Die Seite 3

Entbürokratisieren, jetzt!

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Das größte Ärgernis im Berufsalltag der öffentlichen Apotheken ist und bleibt die Bürokratie. Unangefochten an der Spitze steht sie seit Jahren bei den Umfrageergebnissen der ABDA zum Apotheken-Klimaindex. Die Corona-Pandemie hält dieses Belastungs­gefühl in den Apothekenteams auf hohem Niveau, obwohl der Gesetzgeber für einige Erleichterungen beispielsweise im Bereich der Rabattverträge gesorgt hat.

Doch in den Apotheken scheint der Eindruck zu herrschen, dass sich der „Papierkram“ zu oft über die Erfordernisse der jeweiligen Sache hinwegsetzt. Ein Paradebeispiel im Corona-Kontext ist hierbei die Herstellung von Desinfektionsmitteln gewesen. Zum Auftakt des Infektionsgeschehens im Frühjahr 2020 waren den Apotheken praktisch die Hände gebunden. Industrielle Fertigprodukte wurden wegen der plötzlich hohen Nachfrage deutschlandweit zur Mangelware. Zu allem Überfluss verhinderte die ­europäische Biozid-Verordnung, dass die Apotheken unmittelbar und pragmatisch auf den Bedarf reagieren durften. Große Unsicherheit herrschte in der Standesvertretung. Niemand wagte, sich öffentlich an diesem Paragraphenmonster vorbeizudrängen. Doch im Hintergrund soll auch die ABDA-Geschäftsstelle ihren Teil dazu beigetragen haben, dass mit Allgemeinverfügungen und Ausnahmeregelungen das EU-Monster gezähmt und schließlich in einen Tiefschlaf versetzt wurde. Vorübergehend, versteht sich. Denn ein halbes bzw. ganzes Jahr später traten die Verbote für die Herstellung von Flächen- und Händedesinfektionsmitteln in Apotheken wieder in Kraft.

Der Ärger über die Bürokratie hängt stark vom Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand der jeweiligen Tätigkeit ab. Dabei muss Nutzen nicht zwangsläufig gleichbedeutend sein mit betriebswirtschaftlicher Marge. Gerade aus Sicht der Apotheken werden bürokratische Vorgaben oftmals dahingehend überprüft, welchen Nutzen sie für den einzelnen Patienten oder das gesamte Versorgungssystem haben. Das Beispiel mit den Desinfektionsmitteln macht deutlich, dass es damals nicht primär darum ging, durch die Herstellung einen besonderen unternehmerischen Erfolg zu erzielen, sondern in der Stunde höchster Not einen nationalen Bedarf zu decken. Dies ist das Wesen eines Apothekensystems, bestehend aus inhabergeführten Einzelbetrieben. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht die Interessen von Aktionären oder Vorständen, sondern stets der Bedarf des direkten Umfelds. Doch Apotheken können auf diesen nur adäquat reagieren und ein entsprechendes Angebot schaffen, wenn sie ansonsten auskömmlich honoriert werden. Darüber hinaus gilt es, Motivation und Bereitschaft der Apothekenteams langfristig zu erhalten. Wenn aber bürokratischer Aufwand und Personalprobleme seit Jahren als größte Stressfaktoren im Apotheken-Klimaindex auftauchen, droht das System allmählich zu kippen.

Hier muss aktiv gegengesteuert werden. Die Corona-Krise kann dabei als mahnendes und hoffnungsvolles Beispiel zugleich angesehen werden. Denn die Pandemie führte in den vergangenen Monaten zu einer Art Stresstest für das System und stellte so manche (unpraktische) Regel auf den Prüfstand. Statt zu evaluieren sollte die ABDA also vielmehr agieren, wie einst bei der Entbürokratisierung der Desinfektionsmittelherstellung. Die Gelegenheit ist günstig mit Blick auf den anstehenden Regierungswechsel. Betätigungsfelder existieren auch zur Genüge: Die Hilfsmittelversorgung lässt grüßen (S. 16)!

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