Gesundheitspolitik

„Apotheken sind keine Arztpraxen to go“

Ärztekritik an pharmazeutischen Dienstleistungen reißt nicht ab / BÄK-Präsident Reinhardt fordert ersatzlose Streichung

cha | Die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen stößt bei der Ärzteschaft auf heftigen Widerspruch. Die Mediziner kritisieren einerseits, die Apotheker würden ärztliche Leistungen übernehmen, und andererseits, dass sie selbst für dieselbe Leistung schlechter honoriert würden.

Am vergangenen Montag und damit direkt nach Bekanntwerden des Schiedsspruchs am Freitag zuvor ging die Kampagne der Ärzteschaft los. Sowohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung als auch der Deutsche Hausärzteverband wetterten in Pressemeldungen gegen das neue Angebot in den Apotheken (s. DAZ 2022, Nr. 24, S. 19).

Etwas mehr Zeit ließ sich die Bundesärztekammer, deren Präsident Klaus Reinhardt vergangenen Mittwoch mitteilte: „Patienten sind keine Kunden und Apotheken keine Arztpraxen to go. Die Beratung in der Apotheke kann die ärztliche Diagnose und Therapieempfehlung nicht ersetzen, auch nicht ansatzweise.“ Die vorgesehenen Dienstleistungen blieben ohne echten Mehrwert für die medizinische Versorgung der Patienten und führten eher zu Reibungsverlusten und Abstimmungsstörungen. „Die Höhe der Vergütung steht darüber hinaus in einem krassen, nicht zu verantwortenden Missverhältnis zur Vergütung vergleichbarer ärztlicher Leistungen“, so Reinhardt weiter. Dieses Missverhältnis müsse bei den kommenden Honorarverhandlungen ausgeglichen werden. Seine abschließende Forderung: „Die Regelungen zu pharmazeutischen Dienstleistungen in Apotheken sind deshalb ersatzlos zu streichen.“

© Kai Felmy

Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, ist „schockiert über diese Entwicklung“. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland äußerte sie, die Ärzte könnten dies nur als Misstrauensvotum interpretieren. Und weiter: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es im Sinne der Patienten wäre, eine Beratung über orale Antitumortherapien halb öffentlich am Bezahltresen in der Apotheke vorzunehmen.“

Ein „Riesen-Chaos, vor allem in Hausarztpraxen“, erwartet die Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten Christine Neumann-Grutzeck. Wenn ein Apotheker wegen einer Verordnung Bedenken habe und den Patienten anspreche, dann führe das am Ende nur zu Verwirrung – und zum Vertrauensverlust der Patienten letztlich in alle Gesundheitsberufe, äußerte sie in der „Ärzte Zeitung“.

Der Vorsitzende des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands, Dirk Heinrich, kritisiert vor allem die Honorierung der Apotheker: „Es ist bemerkenswert, dass ein Schiedsgericht den Betrag für eine Medikations-Erstberatung auf 90 Euro veranschlagt.“ Damit bekämen die Apotheker nun einen Betrag für eine Beratungsleistung, für welche Ärzte in der medizinischen Grundversorgung sonst vierteljährlich mit einem Bruchteil davon pauschal pro Patient entlohnt würden. „Die Fachärzteschaft betrachtet dies definitiv als Signal und Marschrichtung für die kommenden Honorarverhandlungen.“ |

1 Kommentar

honorierte Pharmazeutische Dienstleistungen

von Sandra Möller am 22.06.2022 um 7:44 Uhr

Mit grossem Interesse verfolge ich die Beiträge zur honorierten pharmazeutischen Dienstleistung und komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. In meinen Augen ist es wie die Karikaturistin in der DAZ darstellt eher der Scherzartikel!
Ein eher trauriger Scherz, der sofort reflexartig Ärzteschaft und GKV in ablehnender Haltung auf den Plan ruft.
Der Ärzteschaft möchte ich zurufen: Leute, lest mal bis zum Ende! 90€ für 80 bis 90 Minuten berücksichtigte Recherche und mindestens zweimaligen Patientenkontakt. Vorgesehen für einmal im Jahr und - wenn viel in Anspruch genommen - nicht einmal garantiert, da der Gesamtbetrag ja gedeckelt ist. Für dieses Geld bekommt man in Deutschland keinen Handwerker! Zudem glaube ich, dass die Zeit sehr knapp bemessen ist. Wenn ich die POP Fälle der DAZ sehe, dann sind da immer 3 bis 4 Autoren beteiligt, die sicher pro Person MEHR als 30 Minuten investiert haben.... nun soll dies EIN Apotheker mal schnell neben der Arbeit machen? Bei der aktuellen breiten Personalknappheit wird so etwas nur nach Feierabend als Überstunden möglich sein.
Fragwürdig sehe ich das dreimalige Blutdruckmessen für 11,20€, das sich als dritte Prioritätsstufe möglicherweiese hinterher als kostenlos erbrachte Leistungen darstellt. Was hat die Apotheke dadurch gewonnen? Soll / darf mam vom Patienten wie aktuell oft üblich einen kleinen Obukus verlangen oder schleichen als nächstes Prüfer der GKV durch die Apotheken, die auf genau so etwas achten... bzw. kommen dann Forderungen wie bei der Präqualifizierung nach behindertengerechten Kundentoilette?
ICH kann mir nicht vorstellen, dass dies die Versorgung von Patienten ernstlich verbessert (denn dafür müssten die Ärzte mit im Boot sein) oder wie andere behaupten - ins Chaos stürzt. Dieser Umgang mit pharmazeutischer Dienstleistung ist leider irgendwo zwischen Scherzartikel und Rohrkrepierer angesiedelt.

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