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Licht und Schatten für die Apotheke
Zwischenergebnisse zum anstehenden Koalitionsvertrag
In der vorigen Woche wurde ein Entwurf aus den Koalitionsverhandlungen der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ bekannt. Doch nicht alles darin muss so im Koalitionsvertrag stehen. Immerhin dürfte der Entwurf beschreiben, was die Koalitionäre in Betracht ziehen. Ganz am Anfang steht das Stichwort „sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik“. Die Trennung zwischen ambulantem und stationärem Sektor dort aufzuweichen, wo es den Patienten dient, soll offenbar im Mittelpunkt der künftigen Gesundheitspolitik stehen. Dazu gehört eine Notfallversorgung in „integrierten Notfallzentren“ in Zusammenarbeit zwischen kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern. Dies soll offenbar auch Folgen für die Apotheken haben, denn die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an solchen Notfallzentren in unterversorgten Gebieten soll durch „flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung“ verbessert werden, was inhaltlich aber nicht ausgeführt wird.
Aussichtsreicher Sicherstellungsfonds
Außerdem heißt es im Entwurf, der Nacht- und Notdienstfonds werde zu einem „Sicherstellungsfonds“ weiterentwickelt. Das bezieht sich vermutlich auf die Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen und erscheint dafür ohnehin als einzig praktikable Umsetzung. Doch es kann noch sehr viel mehr bedeuten. Möglicherweise eröffnet ein „Sicherstellungsfonds“ eine neue Honorierung für Apotheken an versorgungskritischen Standorten, beispielsweise eine Landapothekenprämie.
Möglicherweise neue Verteilung beim Apothekenhonorar
Doch zurück zum Entwurf der Koalitionäre: In der ambulanten Notfallversorgung sollen Notfallbotendienste verordnungsfähig werden. Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz soll novelliert werden, „um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“. Mehr Geld für pharmazeutische Dienstleistungen entspricht den Forderungen der ABDA. Doch was ist mit den Effizienzgewinnen gemeint? Der Begriff bezeichnet Kostenvorteile aufgrund besonders wirtschaftlicher Arbeitsweisen. Bei Apotheken können sich diese aus großen Mengen und aus der Versorgungsform – beim Versand – ergeben. Vermutlich sollen diese Vorteile innerhalb des Apothekensystems umverteilt werden. So stand es in einem Konzept der Grünen, das federführend von der Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche im April 2019 in den Bundestag eingebracht wurde (Bundestagsdrucksache 19/9699 vom 26.4.2019; siehe DAZ 2019, Nr. 16, S. 11). Darin hatten die Grünen gefordert, den packungsbezogenen Festzuschlag für Rx-Arzneimittel an den Apothekenumsatz zu koppeln. Kleine Apotheken sollten für eine Packung mehr Geld als große Apotheken erhalten. Gemäß dem Vorschlag der Grünen sollten die umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken einen Euro weniger pro Rx-Arzneimittelpackung erhalten und das Geld sollte auf die übrigen Apotheken umverteilt werden. Die Fraktion der „Basis-Apotheker“ in der Kammerversammlung von Westfalen-Lippe hatte einen anderen, tendenziell stärkeren Umverteilungsmodus vorgeschlagen. Die Vor- und Nachteile wurden damals in der DAZ analysiert (siehe DAZ 2019, Nr. 36, S. 24). Ein wesentliches Argument gegen diese Idee war, dass ein Rezept dann in verschiedenen Apotheken einen unterschiedlichen Wert hätte. Als größtes Problem drohen Fehlanreize durch unterschiedliche Arzneimittelpreise. Krankenkassen könnten Patienten zu „billigen“ (Versand-)Apotheken steuern und Selbstzahler würden dahin abwandern. Dies könnte jedoch umgangen werden, wenn der neue variable Honoraranteil über einen Fonds geleitet wird. Möglicherweise ist der erwähnte „Sicherstellungsfonds“ so gemeint. Dann bliebe das Problem, dass eine andere Verteilung von Honoraren zwischen Apotheken den Mangel an Geld im Apothekensystem nicht behebt.
Drohende Einbuße durch verminderte Mehrwertsteuer
Außerdem soll die Mehrwertsteuer für Arzneimittel gemäß dem Entwurf auf sieben Prozent sinken. Das wäre für die Apotheken im GKV-Geschäft nachteilig – wie bei der pandemiebedingten Absenkung von 19 auf 16 Prozent im zweiten Halbjahr 2020, aber nun in stärkerem Ausmaß und dauerhaft. Denn der Kassenabschlag von 1,77 Euro pro Rx-Packung ist ein Bruttobetrag. Bisher entspricht er 1,487 Euro netto, künftig wären es 1,654 Euro netto. Die Apotheken hätten dann 16,7 Cent weniger Rohertrag pro GKV-Rx-Packung. Bei 643 Millionen GKV-Rx-Packungen pro Jahr (im Jahr 2020, gemäß ABDA) wären das etwa 107 Millionen Euro Einbuße pro Jahr, sofern der Kassenabschlag nicht korrigiert wird. Um den bisherigen Zustand zu erhalten, müsste der Kassenabschlag bei sieben Prozent Mehrwertsteuer auf 1,59 Euro sinken. Diese Korrektur würde die Krankenkassen belasten – durch die Mehrwertsteuersenkung würden sie jedoch um Milliarden entlastet.
Große Themenvielfalt
Die angestrebte Mehrwertsteuersenkung ist offenbar ein Teil eines Maßnahmenpakets zur Begrenzung der Kosten für Arzneimittel, insbesondere für teure Innovationen. Beispielsweise soll der ausgehandelte Erstattungspreis künftig bereits nach sieben statt nach 13 Monaten gelten. Außerdem soll der Herstellerrabatt auf patentgeschützte Arzneimittel wieder auf 16 Prozent steigen.
Probleme für Apotheken können sich möglicherweise aus den im Entwurf genannten „bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen)“ ergeben, weil sie Kollektivverträge aushebeln könnten. Doch das bleibt diffus. Andere Pläne (mehr dazu siehe AZ 2021, Nr. 47, Seite 1) erscheinen positiv für die Apotheken, sind aber noch vage formuliert, beispielsweise der Bürokratieabbau und die Verstetigung von Verfahrenserleichterungen aus der Pandemie. Außerdem sollen telemedizinische Leistungen und die elektronische Patientenakte vorangetrieben werden. Auch die kontrollierte Cannabisabgabe wird im Entwurf erwähnt, allerdings ohne Hinweis auf die Apotheken. |
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