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Wirtschaft

Extremwetter meets marode Infrastruktur

Wie der Klimawandel immer mehr Apotheken betrifft

Unter Unwettern, die vom Klima­wandel spürbar verstärkt werden, leiden immer mehr Apotheken. Liegen sie doch praktisch immer im Parterre mit Keller oder Souterrain. Also exakt da, wohin es Wassermassen zieht. Das hat gerade wieder das Unwetter „Lambert“ am 23. Juni gezeigt. Ein Bericht über ein mittlerweile fast schon alltägliches Unwetter, das über Deutschland hinweg zog, und welche Konsequenzen Apotheken ziehen sollten.

In Braunschweig fluteten Wassermassen den Reinraum einer Apotheke, die von einem Kollegen betreut wird. Den Weg für das Wasser machten marode Ableitungen im Gebäude frei. Ein Albtraum für alle Inhaber, die sich auf die Zusammenarbeit mit onkologischen Praxen spezialisiert haben: Denn von verlässlichen Lieferungen hängen Menschenleben ab. Im konkreten Fall hat die Inhaberin sofort reagiert und professionelle Experten gerufen, die die Räume trocknen.

Ungefähr eine Stunde später hat das Unwetter Berlin erreicht. Mein Notfall-Telefon klingelt: Eine Steglitzer Center-Apotheke, die seit Jahren mit Wasserschäden zu kämpfen hat, steht wieder mal knöcheltief im Regenwasser. Und das obwohl das Center vor nicht allzu langer Zeit grundrenoviert wurde. Das Leitungssystem, mit dem eigentlich das Centerdach entwässert werden soll, war dem Wasserdruck nicht gewachsen. Immerhin ist die Centerverwaltung mittlerweile so routiniert, dass sie unverzüglich Fachkräfte zum Abpumpen und Trocknen herbeiruft.

Praktisch zur gleichen Zeit ein Alarmruf von einer Apotheke am anderen Ende Berlins: In einem Marzahner Einkaufszentrum hat ein marodes Dachentwässerungsrohr dem Starkregenguss nicht standgehalten. Die Leitung platzte Unglücklicherweise direkt über dem Blisterraum der Apotheke sowie dem Warenlager nebenan auf. Das aufgerissene Rohr besprenkelt Medikamentenpackungen wie auch zur Auslieferung bereite Blister zur Versorgung von 360 Betten. Geistesgegenwärtig, so berichtet der Inhaber, hätten seine Mitarbeiter den Medikamentenkühlschrank vom Netz genommen und trockene Regale geleert. Aber der Rest sei wohl verloren.

Hier geht es also um die Rettung eines Blisterraums. Dessen Flutung ist beinahe so schlimm wie ein „abgesoffener“ Reinraum. Also leite ich die Hygienesanierer, die mit mir kooperieren und die eigentlich nach Steglitz unterwegs sind, in den Berliner Osten um. Das der Länge nach geborstene Rohr hat Vorrang. Es muss pro­visorisch abgedichtet und die Wasserreste, die die Mitarbeiter nicht abschöpfen konnten, abgesaugt werden.

Alle drei Fälle sind Horrorszena­rien für Apothekeninhaber, wie sie seit Jahren immer häufiger auftreten, weil gerade Center in die Jahre kommen. Eine latent steigende Gefahr für alle Mieter besonders im Erdgeschoss – also auch Apotheken. Denn ein schöner Anstrich, attraktive Flanierflächen oder eine neue Innenbeschallung sind Betreibern oft wichtiger als der rechtzeitige Austausch maroder Leitungen. Diese Fälle sind ­übrigens symptomatisch für eine signifikante Schadenshäufung in jüngster Zeit.

Elementarschäden ernster nehmen

Für Versicherte heißt das: Elementarschäden nehmen zu. Sie sollten deshalb, wo immer möglich, mitversichert sein. Denn es braucht nicht unbedingt eine „Ahrflut“, die vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz 15 und in Nordrhein-West­falen rund 50 Apotheken verwüstet hat. Viel öfter sind es lokal begrenzte Starkregen-Ereignisse, die Gebäudeleitungen oder die kommunale Infrastruktur über­lasten und immer öfter neben anderen auch Apotheken treffen.

Apotheken, oft mit nie wirklich dichten Automatiktüren ausgestattet, sind Regenwasserfluten auf der Straße oder aus einem Bachbett schwappendem Hochwasser meist nahezu schutzlos ausgeliefert. In einem mir bekannten Fall aus dem Großraum Leipzig, hat eine Apothekeninhaberin ihre Automatiktür kurzerhand mit Windeln vor der ansteigenden Wasserflut abgedichtet. Mit Erfolg. Die Offizin blieb weitestgehend verschont. Und später hat der Versicherer sogar die Kosten für die unorthodox genutzten Windeln übernommen. Schließlich hat die Inhaberin durch ihr beherztes Eingreifen einen größeren Schaden verhindert.

Zonierungssystem klassi­fiziert Unwettergefahren

Was sollten Apotheker jetzt tun? Als erstes sollten sich Inhaber informieren, welcher ZÜRS-Gefährdungsklasse ihre Apotheke zugeordnet ist. Das Kürzel steht für „Zonierungssystem Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“ und das System ist in vier Stark­regengefährdungsklassen (SGK) unterteilt: 1 bedeutet kaum Wassergefahren, 4 umfasst Regionen wie Hallig Hooge, weite Bereiche des Ahrtals oder die Stelzenhäuser im Bodensee – alle nicht gegen Elementarschäden versicherbar.

In der Gefährdungsklasse 2 finden sich Gebäude, die in der Ebene oder im unteren bis mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Bachs liegen. Die Starkregengefährdungsklasse 3 fasst Gebäude zusammen, die im Tal oder in der Nähe eines Bachs liegen. Bis SGK 3 sind Apotheken gegen die vom Klimawandel verstärkten Gefahren mitversicherbar.

Wer seine Apotheke jedoch in der Starkregengefährdungsklasse 4 betreibt, bekommt zwar keinen Versicherungsschutz, kann aber dennoch einiges zur Schaden­abwehr tun. Betroffene sollten sich zunächst an die Freiwillige Feuerwehr vor Ort wenden, die kann meist wertvolle Tipps geben. Dazu sollten einige Sandsäcke oder Hochwasserschotts für Türen und Lichtschächte organisiert werden – die können größere Schäden und lange Apothekenschließungen abwenden.

Grundsätzlich sind laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) die Chancen sehr gut, in der SGK 1 oder 2 zu landen. Von den erfassten 22,2 Millionen Adressen in Deutschland befinden sich fünf Millionen (22,5%) in der SGK 1 und 14,5 Millionen (65,7%) in der SGK 2. Diese sind unproblematisch zu versichern. Dazu kommen noch 2,6 Millionen (11,8%) in der dritten Klasse. In der nicht versicherbaren vierten Stufe be­finden sich aktuell rund 100.000 Lagen. Allerdings ist davon aus­zugehen, dass die Zahl nicht mehr versicherbarer Apotheken steigen wird, weil das Risiko in immer mehr Regionen steigt. Die engen Täler an Ahr, Mosel und Saar sowie Bereiche der Elbhochwasser sind schon eingruppiert.

Das Muster bei zunehmenden Risiken ist immer dasselbe: Erst steigen die Versicherungsbeiträge, dann folgt die Ausweitung unversicherbarer Standorte. Deshalb sollte, wer bisher noch nicht gegen Elementarschäden abgesichert ist, jetzt eine Versicherung abschließen. Noch sind die Beiträge niedrig und die Ausschlüsse überschaubar.

Sicherheitsbegehungen können Risiko eines Wasserschadens identifizieren

Prophylaxe ist der Preis, den Inhaber für § 4 Absatz 2a Satz 1 ApBetrO, demzufolge eine Apo­theke „barrierefrei erreichbar sein“ soll, bezahlen müssen. Wer sich umfassend beraten lassen will, sollte eine Sicherheitsbegehung seiner Apotheke(n) mit einem besonderen Augenmerk auf das Risiko von Wasser- und Elementarschäden veranlassen.

Für solche Sicherheitsbegehungen bieten sich spezialisierte Experten wie etwa die Deutsche Gütegemeinschaft ImmobilienSchaden­Service, die Dachorganisation der Schadensanierer im Bereich Gebäude & Wohnen an. Die Mitglieder des Netzwerkes – bundesweit rund 150 – haben sich unter dem Label „SchadenDienst24“ auf hochwer­tige und zertifizierte Sanierungen nach Wasserschäden spezialisiert. Da für Apotheken diese Schäden so gut wie immer mit einem Hygienerisiko einhergehen, sind zertifizierte Sanierer die beste Wahl, um nach einem Wassereinbruch schnell wieder eröffnen zu können oder gar ein Entzug der Betriebserlaubnis abzuwenden.

Weiterhin sollten Apothekeninhaber im Mietverhältnis Vermieter oder Hausverwaltungen auf Alter und Qualität der wasserleitenden Systeme ansprechen. Besondere Risiken stellen unter anderem alle Knicke in Leitungen, Ventile und Verbindungsstücke dar. Sollte sich herausstellen, dass die Leitungen im Gebäude sehr alt sind, sollten Inhaber auf eine fachliche Prüfung dringen. Die ApBetrO sowie die Hygienevorschriften für Apotheken liefern beste Argumente.

Wasserschäden können aber auch von unerwarteter Stelle verursacht werden: So erhöhen Zahnarztpraxen mit ihren hunderten Metern an Wasserleitungen das Risiko erheblich. Solche „Gefahrenlagen“ müsste Ihr Versicherungsberater identifizieren können, denn auch der sollte Sicherheitsbegehungen anbieten. Schließlich sind vermiedene Schäden tausendmal besser als regulierte. |

Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apo­thekenschutz beim BVSV, E-Mail: berlin@die-Apothekerhelfer.de

Literaturtipp

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Das Buch ist als Stichwort-Nachschlagewerk konzipiert. Mehr Apothekensicherheit auf im Schnitt nur vier Seiten. Es wird kurz erklärt, worauf es ankommt, plus eine einfache Checkliste, mit der Sie Ihre Absicherungslage ganz gezielt prüfen können. Fragen Sie dann Ihren Versicherungsberater dazu. Sollten Sie danach Zweifel irgendwelcher Art haben, gehen Sie den Dingen auf den Grund. Denn die Policen entscheiden im Schadenfall womöglich über Ihre berufliche Existenz.

Von Michael Jeinsen / Heiko Beckert
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Deutscher Apotheker Verlag

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