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DAZ aktuell
Zahnärzte fürchten investorenbetriebene MVZ
FDP-MdB Schinnenburg kritisiert Ungleichbehandlung
Mit der Einführung von MVZ im Jahr 2004 wurde im ambulanten Versorgungssystem erstmals das Prinzip eigenverantwortlicher freiberuflicher Leistungserbringer verlassen. Seit 2015 sind zudem rein zahnärztliche MVZ (zMVZ) zulässig, die auch von investorenbetriebenen Krankenhäusern getragen werden können. Dies wird insbesondere von der KZBV kritisch betrachtet. Für Apotheker erscheint dies ebenfalls beachtenswert, weil jede Aushöhlung des Fremdbesitzverbotes bei einem freien Heilberuf rechtliche oder politische Rückwirkungen auf das Fremdbesitzverbot für Apotheken haben könnte.
Sorgen der Zahnärzte
Die KZBV und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen betonen auf einer Themenseite der KZBV im Internet, dass die gute Versorgung in Deutschland durch freiberuflich tätige Zahnärzte sichergestellt werde. Dies sei ein weltweit einzigartiges Erfolgsmodell, aber die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages und die freie Zahnarztwahl würden durch den ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren bedroht. Die KZBV fürchte einen „zerstörerischen Systemumbau“ mit Versorgungsengpässen in strukturschwachen Gebieten. Zwei Gutachten im Auftrag der KZBV bestätigen diese Befürchtungen. Eines dieser Gutachten, erstellt vom IGES-Institut, hatte die DAZ bereits vorgestellt. Ein drittes Gutachten, das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erstellt wurde, konstatiert dagegen im Laufe der Zeit immer weniger Anlass für solche Befürchtungen und macht vielfältige Vorschläge zur Weiterentwicklung von MVZ – auch darüber berichtete die DAZ bereits (siehe DAZ 2021, Nr. 8, S. 18).
Einschätzung von FDP-MdB Schinnenburg
Daraufhin fragte die DAZ den FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg nach seiner Einschätzung zu MVZ. Denn Schinnenburg ist selbst Zahnarzt und war jahrzehntelang in diesem Beruf tätig. Schinnenburg engagiert sich auch im Zusammenhang mit der AvP-Insolvenz, insbesondere durch Anfragen an die Bundesregierung. Nach seiner Einschätzung arbeitet das MVZ-Gutachten im Auftrag des BMG Problembereiche heraus, „etwa den steigenden Anteil von MVZ in der zahnärztlichen Versorgung oder verfassungsrechtliche Probleme bei gesetzlichen Beschränkungen bei Versorgungshöchstquoten“. Doch Schinnenburg bemängelt an dem Gutachten, dass viele Entwicklungen nicht ausreichend berücksichtigt würden, beispielsweise der Einstieg von Venture-Capital-Firmen, Durchsetzungsmöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen oder die „bisher mangelnde Transparenz“ bezüglich der MVZ-Betreiber. Schinnenburg erklärte gegenüber der DAZ: „Vermutlich wollte das BMG durch das Gutachten seine bisherige Politik bestätigt sehen. Dies ist meines Erachtens nicht gelungen.“
FDP sieht Ärzte benachteiligt
Dabei stellt sich die FDP keineswegs generell gegen MVZ. „Grundsätzlich sind MVZ inzwischen ein Teil der Versorgung in unserem Gesundheitssystem“, erläutert Schinnenburg. Sie könnten attraktive Arbeitsplätze für Ärzte bieten, die bevorzugt als Angestellte arbeiten möchten. Allerdings seien MVZ teilweise gegenüber selbstständigen Vertragsärzten bevorzugt. „Werden MVZ als GmbH geführt, so sind die Haftungsrisiken reduziert, zudem können MVZ fast beliebig viele Zweigstellen gründen“, erklärt Schinnenburg. Darum fordere die FDP, dass Ärzte und MVZ rechtlich gleichgestellt werden. „Es kann nicht sein, dass freiberufliche Ärzte in einigen Punkten gegenüber MVZ benachteiligt sind“, mahnt Schinnenburg und fordert zudem mehr Transparenz über die Betreiber von MVZ und eine „Durchgriffsmöglichkeit“ der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Rechtliche Unsicherheit
Auf die Frage, ob er Gesetzesänderungen erwarte, die Investoren besseren Zugang zu den ärztlichen oder zahnärztlichen MVZ bieten, antwortete Schinnenburg: „Zuletzt ging die Debatte eher in die Richtung, MVZ stärker zu regulieren, insbesondere im Bereich der Investoren. So wurden Rechtsformen beschränkt, Versorgungshöchstquoten eingeführt oder die ärztlichen Leiter gestärkt.“ Doch Investoren hätten heute schon einen guten Zugang zu MVZ, erklärt Schinnenburg und äußert dabei auch Skepsis gegenüber den bestehenden Beschränkungen: „Zudem zweifle ich daran, dass alle getroffenen Maßnahmen vor Gerichten Bestand hätten. Das MVZ-Gutachten sieht hier ebenso verfassungsrechtliche Probleme, etwa bei Versorgungshöchstquoten.“
Schinnenburg: Keine Schlüsse für Apotheken-Fremdbesitzverbot
Dennoch erklärt Schinnenburg, aus seiner Sicht könnten aus dem Gutachten keine Schlüsse auf das Fremdbesitzverbot bei Apotheken gezogen werden. Gegenüber der DAZ erklärte er: „Im Bereich der Arzneimittelversorgung ist der Versandhandel das große Streitfeld, die ärztliche Versorgung hingegen muss in den meisten Fällen vor Ort stattfinden. Es ist daher für Investoren deutlich schwieriger, in die ärztliche Versorgung einzusteigen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das Bundesgesundheitsministerium in absehbarer Zeit das Fremdbesitzverbot der Apotheken infrage stellen könnte.“
Trotz dieser aus Apothekerperspektive beruhigenden Sicht lassen die Antworten des Abgeordneten zwei Problemfelder erkennen, deren Folgen noch nicht einzuschätzen sind. Zunächst wirft die von der FDP vertretene Forderung, Vertragsärzte und MVZ gleichzustellen, die Frage auf, welche Regeln für alle gelten sollten. Da eine persönliche Haftung für MVZ in der Hand von Kapitalgesellschaften sachlogisch nicht möglich ist, kämen zur Vereinheitlichung der Regeln nur Haftungsbeschränkungen für selbstständige Vertragsärzte in Betracht. Diese könnten jedoch das Leitbild der eigenverantwortlichen Heilberufler aushöhlen. Das zweite Problemfeld betrifft die von Schinnenburg angeführten juristischen Bedenken gegenüber den Regularien für MVZ. Wenn dies zu Gerichtsverfahren führen sollte, droht eine lange Phase mit rechtlichen Unsicherheiten, die möglicherweise nicht nur MVZ betreffen würden. |
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