Dabei bleibt abzuwarten, wie die etablierten Rechenzentren reagieren. |

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