Die Seite 3

Erst rechnen, dann fordern

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Alle sprechen über die Inflation. Doch was sie wirklich bedeutet, können nur diejenigen erkennen, die nachrechnen. Dann zeigt sich: Die Forderung nach ­einem Inflationsausgleich ist für die Apotheken so dringend wie nie zuvor. Doch die Apothekerorganisationen sind bisher zumindest öffentlich nicht mit einer Rechnung aufgetreten, die den Effekt der Inflation veranschaulicht. Dabei reichen wenige Zahlen, um die Größenordnung des Problems aufzuzeigen. Eine solche Rechnung finden Sie auf Seite 20. Das Resultat kann nur als entsetzlich bezeichnet werden. Denn das Betriebs­ergebnis einer Durchschnittsapotheke kann demnach im nächsten Jahr schlimmstenfalls auf die Größenordnung eines Apothekergehalts einschließlich Gehaltsnebenkosten sinken. Auch in den weniger schlechten Szenarien bliebe kein relevanter Unternehmerlohn. Ob es so weit kommt, wird entscheidend davon abhängen, wie sich die Inflation tatsächlich entwickelt. Das weiß niemand genau.

Ganz offensichtlich ist aber der Grund, weshalb die Apotheken an dieser Stelle so verletzlich sind. Das ist der starke Anstieg der Kosten, dem fast keine steigenden Einnahmen gegenüberstehen. Die Rechnung zeigt auch, dass der Entlastungseffekt des dreiprozentigen Aufschlags bei Rx-Arzneimitteln in Verbindung mit steigenden Rx-Umsätzen in einer viel geringeren Größenordnung als die Belastung durch steigende Kosten liegt. Erhöhte Preise für OTC-Arzneimittel wären gut, können aber nur begrenzt wirken, weil die meisten Apotheken damit nur einen kleinen Teil ihrer Umsätze erzielen. Neue Leistungen können nicht helfen, weil sie mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Das kann kein Ausgleich für steigende Kosten an anderer Stelle sein. Dies alles ist nicht neu, aber die Dimension des Problems ist neu und offenbar in der Politik noch nicht deutlich genug angekommen. Es geht hier nicht um mal wieder eine neue Belastung, wie es sie schon oft gab und bei der die meisten Apotheken es dann doch irgendwie weiter schaffen. Das wäre schon schlimm genug. Doch hier geht es darum, dass sich sogar der Betrieb einer Durchschnittsapotheke nicht mehr rechnen würde. Warum sollte jemand unternehmerisch tätig sein, ohne einen Unternehmerlohn erwarten zu können? Der wichtigste Grund wäre das Vermeiden von Verlusten, die bei einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrags anfallen würden. Doch dieser Grund hätte ein ganz festes Ablaufdatum. Darum ist jetzt der entscheidende Zeitpunkt, um eine inflationsgesicherte Honorierung einzufordern. Bessere Argumente kann es nicht mehr geben.

Beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern hat sich gerade gezeigt, dass auch Politiker den Nachholbedarf beim Apothekenhonorar anerkennen, zumindest wenn sie selbst nicht für die Erhöhung zuständig sind (siehe Seite 67). Außerdem gab es dort einen neuen Anlauf für die schon vor Jahren angedachte Strukturförderung als neue Honorarkomponente. Nun kommt diese Idee als Sicherstellungszuschlag wieder auf den Tisch. Das wäre zwar nur eine Hilfe für einzelne Apotheken in unterversorgten Regionen, aber es macht auch Mut für mehr – und das ist dringend nötig.

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