Gesundheitspolitik

DiGA: Ärzte kritisieren mangelnde Kontrolle

Erstattung erfolgt auch ohne Verordnung

cha | Dem ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn war die Digitalisierung ein Herzensanliegen und entsprechend schnell wurden entsprechende Projekte „durchgedrückt“ – so auch die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Doch angesichts der Geschwindigkeit , die an den Tag gelegt wurde, blieben etliche Fragen offen, die aus Sicht der Ärzteschaft geklärt werden sollten. Ebenfalls offen ist, welche Rolle die Apotheken bei den DiGA zukünftig spielen könnten.

Die Arbeitsgruppe „Digitale Gesundheitsanwendungen“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) hat sich nun in einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Der Internist“ veröffentlicht wurde, näher mit den DiGA befasst. Anlässlich der Vorstellung der Studie wies der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Prof. Dr. med. Martin Möckel, darauf hin, dass von den 24 bis Mitte Dezember – zum Abschluss der Untersuchung – beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelisteten DiGA nur eine gezielt eine internistische Krankheit, nämlich Adipositas, adressiere: „Hier besteht eindeutig Nachholbedarf seitens der Hersteller.“

Ärzte fordern unbefristeten Testzugang

Nachholbedarf bestehe auch bezüglich der bislang nicht vorgesehenen Testmöglichkeiten für Ärzte. „In der BfArM-Liste finden sich zwar Angaben zu den Indikationen, für die die jeweilige App entwickelt wurde. Um zu entscheiden, ob sie für einen bestimmten Patienten geeignet ist, muss der Arzt oder die Ärztin die App jedoch selbst testen können“, betont Möckel. Hierfür, und um dem Patienten die App am Bildschirm erklären zu können, wäre ein möglichst unbefristeter Testzugang sinnvoll.

Darüber hinaus ist den Internisten ein Dorn im Auge, dass DiGA nicht nur bei ärztlicher Verordnung von der GKV erstattet werden, sondern auf Antrag des Versicherten bei korrekter Indikationsstellung direkt über die Krankenkasse zur Verfügung gestellt werden. Dazu heißt es im „Internist“: „Bei Medikamenten ist dieses Vorgehen nicht vorstellbar (…). Somit leitet sich die Frage ab, ob DiGA generell als ‚weniger‘ invasiv/wirkungsvoll angesehen werden als beispielsweise Medikamente. Dazu existieren bislang keine ausreichenden Daten.“ Eine Krankenkasse könne zum Zeitpunkt der Bewilligung einer DiGA gar nicht beurteilen, ob bei einem Patienten, der die DiGA direkt bei ihr beantragt, nicht eventuell eine (akute, neu aufgetretene) Kontraindikation besteht, die unter Umständen erheblichen Schaden bewirken könne. Dies sei eine klassische ärztliche Aufgabe, die eben auch nur ein Arzt leisten könne.

In der Veröffentlichung im „Internist“ wird eine Vielzahl weiterer Fragen aufgeworfen – u. a. zur Haftung, zu Interaktionen zwischen von verschiedenen Ärzten verordneten DiGA, zur Meldung eventueller Nebenwirkungen oder zum Aufwand für den Verordner. Dennoch ist das Fazit durchaus positiv: „DiGA sind innovative, neue Mittel, die Internisten zukünftig in der Diagnostik und Therapie unterstützen könnten“, heißt es abschließend. Doch: „Zahlreiche offene Fragen insbesondere zur Verordnungspraxis und das aktuell noch sehr geringe Angebot internistischer DiGA schränken den Nutzen in unserem Indikationsgebiet noch ein.“ Ähnlich äußert sich dazu der Präsident der DGIM, Prof. Dr. med. Markus M. Lerch: „DiGA können das Spektrum der Medizinprodukte in Zukunft sicherlich bereichern.“ Doch er betont: „Klar ist aber auch, dass sie die Behandlung und Medika­tion durch den behandelnden Arzt nur unterstützen, das heißt ihre Anwendung unter der Kontrolle des Arztes bleiben muss“, heißt es in der Pressemeldung.

Wo bleiben die Apotheken?

Während damit seitens der Ärzteschaft klare Pflöcke eingeschlagen werden, bleiben die Apotheken beim Thema DiGA bislang außen vor. Dabei wären sie mit ihrem niedrigschwelligen Zugang sehr gut geeignet, um älteren oder wenig digital-affinen Patienten bei der Installation und der Anwendung einer DiGA zu helfen. Dass dies funktioniert und einen großen Nutzen für die Kunden bringen kann, hat sich schließlich in der Corona-Pandemie gezeigt: Apotheken stellen nicht nur digitale Impfzertifikate aus, sondern helfen Kunden, falls notwendig, auch beim Einlesen ins Smartphone und erklären die Funktionsweise der Corona-Warn-App oder der CovPassApp.

Einen entsprechenden Beschluss hat der Deutsche Apothekertag im Jahr 2021 in Düsseldorf gefasst. Der von der Apothekerkammer Berlin gestellte Antrag lautet: „Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber auf, Apotheker:innen in den Leistungsbereich nach § 33a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ‚Digitale Gesundheitsanwendungen‘ einzubeziehen, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), ins­besondere betreffend Abgabe, Betreuung und Beratung, sicherzustellen. Das Nähere zu einer Vergütung ist zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband e. V. (DAV) in einem Rahmenvertrag zu vereinbaren.“

Was sich hier in nächster Zeit – möglicherweise auch im Zusammenhang mit den pharmazeu­tischen Dienstleistungen – tun wird, bleibt abzuwarten. Eine entsprechende Anfrage an die ABDA wurde bis zum Redaktionsschluss der AZ nicht beantwortet. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.