DAZ aktuell

Von der Demonstrationsfreiheit gedeckt

Sind Apothekenschließungen ein rechtlich zulässiges Protestmittel?

ks | Der Protesttag am 14. Juni rückt näher. Die ABDA ermuntert die Apotheken, sich an den Protesten gegen die jüngsten politischen Entscheidungen zu ihren Lasten zu beteiligen. Auch Apothekenschließungen sind aus ABDA-Sicht bekanntlich eine Option. Noch scheinen nicht alle Apothekenleiterinnen und -leiter davon überzeugt. Doch bei der ABDA geht man davon aus, dass auch diese Form des Protests vom Grundrecht auf Demonstrations­freiheit gedeckt ist.

Nachdem die ABDA den Protesttag ausgerufen hat, haben verschiedene Landesapothekerverbände ihre Mitglieder ebenfalls aufgerufen, die Apotheken an diesem Tag geschlossen zu halten. Andere setzen vornehmlich auf Demonstrationen. In Berlin soll es eine Demo im Regierungsviertel geben – aber auch Schließungen werden unterstützt. Vor allem geht es darum, Wege zu finden, die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die Politik auf die Situation der Apotheken hinzuweisen. Auch andere Apothekenorganisationen abseits der offiziellen Standesvertretung unterstützen den Aufruf zum Protest (siehe auch AZ Nr. 22, 2023, S. 1 und 2).

Doch die angekündigten Proteste werfen eine Vielzahl von Fragen auf – organisatorischer wie auch rechtlicher Art. Eine der drängenden Fragen für viele ist: Darf ich am Protesttag meine Apotheke überhaupt schließen?

So wollen DAZ-Leserinnen und -Leser protestieren

Weite Teile der Apothekerschaft sind bereit zum Protest. Das zeigen die Ergebnisse unserer DAZ.online-Umfrage, an der sich vergangene Woche 1543 DAZ-Leserinnen und -Leser (davon 68,5 Prozent Inhaberinnen bzw. Inhaber) beteiligt haben. Demnach wollen sich 76,15 Prozent in irgendeiner Form am Protesttag beteiligen, 6,87 Prozent wollen das nicht, der Rest ist noch unentschlossen. Als häufigster Grund, sich gar nicht zu beteiligen, wurde Notdienst an diesem Tag genannt.

71,5 Prozent von denen, die sich am Protesttag beteiligen, wollen ihre Apotheke auch wirklich nicht aufsperren. Das ist etwas mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden (52,75 Prozent). 13,47 Prozent wollen zwar öffnen, aber mit sichtbaren Einschränkungen, wie Klappendienst oder Ähnlichem. 8,8 Prozent erklären, noch unentschlossen zu sein, ob sie ihre Apotheke geschlossen lassen oder nicht. Für 4,58 Prozent kommt eine Schließung nicht infrage, weil sie Notdienst haben, sie wollen sich aber anderweitig beteiligen. Nur 1,5 Prozent wollen Normalbetrieb fahren, aber informieren und Flyer verteilen.

Apothekenrecht auf der einen Seite, ...

Die Apothekerkammer Berlin hat dazu in ihrem Newsletter vom 26. Mai einige rechtliche Hinweise gegeben. Sie weist darauf hin, dass der staatliche Versorgungsauftrag gemäß § 1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) und die Dienst­bereitschaftspflicht gemäß § 23 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) einer Schließung der Apotheke grundsätzlich entgegenstehen.

Auf der ganz sicheren Seite sieht die Kammer die Apotheken hingegen bei anderen Protestaktionen, die neben dem Apothekenbetrieb laufen. „Hier sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt“, heißt es im Newsletter.

... Grundrecht auf Demonstra­tionsfreiheit auf der anderen

Aber auch die komplette Schließung hält man hier nach rechtlicher Einschätzung als Ausübung des im Grundgesetz verankerten Demonstrationsrechts für möglich. Weiter heißt es dazu: „Die interne (auch von der ABDA bestätigte) Prüfung lässt die eintägige Schließung am bundesweiten Protesttag, dem 14.6.2023 auch als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Ausübung dieses Grundrechts erscheinen. Die Kammer würde den also grundsätzlich gegebenen Verstoß unter Bezugnahme auf diese Einschätzung nach aktuellem Stand nicht sanktionieren.“

Notdienst muss gesichert sein

Die Kammer Berlin stellt aber auch nochmals nachdrücklich klar, dass die pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung und damit der Notdienst gewährleistet werden muss. Die am 14. Juni für den Notdienst eingeteilten Apotheken dürfen also nicht für die Teilnahme an den Protesten schließen.

Schließung genehmigen lassen?

Die Kammer geht überdies auf die Frage ein, ob eine Schließgenehmigung beantragt werden muss – schließlich müssen sich Apotheken unter normalen Umständen von ihrer Dienstbereitschaft befreien lassen. „Wir als Kammer können und dürfen hierzu keine rechtsverbindliche Auskunft erteilen“, betont der Newsletter dazu. Dennoch hat die Apothekerkammer eine Einschätzung: Eine Schließgenehmigung für die Teil­nahme an einer Protest­aktion würde sehr wahrscheinlich nicht erteilt werden. Allerdings sei es wahrscheinlich, dass die „behördlichen Partner“ bei „ent­sprechender Kenntnisnahme von ungenehmigten Schließungen im Rahmen des Protesttages zur Ausübung des Demonstrationsrechts“ zu einer ähnlichen rechtlichen Einschätzung wie die Kammer kommen – und die ungenehmigte Schließung in diesem konkreten Fall nicht sanktionieren.

Keine bundesweiten Aussagen möglich

Damit ist die ABDA-Linie deutlich gemacht. Sie setzt auf das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit. Ob allerdings die Aufsicht in allen Regionen still halten wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. So war aus NRW zu hören, dass Amtsapotheker schon über Geldstrafen für geschlossene Apotheken nachdenken. Hier wollten Apothekenvertreter vergangene Woche in einem Gespräch noch die Haltung im Landesgesundheitsministerium erkunden. Eine Anfrage hierzu beim Ministerium konnte bis zum Redaktionsschluss dieser DAZ nicht beantwortet werden. |

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