Wirtschaft

Bei Neugründungen Versicherungen nicht vernachlässigen

Diesen Schutz benötigen Apotheken zum Start

Wer eine neue Apotheke eröffnet, steht inmitten einer der wichtigsten Lebensaufgaben. Von der Standortsuche und den Finanzierungsverhandlungen bis zur Personalakquise und Großhandelsvereinbarungen reicht das Spektrum der Hauptaufgaben, die abzuarbeiten sind – plus unendlich viele kleine, die aber auch erledigt sein wollen. Wer das durchlebt hat, weiß, dass überall Herausfor­derungen lauern, die das Gründungsprojekt komplexer machen. Eine Sache, die aber auf keinen Fall zu kurz kommen sollte, sind Versicherungen.
Foto: gopixa/AdobeStock

Angesichts der Unzahl dringender Aufgaben ist der Abschluss einer Apothekenversicherung in den Augen vieler Gründer eine Nebensache. Meist wird ein privat bekannter Versicherungsmensch um den Vorschlag einer Betriebshaftpflicht und Inhalts-Police gebeten, oder es findet sich online etwas. Und dann kommt ein Haken an den Spiegelstrich. Doch das kann ins Auge gehen, wenn die Kosten eines plötzlich doch nicht gedeckten Schadens in den meist finan­ziell engen Nachgründungsjahren die Planung durchkreuzen. Sollte dafür sogar ein neuer Kredit benötigt werden, reagieren Banken oft recht zugeknöpft, denn sie vergeben ungern Kredite an Unternehmer ohne aktuelles Einkommen.

Unverzichtbar: die Betriebshaftpflichtversicherung

Eine Betriebshaftpflichtversicherung (BHV) ist ohnehin Pflicht. Zudem verlangen Banken hinreichende Liquiditätsabsicherung des Gründers. Und schlussendlich wäre das persönliche Risiko viel zu groß. Risikobedingt brauchen Apotheken nicht nur mehr Ver­sicherungssumme als Standard-Tarife bieten, sondern es muss auch das höhere Umwelt- und Feuerrisiko versichert sein. Denn wenn Apotheken brennen, wird immer erst mal ein Umweltschaden unterstellt und deswegen der Schadenort weiträumig gesperrt, was wiederum schnell horrende Forderungen auslösen kann. Deshalb sind Haftpflichten unter 10 Millionen Euro Schadensumme selten apothekengerecht.

Betriebsunterbrechungen dauern oft länger als in anderen Branchen

Ein weiterer existenzieller Schutz ist die Betriebsunterbrechungs­versicherung. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass es sich nicht um eine sogenannte „Klein BU“ handelt. Bei diesem Konzept werden der Schutz des Apothekenwerts und der Schutz vor den Kosten einer Betriebsunterbrechung von einer Versicherungssumme abgedeckt. Das ist zwar die preisgünstigere Lösung, doch bei Apotheken dauern Betriebs­unterbrechungen aufgrund strenger Vorschriften und Wieder­eröffnungsrevisionen grundsätzlich länger als in fast allen anderen Branchen, weshalb die zur Verfügung stehende BU-Summe dann oft nicht ausreicht.

Bei Inhaltsversicherung nicht aufs falsche Pferd setzen

Die noch komplexere, aber un­verzichtbare Versicherung ist die Inhalts- oder Werteversicherung. Sie sollte absolut alle Werte um­fassen, die der Gründer in die Apotheke einbringt. Gründern wird meist eine dieser drei Optionen angeboten:

1. Handels- oder Unternehmer-Policen. Die sind meist die günstigste Lösung, bieten aber fast nie rechtsverbindlichen Schutz für apothekenspezifische Risiken. Für einen umfassenden Schutz müssten Sondereinschlüsse für Apothekentechnik, Kommissionierer, Automatiktüren, mobile Elektronik, Kühlgut oder gemietete Warenwirtschaftstechnik erfolgen. Doch das wird leider viel zu häufig vergessen.

2. Ärzte- oder Heilberufe-Tarife. Diese sind auf die höheren Fachärzte-Risiken abgestellt, während Apotheken-Risiken nur rudimentär erwähnt werden. Es besteht also nur ein konkludenter Ver­sicherungsschutz, aber Apotheken zahlen für die höheren Arzt-Risiken mit.

Zwar können auch solche Policen apothekengerecht angepasst werden. Doch wer verhandelt das schon mit einem Versicherer? Und kaum ein Versicherungsberater erkennt diese Lücken und macht sich die Mühe. Deshalb sollten Gründer nach apothekenspezifischen Tarifen fragen.

3. Spezial-Tarife, in denen die apothekenspezifischen Risiken expressis verbis aufgeführt sind, bieten viel mehr Rechtssicherheit. Zudem sind sie in aller Regel nicht teurer als apothekengerecht angepasste Heilberufe-Versicherungen.

Beim Rechtsschutz müssen Gründer frühzeitig handeln, sonst gibt es keinen

Wo die Haftpflicht nicht greift, muss es der Rechtsschutz richten. Diese Policen kommen für Streitkosten auf, die innerhalb des versicherten Zeitraumes durch Ansprüche Fremder oder eigenen rechtlichen Klärungs­bedarf auftreten. Der Rechtsschutz kommt in versicherten Fällen für die notwendigen Anwalts-, Gutachter und Gerichtskosten auf. Posten, die im Streitfall eine enorme Belastung sein können, insbesondere bei Neugründungen.

Für Gründer liegt die größte Gefahr in dem Satzteil „innerhalb des versicherten Zeitraumes“. Denn der ist bei Rechtsschutz-Policen trügerisch und für Laien voller Fallstricke. Deshalb sollte man hier allergrößte Vorsicht walten lassen. Nicht alle Rechts­gebiete sind grundsätzlich versichert. Die für Gründer so wich­tigen Module Mietrecht und Firmenvertragsrechtsschutz sind oft gesondert einzuschließen – was bei der Vielzahl gründungs­relevanter Verträge ein Muss ist.

Achtung: Das Datum entscheidet! Gerade für diese beiden wichtigen Vertragsbausteine gelten besondere Wartezeiten, meist drei Monate. Wenn also der Rechtsschutz zu spät abgeschlossen wird, hat er für die Gründungsverträge keine Gültigkeit. Dafür müsste er bereits drei Monate vor der ersten Vertragsunterzeichnung existiert haben. Denn Stichtag für alle späteren Rechtsschutzansprüche ist immer das Datum der Vertrags­unterzeichnung und nicht – wie Laien oft annehmen – der Tag des Streitbeginns.

Ein weiterer für Apotheken wichtiger Baustein ist der Spezial-Strafrechtsschutz. Denn nur der ermöglicht sofortige Kostenübernahme bei Vorwürfen wie Körperverletzung oder Abrechnungsbetrug. Und da Strafverfahren im Apo­thekenbereich fast immer enorm teuer sind, ist der Einschluss dieses Rechtsschutz-Deckungs­elements sehr anzuraten.

Haftungsschutz für Apotheker im Ruhestand

Für Ärzte ist Nachhaftung ein Pflichtthema, denn sie haften für ihre Tätigkeit 30 Jahre lang. Weniger bekannt ist, dass diese Haftungszeit auch für Apotheker gilt. Und niemand will doch im Ruhestand einen Haftungsfall auf eigene Rechnung durchziehen müssen.

Denn möglicherweise ist da gar nichts geregelt, oder der Nachfolger kann einen vorhandenen Schutz zunichtemachen, indem er den Versicherer wechselt. Oder der Schutz beschränkt sich nur auf Europa. Zudem ist er fast immer zu kurz bemessen.

Mir jedenfalls ist in über 20 Jahren Apotheken-Sicherheitsberatung noch kein älterer Inhaber unter­gekommen, der seinen konkreten Nachhaftungsschutz genau kannte. Deshalb ist eine Überprüfung deutlich vor einer geplanten Abgabe oder Schließung angeraten. Auch deshalb, weil der Mangel dann am einfachsten zu beheben ist. Lassen Sie also einen Experten kommen, der das für sie überprüft. So können Sie völlig entspannt Ihr Leben „nach der Offizin“ in Angriff nehmen.

Cyber-Schutz nur mit Service-Leistungen

Datenschutz und Digitalisierung lassen Cyber-Schutz spätestens mit steigenden E-Rezept-Anteilen zu einer neuen Quasi-Pflichtabsicherung werden. Denn ähnlich wie bei einem Hausbrand können Apotheken weder Eintritt noch Intensität einer Datenrechtsver­letzung vorhersehen, noch sich wirksam dagegen schützen. Tritt diese aber ein, ist die Apotheke oft sofort abgabeunfähig.

Die Diskussion, ob so etwas häufig passiert ist – ebenfalls analog zum brennenden Haus – ist eigentlich müßig. Denn wen es trifft, der ist von jetzt auf gleich in existenziellen Nöten und braucht eigentlich nun eine Feuerwehr, die löscht und rettet. Und genau darauf kommt es bei apothekengerechtem Cyber-Schutz an. Er muss die „Feuerwehr“ in Persona eines Datenrechtsanwalts wie eines IT-Forensikers per Hotline mitliefern. Denn ohne diese professionellen Helfer können Apotheken die 72-Stunden-Frist der DSGVO niemals einhalten. Liegt eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten vor, muss die verantwortliche Stelle gemäß Art. 33 der DSGVO nämlich unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden nach Bekanntwerden der Verletzung eine Meldung an die Aufsichtsbehörden abgeben. Es droht also zum Datenleck obendrein noch eine Pflichtabgabe an die Staatsanwaltschaft. Policen, die lediglich die Kosten dieser Experten versichern, statt eine funk­tionierende „Feuerwache“ zu unterhalten, reichen in Apo­theken also nicht.

Auch individuelle Risiko­exposition ist zu prüfen

Hinzu kommen individuelle Besonderheiten jeder neuen Apotheke: Auf eigenem Grund und Boden sollten Umweltschäden mitversichert sein, in Gewässernähe das Überschwemmungsrisiko. In Centern oder Flughäfen muss die Feuerhaftung auf den Prüfstand, bei viel Heimbelieferung die Transportversicherung. Mit Kinderarzt oder Onkologie über der Apotheke gehört das Kühlgut unter die Lupe, bei Onlinehandel der Versand. Bei Reinräumen sollte eine „Ventillösung“ geschaffen werden plus insgesamt ein apothekengerechter Einbruchschutz. All das sollte ein Experte im Rahmen einer Sicherheitsbegehung für Sie überprüfen und dokumentieren. |

Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apo­thekenschutz beim BVSV, E-Mail: berlin@die-Apothekerhelfer.de

Weniger apothekengerechte Lösungen sicher erkennen

Auf diese drei Schnell-Erkenn-Kriterien sollten Sie bei der Ab­sicherung von Apothekenwerten unbedingt achten:

  • Handelt es ich um ein modulares System, bei dem Sie selbst entscheiden sollen, was Sie absichern wollen und was nicht? Das wäre analog zu „Kunde schreibt Apotheker die Medikation vor“ und kann nicht gut gehen!
  • Was gilt für das „Sachverständigenverfahren“, falls ein Votum von Pharmazierat, Amtsapotheker oder Gesundheitsbehörde vorliegt? (vgl. AZ 2023, Nr. 5, S. 5)
  • Falls die Versicherungssumme ausschließlich auf Ihrer Meldung beruht, riskieren Sie durch deutlich schwankende Lagerwerte mög­licherweise den vollen Ersatz­anspruch – allein schon durch Impfstofflieferung, Hämophilieprodukte oder einen neuen Heimbelieferungsvertrag plus alles, was ab Öffnung an Werten hinzukommt. Die sog. „Unterversicherungs­klausel“ ist also für Apotheken zu vermeiden.

Wer es rechtzeitig vor der Gründung gründlich angehen möchte, sollte den DAV-Ratgeber „Versicherungen für Apotheken“ nutzen, denn dieser stellt die entscheidenden Kriterien und Checklisten für apothekengerechte Absicherung kurz und übersichtlich vor.
 

Von Michael Jeinsen / Heiko Beckert
Versicherungen für Apotheken
Richtig absichern – Fehler vermeiden
2021, XIV, 194 S., 9 farb. Abb., 3 s/w Tab., 
17,0 × 24,0 cm, kartoniert
Deutscher Apotheker Verlag
ISBN 978-3-7692-7629-9

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