Gesundheitspolitik

Kammern zeigen sich verständig

Schließungen am Protesttag / Apotheken müssen nicht zwingend Sanktionen fürchten

jb/ks | Während die Landesapothekerverbände und Vereine wie der BVDAK offen zu Apothekenschließungen am 14. Juni auf­rufen können, müssen sich die Kammern in dieser Hinsicht bedeckt halten. Dennoch: Einige Kammern senden das Signal, dass sie Verstöße gegen die Dienstbereitschaftsvorschriften nicht ahnden werden.

Die Kammern sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Ihnen obliegt, die Einhaltung der Dienstbereitschaft zu organisieren und zu überwachen. Deswegen können sie, auch wenn ihre Vertreter die Aktion persönlich gutheißen, nicht dazu aufrufen, am 14. Juni die Apotheken geschlossen zu halten. Einige Kammern sichern ihren Mitgliedern allerdings mehr oder weniger durch die Hintertür zu, dass ihnen keine Sanktionen drohen, wenn sie am bundesweiten Protesttag zusperren – vorausgesetzt, sie haben keinen Notdienst!

Grundrechtsabwägung

Juristisch sieht man sich durch das Grundgesetz geschützt. So verwies die Kammer Hessen schon Mitte Mai darauf, dass bei der Prüfung, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, auch eine Grundrechtsabwägung stattfinde. Hauptgeschäftsführer Ulrich Laut erklärte: „Wenn Grund für die (nicht genehmigte) Schließung die Teilnahme an abgestimmten, zeit- und inhaltsgleichen Protesten ist, die an verschiedenen Orten, nämlich den Betriebsstätten, stattfinden, liegt die gemeinsame, wenn auch dezentrale Kundgabe eines gemeinsamen Willens vor, also eine dezentrale Demonstration. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich beim Demonstrationsrecht (Art. 8 GG) um eines der zentralen Grundrechte einer Demokratie. Dieses Grundrecht wird eingeschränkt durch die Grundrechte Dritter, sofern diese von überragender Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen. Damit muss die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch während der Demonstration ausreichend, nicht aber bequem gewährleistet sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts während des Notdienstes der Fall.“

Auch die Kammer in Mecklenburg-Vorpommern beruft sich auf diese Grundrechtsabwägung. Sie informierte per Rundbrief, dass sie das Recht der Bürger auf gesundheit­liche Versorgung gewahrt sieht, „wenn diese während der Protestmaßnahmen durch die zur Notdienstbereitschaft eingeteilten Apotheken sichergestellt wird“. Eine vergleichbare Rechtsauffassung hat auch die Kammer Berlin (siehe DAZ 2023, Nr. 22, S. 9).

In NRW hakten die Kammern sogar beim Gesundheitsministerium (MAGS) nach, wie man dort die Schließungen sieht. Eine Sprecherin erklärte auf AZ-Nachfrage, dass „nach Aussage der Apothekerkammern auch am 14.06.2023 die Dienstbereitschaftsregelungen weiter aufrechterhalten“ werden. Vor diesem Hintergrund erwarte das MAGS, „dass die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung über den Apothekennotdienst zu jedem Zeitpunkt sichergestellt ist“. Es verweist auch darauf, dass in NRW die Amtsapotheker bei Verstößen die nötigen Anordnungen treffen. Es liege im Ermessen der zuständigen Behörde, ob schriftliche oder auch mündliche Anordnungen notwendig sind, Ordnungswidrigkeiten verfolgt und Bußgelder festgesetzt werden. „Vor dem Hintergrund des mit dem Versorgungsauftrags konkurrierenden grundgesetzlich verankerten Demonstrationsrechts geht das Ministerium jedoch nach einem Austausch mit den Amts­apotheker:innen davon aus, dass die Behörden im Rahmen der Überwachung verantwortungsvoll und mit Augenmaß verfahren werden“. |

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