Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Gemeinsam stärker

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Verbundeffekte spielen in der Wirtschaft eine große Rolle, im Einzelhandel sind sie von beson­derer Bedeutung und lassen sich tatsächlich auch vergleichsweise gut auf Apotheken übertragen. Es sind bei den Verbundeffekten zwei Sichtweisen zu differenzieren. Erstens liegt ein Verbundeffekt vor, wenn die Ausgestaltung eines Marketinginstruments nicht nur primäre oder unmittelbare, sondern auch sekundäre und damit mittelbare Effekte zeitigt. Macht man also Werbung für einen Artikel, geht man davon aus, dass dieser Artikel davon profitiert und sich häufiger als gewöhnlich in Phasen ohne Werbung verkauft. Zu einem Verbundeffekt kommt es nun, wenn auch andere Produkte sich durch diese Werbung besser verkaufen und dadurch einen höheren Umsatz generieren, obgleich keine explizite Werbung hierfür stattfand. Man nennt dies Ausstrahlungs- oder Spillover-Effekt. Ein zweites Beispiel liegt vor, wenn die Preisänderung bei einem Produkt die verkaufte Menge bei einem anderen Produkt verändert. Volkswirte nennen dieses Phänomen Kreuzpreiselastizität der Nachfrage. Der empirische Nachweis ist dabei nicht immer einfach zu führen, da vielerlei Einflüsse maßgeblich sein können und eine Monokausalität in zunehmend komplexeren Systemen selten anzutreffen ist. Die Logik dahinter bedeutet, dass man den Abverkauf eines Produktes ggf. besser dadurch stimulieren kann, indem man das Hauptwettbewerbsprodukt teurer macht und nicht das eigentlich im Fokus befindliche Produkt preisreduziert.

Zweitens entstehen Verbundwirkungen, wenn bestimmte Handlungen der Nachfrager miteinander verflochten sind. So wird ebenfalls von einem Verbundeffekt gesprochen, wenn Kunden Produkte häufig gemeinsam kaufen (Kaufverbund). Die Verbundenheit einzelner Aktivitäten kann sich u. a. zeigen in einem Bedarfsverbund (Schraube und Dübel, Salz und Salzstreuer), in einem Informa­tionssuchverbund (Kunden, die nach diesem Produkt suchten, verlangten auch nach Informationen zu …) oder in einem Beurteilungsverbund (beim Kauf mehrerer Produkte ist oftmals das teuerste, begehrteste oder knappste Gut maßgeblich für die Beurteilung auch der anderen Käufe).

Aus diesem Verbunddenken resultiert auch die Idee des Cross-Sellings. Der Gesamtumsatz eines Kunden, der sich schon in einer Geschäftsbeziehung mit dem anbietenden Unternehmen befindet, soll durch das gezielte, auf den bisherigen Kauf abgestimmte Leistungsprogramm des Anbieters gesteigert werden. Der direkte Nutzungszusammenhang aus einem Bedarfsverbund bietet hierfür zahlreiche Möglichkeiten. Immer wichtiger werden aber auch Hinweise darauf, dass Kunden, die dies gekauft haben, sich auch für jene Produkte entscheiden konnten – insbesondere wenn das noch auf Zielgruppen heruntergebrochen werden kann, zu denen sich der aktuelle Kunde zählt. Mit dem Hinweis auf vergleichbares Kaufverhalten holt man nicht jeden, aber viele ab, denn Schwarmintelligenz macht individuelle, ggf. auch jenseits des Mainstreams getroffene Entscheidungen plötzlich geländegängig.

Zahlreiche Indikationsbereiche in Apotheken drängen sich dafür auf, derlei Verbundkäufe zu initiieren. Die Beratungskompetenz des Apothekenpersonals darf hier aber nicht vordergründig ökonomischen Prinzipien folgen, sondern muss eine durch die Indikation erzeugte Rechtfertigung haben. Die in Apotheken seit Jahrzehnten geführte Diskussion zwischen Ethik und Monethik steht für das rich­tige Maß dieser Cross-Selling-Aktivitäten. Patientenbasierte und durch dessen Signale gerechtfertigte Zusatzverkäufe können das Angebot der Apotheke uneingeschränkt veredeln und tragen nachhaltig zur Verbesserung der Apotheken-Kunden-Beziehung bei. Ebenso schnell, wie sich der Erfolg einstellt, kann dieser aber auch wieder vergehen, da Cross-Selling bei einem heiklen Gut wie Gesundheit in Misstrauen und in ein ungutes Gefühl umschlagen kann, wenn der Kunde den Eindruck bekommt, dass aus seiner misslichen Lage Kapital geschlagen werden soll.

Psychologisch wertvoll sind auch nicht auf den ersten Blick naheliegende, aber durch gezielte Warenplatzierung und -präsentation geschaffene Verbundwirkungen. Die Apotheke kann durch eine aufeinander aufbauende Präsentation Zusammenhänge herstellen, auf die die Mehrheit der Kunden vordergründig nicht gekommen wäre, indem z. B. Vitamine in der Nähe von Erkältungsprodukten angeboten werden. Und Warengruppen, die sich nicht, noch nicht oder nicht mehr verkaufen wie gewünscht, können durch Bundling-Angebote gepusht werden, in denen zu einem attraktiven Preis beispielsweise zwei „Renner-Artikel“ zusammen mit einem Artikel verkauft werden, der diesen Namen nicht mehr verdient oder nie verdient hatte, aber das Sortiment der Apotheke abrundet und einen Push in die richtige Richtung benötigt. Hier könnte man einerseits überlegen, den Artikel isoliert zu bewerben, oder ihn andererseits in einem Bundle mit zu verkaufen und damit seine Attraktivität zu erhöhen, ohne die Attraktivität der Renner-Artikel zu torpedieren. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

 

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