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Große Unterschiede bei Sondereffekten zwischen den Apotheken

Manche Betriebe verzeichnen sogar Umsatzrückgänge

tmb | Die Umsätze und Betriebs­ergebnisse der Apotheken sind 2021 durch Sondereffekte im Durchschnitt deutlich gestiegen. Doch das gilt längst nicht für alle Apotheken. Die Streuung ist riesengroß. In Mecklenburg-Vorpommern haben 14 Prozent der Apotheken sogar weniger Umsatz als im Vorjahr erzielt. Diese Daten und weitere bundesweit relevante wirtschaftliche Einschätzungen präsentierte Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, am 4. Mai in Rostock.

Beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern zeigte Diener Daten der Treuhand Hannover, die eine ideale Ergänzung zum Apothekenwirtschaftsbericht bilden, den die ABDA am 27. April vorgestellt hatte (siehe „Trügerischer Lichtblick“, DAZ 2022, Nr. 18, S. 62). Demnach sind 2021 bundesweit etwa 2,5 Milliarden Euro für Corona-Sondermaßnahmen ins Apothekensystem geflossen und haben die Umsätze und Betriebsergebnisse im Durchschnitt deutlich erhöht. Die große Spreizung der Umsätze besteht weiterhin, aber die ABDA hat auch in diesem Jahr keine Streuungsmaße für die Betriebsergebnisse angegeben. Doch letztlich entscheidet das Betriebsergebnis darüber, ob eine Apotheke dauerhaft wirtschaftlich zu betreiben ist. Auch die Beschreibung der Corona-Effekte ist ohne Streuungsmaße unvollständig.

In Rostock zeigte Diener den Corona-Effekt anhand von Durchschnittswerten für die nicht verschreibungspflichtigen Produkte in Apotheken. Dazu zählen OTC-Arzneimittel, das übliche Ergänzungssortiment und Corona-Produkte wie Tests und Masken. In der Pandemie stieg deren Umsatz in einer durchschnittlichen Apotheke in Mecklenburg-Vorpommern deutlich von 619.000 Euro im Jahr 2019 auf 735.000 Euro im Jahr 2021. Der Roh­ertrag wuchs aufgrund der veränderten Produktstruktur mit vielen Masken und Tests noch stärker von 208.000 Euro (2019) auf 297.000 Euro (2021). Offensichtlich ist es den meisten Apotheken gelungen, die Umsätze stärker als die Kosten zu steigern. Denn der Sondereffekt hat bei den meisten Apotheken vorteilhaft auf das Betriebsergebnis gewirkt.

Foto: DAZ/tmb

Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, präsentierte Streuungsmaße zu den Betriebsergebnissen der Apotheken.

Große Streuung der Betriebsergebnisse

Gemäß den Daten von Diener ist der einmalige Sondereffekt bei den meisten Apotheken für 30 bis 70 Prozent des Betriebsergebnisses verantwortlich. Die Unterschiede sind enorm. Dabei bestehe eine Tendenz zu einem größeren Anteil des Corona-Effektes am Betriebsergebnis bei Apotheken mit geringeren Umsätzen. Kleinere Apotheken haben also mehr profitiert. Bei ihnen wird der Absturz umso tiefer sein, wenn die Einmaleffekte wegfallen.

Dabei ist die große Streuung der Betriebsergebnisse zu bedenken. Diener präsentierte die Verteilung der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern auf Umsatzrenditeklassen. Demnach haben im vorigen Jahr 16,4 Prozent der Apotheken im Land ein Betriebsergebnis unter vier Prozent des Nettoumsatzes erzielt. Solche Apotheken haben „kein Wasser unter dem Kiel“, sagte Diener. Sie seien bei ungünstigen Veränderungen wirtschaftlich gefährdet. Das betreffe jede sechste Apotheke in Mecklenburg-Vorpommern. 47,4 Prozent der Apotheken im Land hätten ein Betriebsergebnis zwischen vier und acht Prozent vom Nettoumsatz erwirtschaftet. 36,2 Prozent hätten eine Umsatzrendite von über acht Prozent erreicht und seien damit stabil aufgestellt. Allerdings gilt diese Zahl für das Ausnahmejahr 2021.

Mecklenburg-Vorpommern: 14 Prozent mit Umsatzminus

Die Sonderumsätze sind nicht bei allen Apotheken angekommen. Obwohl die Durchschnittsumsätze seit Jahren steigen, hatten 2019 nach Angaben von Diener 17 Prozent der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern einen Umsatzrückgang, 2020 waren es 13 Prozent und 2021 immerhin 14 Prozent. Dies macht die großen Unterschiede zwischen den Apotheken deutlich, betonte Diener. Dies zeigt sich auch anhand der Schließungen, die sich trotz der Sondereffekte fortgesetzt haben. Im Jahr 2020 sank die Apothekenzahl bundesweit um 1,7 Prozent und 2021 um 1,6 Prozent. Nach Angaben von Diener ging die Apothekenzahl in Mecklenburg-Vorpommern 2020 um 2,2 Prozent und 2021 um 1,0 Prozent zurück.

„Hauen und Stechen“ in der Wertschöpfungskette

Außerdem berichtete Diener über die Marktverteilung der OTC-Arzneimittel. Dort habe der Versand einen Marktanteil von 25 Prozent des Umsatzes und 16 Prozent des Absatzes erreicht. Dieser Teil sei „nicht wieder einzufangen“. Daneben konstatiert Diener derzeit ein „Hauen und Stechen in der Wertschöpfungskette“. Gemeint sind neue Gebühren und veränderte Konditionen des Großhandels, die die Apotheken nur schlecht abfedern könnten. Zudem habe die Pandemie die Versorgung verändert. Die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte habe sich 2021 gegenüber 2019 verdoppelt, auch durch die Impfungen. Zugleich habe sich die zuvor unbedeutende Telemedizin als neue Kontaktform etabliert.

E-Rezept: Neue Aufgaben „mit Ansage“

Beim Blick auf die Pläne der Politik ging Diener auf die drohende doppelte Belastung durch einen erhöhten Kassenabschlag und den zusätzlichen Effekt beim Kassenabschlag bei sinkender Mehrwertsteuer ein. Doch wegen der Haushaltsentwicklung erwartet Diener eher nicht, dass der Finanzminister einer Mehrwertsteuersenkung zustimmt. Diener sieht aufgrund politischer Entwicklungen insbesondere Folgen bei der Digitalisierung. Diese greife in die Arbeitsabläufe der Heilberufe ein. „Wer sich nicht darum kümmert, macht was falsch“, mahnte Diener. Die Apotheken sollten die Abläufe mit dem E-Rezept organisieren, in ihrem Qualitätsmanagement beschreiben und trainieren. Dazu biete sich die Kooperation mit einem Arzt an, auch wenn es nur um ein paar Rezepte gehe. Außerdem sollten die Ausstattung und der Marktauftritt hinterfragt werden. Zu dieser Pflicht komme die Kür. Ähnlich wie bei der Ausstellung von Impfzertifikaten biete sich ein eigener HV-Platz an, um die Kunden über den Umgang mit dem E-Rezept zu informieren. Anders als bei den Zertifikaten finde diese Neuerung „mit Ansage“ statt. Die Apotheken sollten die Zeit nutzen und sich darauf vorbereiten, riet Diener.

Die neuen technischen Möglichkeiten würden zu neuen Kundentypen mit neuen Verhaltensweisen führen, die andere Arbeitsabläufe auslösen, beispielsweise Botendienste oder „click and collect“. Die Apotheker sollten auch die Kunden mit neuen Verhaltensweisen „lieb haben“, riet Diener. Denn sonst würden sie zu anderen Apotheken abwandern, bei denen sie willkommen sind. Beispielsweise ­sollte auch geplant werden, wie die Apotheke auf E-Rezepte reagiert, die außerhalb der Öffnungszeiten übermittelt werden. „Wenn sich Kundenverhalten ändert, sind Sie als Unternehmer gefordert“, erklärte Diener. (Zu weiteren Inhalten der Veranstaltung siehe Seite 64). |

 

Wo sind die Streuungsmaße?

Eine Randnotiz

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

Seit Jahren präsentiert die ABDA beim Apothekenwirtschafts­bericht eine detaillierte Umsatz­verteilung der Apotheken, aber durchschnittliche Betriebsergebnisse leider ohne Streuungs­maße. Doch noch mehr als beim Umsatz kommt es gerade beim Betriebsergebnis auf die einzelnen Apotheken an. Denn von diesem Betriebsergebnis müssen die Inhaber leben, und daraus müssen sie Investitionen für die Zukunft finanzieren. Das ist zumindest ein sehr wichtiger Aspekt für die Frage, ob eine Apotheke eine Zukunftsperspektive hat oder ob die Schließung droht. Darum ist die Zahl der Apotheken in einer kritischen Lage für die Zukunft der flächendeckenden Versorgung relevanter als ein Durchschnittsgewinn. In Mecklenburg-Vorpommern hat jede sechste Apotheke weniger als vier Prozent vom Umsatz als Betriebsergebnis erwirtschaftet. Diese Apotheken gelten als gefährdet – und das im Ausnahmejahr 2021 mit vielen Sonder­effekten. Eine solche Zahl hat im Wirtschaftsbericht über die bundesweite Entwicklung gefehlt. Ein Durchschnitt allein ist zu grob. Denn auch Versorgungs­sicherheit ist nicht am Durchschnitt zu messen.

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