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Die Seite 3
Bürokratischer Irrsinn
Es ist schon erschütternd, wie ein einst stolzes Land, das sich zu Recht die Apotheke der Welt nennen durfte, zielsicher von den politisch Verantwortlichen derart abgewirtschaftet wurde, dass es nun seine Bevölkerung nur noch mit Mühen mit wichtigen und überlebenswichtigen Medikamenten versorgen kann. Seit Jahren sind die – zugegeben ausgesprochen vielfältigen – Gründe für die immer schlechter werdende Versorgung bekannt. Gewarnt wurde früh genug. Doch statt sich auf die Ursachenbekämpfung zu konzentrieren und nach kreativen Lösungen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung in Deutschland und Europa zu suchen, wurden die Bürokraten immer findiger darin, den Mangel zu verwalten.
Jüngstes Beispiel ist der Referentenentwurf für ein Gesetz, das die Lieferengpässe bekämpfen soll: das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfung- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG). Was hier neben der entwürdigenden Aufwandsentschädigung von 50 Cent pro Engpassbearbeitung in der Apotheke weiter zu finden ist, lässt einen nur sprach- und ratlos zurück.
Sicher, für die Honorierung eines Versorgungsengpasses in den Apotheken muss definiert werden, was ein solcher Engpass ist und wie er sich nachvollziehbar für die Abrechnung abbilden lässt. Was die Verantwortlichen im Ministerium aber dazu laut ALBVVG-Entwurf vorsehen, ist ein Paradebeispiel für bürokratischen Irrsinn, der nicht nur nicht zur Lösung beiträgt, sondern das Potenzial hat, das Chaos in den Apotheken weiter zu verschärfen.
Die Rede ist von dem Frühwarnsystem zur Erkennung drohender versorgungsrelevanter Lieferengpässe, das das BfArM entwickeln soll. Dazu soll das BfArM eine Liste mit aktuellen Lieferengpässen von versorgungsrelevanten und versorgungskritischen Wirkstoffen führen, die wiederum Grundlage für das Engpasshonorar in den Apotheken sein soll. Doch: „Eine solche Liste, wie sie der Entwurf vorsieht, gibt es nicht, kann es nicht geben und wenn es sie denn geben würde, hätte sie mit der Versorgungsrealität nichts zu tun!“, so Prof. Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel der ABDA. Denn auf der einen Seite könnten die dort gelisteten Arzneimittel noch im Großhandel und in den Apotheken vorhanden sein. Auf der anderen Seite würden dort nur verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasst, von Engpässen betroffene nicht rezeptpflichtige Präparate wie Fiebersäfte würden dort nicht erscheinen (s. S. 11). Schulz muss es wissen, denn er ist als Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker auch Mitglied des BfArM-Beirats zu Liefer- und Versorgungsengpässen nach § 52b Absatz 3b AMG.
Jetzt ist noch Zeit, die gravierenden Mängel im Referentenentwurf zu beheben. Der Druck wächst, die „letzten Kittel“ der Apothekerinnen und Apotheker sowie weiterer Heilberufler werden am 29. März 2023 von einer Delegation der IG Med persönlich im BMG überreicht werden (s. a. DAZ 2023, Nr. 9, S. 3). Das wird wohl nur ein erster Schritt sein. Zumindest die IG Med, die Freie Apothekerschaft und die ABDA-Präsidentin zeigen sich kampfbereit – Streiks nicht ausgeschlossen.
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