Arzneimittel und Therapie

Kontrollierte Krampfanfälle oder Ketamin

Bei Depression ist der NMDA-Rezeptorantagonist der Elektrokonvulsionstherapie nicht unterlegen

dab | Zwei oder mehr Therapie­versuche mit Antidepressiva müssen gescheitert sein, damit man eine Depression als behandlungsresistent bezeichnet. Infrage kommen dann zum Beispiel eine Elektrokonvulsionstherapie oder der NMDA-Rezeptor­antagonist Ketamin. Wie schneiden die beiden im Vergleich ab?

Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT)gilt als eine der effektivsten Behandlungen bei einer therapieresistenten Major Depression mit einer Erfolgsquote von etwa 50%. Bei einer EKT werden unter Narkose mithilfe von elektrischen Impulsen gezielt Krampfanfälle ausgelöst. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig geklärt, u. a. wird aber die Neurotransmission verändert. Zu den Nebenwirkungen zählen z. B. vorübergehende kognitive Störungen.

Das in der Anästhesie bedeutende Ketamin rückte in den letzten Jahren vermehrt wegen seiner antidepressiven Wirkung in den Fokus. In dem Nasenspray Spravato® wird das S-Enantiomer von Ketamin bereits eingesetzt in Kombination mit Antidepressiva bei der therapie­resis­tenten Major Depression oder kurzzeitig bei einem psychiatrischen Notfall im Rahmen einer mittelgradig bis schweren Episode einer Major Depression. In einer aktuellen randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie zur Behandlung der therapieresistenten Major Depression ohne Psychose wurde Ketamin allerdings intravenös in subanästhetischen Dosierungen verabreicht. Vergleichstherapie war die Elektrokonvulsionstherapie. Über drei Wochen erhielten 195 Teilnehmer zweimal wöchentlich intravenös 0,5 mg Ket­amin pro kg Körpergewicht über 40 Minuten und 170 Pa­tienten dreimal pro Woche eine EKT. Primärer Endpunkt war das Therapieansprechen, definiert als eine Verminderung des Quick Inventory of Depressive Symptomatology–Self-Report-Score um ≥ 50%. Dies erreichten 55,4% der Teilnehmer in der Ketamin-Gruppe versus 41,2% in der EKT-Gruppe (Differenz = 14,2; p < 0,001). Damit zeigte sich die Nichtunterlegenheit von Ket­amin gegenüber der Elektrokonvulsionstherapie bei der Behandlung der therapieresistenten Major Depression.

Zum Weiterlesen

Mehr zum Thema „Wundermittel Ketamin?“ lesen Sie im Beitrag von Apothekerin und Journalistin Rika Rausch in der DAZ 2022, Nr. 41, S.30.

Foto: agsandrew/AdobeStock

Beide Behandlungen waren mit einer Verbesserung der Lebensqualität assoziiert. Wie die Studienautoren berichten, steht ihr Ergebnis im Widerspruch zu bisherigen Studien, in denen Ketamin der EKT unterlegen war. Als Unterschiede in ihrem Studien­design nennen sie den Ausschluss von Patienten mit Psychose, eine größere Studienpopulation und einen überwiegenden Anteil an ambulanten Patienten. Weitere Studien seien nötig, um die Wirksamkeit von Ketamin versus EKT bei älteren Patienten, Patienten mit bipolarer Depression und stationären Notfallsituationen zu vergleichen. |

Literatur

Anand A et al. Ketamine versus ECT for Nonpsychotic Treatment-Resistant Major Depression. N Engl J Med 2023, doi: 10.1056/NEJMoa2302399

Kreuzer PM et al. Elektrokonvulsionstherapie, Hirnstimulationsverfahren. Springer Medizin, 25. Mai 2017

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