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Die Seite 3
Wie nützlich ist die Nutzenbewertung?
Die frühe Nutzenbewertung ist zehn Jahre alt geworden. In dieser Zeit haben sich viele Beteiligte offenbar mit dem Verfahren arrangiert (siehe Seite 63). Doch es gibt weiterhin erhebliche grundsätzliche Kritik. Außerdem darf das kurzfristige Funktionieren der Abläufe nicht über problematische langfristige Folgen hinwegtäuschen. Aus Apothekersicht bleibt zu bedauern, dass pharmazeutisch-technologische Innovationen kein Nutzenbewertungsverfahren auslösen und kaum zu berücksichtigen sind. Damit werden Innovationen zur besseren Anwendbarkeit von Arzneimitteln bei Kindern oder anderen besonderen Patientengruppen behindert. Das beklagt insbesondere die mittelständische Pharmaindustrie, die zudem fordert, die Forschung zu neuen Anwendungen für patentfreie Wirkstoffe besser zu honorieren. Denn dies ist ein wesentlicher Teil der Forschungsarbeit mittelständischer Unternehmen. Gerade hier sind Innovationen mit vergleichsweise wenig Aufwand zu erwarten. Dies war ein wesentliches Thema beim Eppendorfer Dialog, über den die DAZ im Januar berichtet hatte (siehe DAZ 2021, Nr. 4, S. 64).
Außerdem unterscheiden sich die Ergebnisse der Nutzenbewertung systematisch zwischen verschiedenen Indikationsgruppen. Dies liegt im Verfahren der Bewertung begründet, worauf Prof. Josef Hecken, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, bereits vielfach hingewiesen hat. Die Regularien erfordern einen gesicherten Kausalitätsnachweis für den Nutzen und damit randomisierte kontrollierte Studien. Solche Studien liefern in kurzer Zeit gute Ergebnisse, wenn beispielsweise bei Patienten in palliativen Situationen mit sehr geringer Lebenserwartung das Leben um eine gewisse Zeit verlängert wird. Dies erklärt die guten Bewertungen vieler Arzneimittel für sehr spezielle onkologische Indikationen. Dagegen sind solche Studien nicht geeignet, um bei chronischen Krankheiten Verbesserungen zu zeigen, die erst in vielen Jahren zu erwarten sind. Dies erklärt die schlechten Bewertungen von Arzneimitteln gegen große Volkskrankheiten. Das Hauptproblem dabei ist die Anreizwirkung für die Forschung. Wenn kaum eine Aussicht besteht, mehr als einen Preis auf Generikaniveau für ein neues Arzneimittel gegen Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen zu erzielen, gibt es kaum Anreize auf diesen Gebieten zu forschen. Doch dies betrifft sehr viele Patienten, und es ist zu fragen, ob das Verfahren die gesellschaftlich gewünschten Anreize für die Zukunft setzt.
Das Problem liegt damit mehr in den Folgewirkungen. Dies betrifft auch das „AMNOG-Paradox“. Mit diesem Begriff beschreiben die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Dieter Cassel und Prof. Dr. Volker Ulrich den Effekt, dass die relativ gute preissenkende Wirkung des Verfahrens einen Anreiz für die Pharmaindustrie setzt, als Ausgleich für ihre derzeitigen Preiszugeständnisse in der nächsten Innovationsrunde wiederum noch höhere Preise anzusetzen. Die Preissenkung von heute treibt demnach die Preise von morgen in die Höhe. Die relative Senkung der Preise in Bezug auf das Niveau bei Markteinführung erscheint daher nicht geeignet, den Erfolg des Verfahrens zu messen. Trotz der freundlichen Worte zum zehnjährigen Jubiläum bleibt damit offen, wie nützlich die Nutzenbewertung ist
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