Die Seite 3

Noch nicht einmal ein Anfang

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Das Lieferengpassgesetz ist in Kraft getreten. Was bringt es für die Apotheken? Die Abgabeerleichterungen aus der Pandemie werden verstetigt, aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie nur bei Nichtverfügbarkeit gelten. Was die jeweilige Apotheke vorrätig hat, ist kein Kriterium mehr. Nullretaxationen sind in bestimmten Fällen unzulässig. Das ist zwar erfreulich, aber die neue Regel erscheint als Stückwerk. Sie lädt die Krankenkassen ein, neue Varianten zu suchen. Der Gesetzgeber hat sich nicht dazu durchringen können, Nullretaxationen konsequent in allen Fällen zu verbieten, in denen die Apotheke eine passende Sachleistung erbracht hat. Die Pflicht zur Präqualifizierung gilt nicht mehr für „apothekenüb­liche Hilfsmittel“, aber es bleibt noch zu regeln, welche das sind. Da müssen die Apotheken weiter abwarten. Warten ist auch beim Mini-Entgelt von 50 Cent für das Engpassmanagement nötig. Denn die Umsetzung wirft technische Fragen auf. Das alles ergibt eine sehr schwache Bilanz. Die Politik ist den Apotheken bei einigen praktischen Fragen ein Stück weit ent­gegengekommen. Wer die Ergebnisse als eingespartes oder hinzugewonnenes Geld ausdrückt und am milliardenschweren Forderungskatalog der ABDA misst, sieht aber, dass das noch nicht einmal ein Anfang für eine wirksame Stärkung der Apotheken ist.

Doch es ging um Lieferengpässe und darum, wie Apotheken damit umgehen können. Das Gesetz war nicht als Maßnahme zur Stärkung der Apotheken geplant. Wenn einzelne Stimmen aus der Politik dies zwischenzeitlich so dargestellt haben, lässt sich jetzt entgegnen: Diese Aufgabe wurde nicht erfüllt, nicht einmal angegangen. Die Stabilisierung der Apotheken bei steigenden Kosten, fehlendem Nachwuchs, überbordender Bürokratie und immer mehr Schließungen steht weiter auf der Agenda. Gerade weil die Lieferengpässe nun erst mal abgehandelt wurden, sollte jetzt Zeit für neue Themen sein, auch für die Apotheken.

Die Verabschiedung des Lieferengpassgesetzes markiert also allenfalls einen neuen Abschnitt im politischen Einsatz für die Apotheken. Das sollte auch für die interne Sicht gelten. Jetzt ist die passende Zeit, um die Forderungen nachzuschärfen. Da das Engpasshonorar mit 50 Cent vollkommen am Ziel von 21 Euro vorbeigeht, gilt das besonders für diesen Punkt. Eine Analyse auf Seite 18 zeigt, dass diese Forderung der ABDA einige Nachteile aufweist. Das 21-Euro-Honorar würde daran leiden, dass die Honorierung nicht ideal mit der Kostenverursachung verknüpft ist und sie damit Ansätze für Kritiker eröffnen könnte. In der Analyse wird als Alternative ein weiter reichender Vorschlag formuliert, der bei dieser Gelegenheit andere Baustellen der Apothekenhonorierung einbezieht, beispielsweise das Deprescribing. Jetzt sollte Zeit für solche Nachjustierungen sein. Doch zur Grundidee gibt es keine Alternative: Wenn das bewährte flächendeckende Apothekensystem erhalten bleiben soll, braucht dieses System deutlich mehr Geld. Das betrifft alle Apotheken unabhängig von ihren bisherigen Betriebsergebnissen. Denn es geht um die Gehälter für die Fachkräfte von morgen.

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