Deutscher Apothekertag 2023

Wie reagieren auf Lauterbach?

Nach den Vorschlägen des Ministers: Entsetzen, diskutieren, Resolution verabschieden

tmb | Nach der Online-Schaltung mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach rief die ABDA-Präsidentin den November als Protestmonat aus. In dieser Situation war der Kommunikationsbedarf bei den Delegierten mindestens ebenso groß wie das Entsetzen über die Ideen des Ministers. In einer facettenreichen Debatte sammelten die Berufsvertreter ihre Gedanken, die anschließend in eine Resolution eingingen.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
Nach dem Pfeifen und Protestieren bei den Worten des Gesundheitsministers wurde im Plenum über das weitere Vorgehen intensiv diskutiert.
 

Die Apothekertagsregie reagierte schnell und passend auf den Videoauftritt des Ministers. Anstelle des danach angesetzten Geschäftsberichts wurde eine Diskussion über eine Resolution auf die Tagesordnung gesetzt. Vordergründig ging es darum, eine Resolution zu verabschieden, mit der der Apothekertag auf den Minister antworten sollte. Für die Delegierten war es aber mindestens ebenso wichtig, ihre Gedanken auszutauschen und einen gemeinsamen Weg im Umgang mit dieser unerwarteten Entwicklung abzustecken.

Protestmonat November

Zunächst verkündete ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Pläne der ABDA im Rahmen der vielfach thematisierten Eskalationsstrategie. Sie rief den November als Protestmonat aus. Dazu werde Deutschland in die vier Regionen Nord, Ost, Süd und West gegliedert. Beginnend mit dem 8. November würden die Apotheken an jedem Novembermittwoch in jeweils einer dieser Regionen zur Schließung aufgerufen. Außerdem soll dann jeweils in einer Metropole der Region eine Kundgebung stattfinden. Diese Aktion soll mit einer zentralen Veranstaltung am 29. November in Berlin enden. Schon kurz nach der Schaltung mit dem Minister machte Overwiening deutlich, worin sie jetzt das große politische Problem sieht. Der Minister sei nicht bereit, die Gefahren in seinen Plänen zu sehen. Vielmehr stelle er sie als positiv dar. „Das verklebt dem Bundestag die Augen“, mahnte Overwiening. Darum warb sie, allen Parlamentariern im intensiven Austausch die Probleme zu verdeutlichen.

Schwachstellen deutlich machen

In der anschließenden Debatte kamen viele weitere Gedanken hinzu. Dabei ging es nicht nur um den Inhalt, sondern auch um die Form der Äußerungen des Ministers. Die Kommunikation der Pläne über die Presse wurde als „Respektlosigkeit“ kritisiert. Die Apotheker müssten Wertschätzung ein­fordern und Geschlossenheit zeigen. Zugleich sollten die Apotheker dem Minister „nicht auf den Leim gehen“, wenn er beispielsweise neue Aufgaben in der Prävention oder andere positive Aspekte in Aussicht stellt. Es gab auch Warnungen, weniger über die „Stör­feuer“ von Lauterbach, sondern über andere Herausforderungen zu sprechen, beispielsweise die Forderung der Apothekengewerkschaft Adexa nach über zehn Prozent mehr Gehalt. Doch die meisten Diskussionsbeiträge zielten darauf, die Vorstellungen von Lauterbach zu analysieren und die Schwachstellen darin aufzudecken. Denn Lauterbach präsentiert seine Ideen als Lösungen für Probleme. Politiker an der Basis, beispielsweise Bürgermeister, die die Arzneimittelversorgung vor Ort sichern möchten, könnten darin Vor­teile sehen. Doch es sei ein „unanständiges Angebot“, andere nannten es ein „vergiftetes Angebot“. Die Idee, dass ein Apotheker vier bis fünf Abgabestellen betreuen könne, habe es schon in der DDR gegeben. „Das ist ein Griff in die ganz alte DDR-Trickkiste“, erklärte Dr. Reinhard Giese. Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen, brachte den wesentlichen Konsens auf den Punkt: „Es kann nur eine Apotheke mit Apotheker geben.“ Eine Abweichung davon bedeute, die Axt an das System anzulegen. Andere betonten, dass dies die Versorgung verschlechtern werde, während Lauterbach bei vielen Gelegenheiten betont, mit ihm werde es keine Leistungseinschränkungen geben. Es wurde auch die Sorge deutlich, dass die Vorschläge die Freiberuflichkeit untergraben und langfristig den Weg für den Fremdbesitz bereiten. Doch dies ist erklärungsbedürftig, zumal sich Lauterbach zum Fremdbesitzverbot bekennt.

Honorarforderung weiter im Mittelpunkt

Daraufhin forderten mehrere Delegierte, Politiker auf allen Ebenen aufzuklären, zumal die Pläne von Lauterbach möglicherweise nicht mit anderen abgestimmt seien. Allerdings mahnte ABDA-Justiziar Lutz Tisch, ein solches Gesetz bedürfe möglicherweise nicht der Zustimmung des Bundesrates. Der Einfluss von Landespolitikern wäre dann sehr gering. Weitere Delegierte argumentierten, dass die Ideen des Ministers nicht neu seien. Denn Zweigapotheken und Botendienste gibt es längst. Dr. Peter Froese erklärte zu den Vorschlägen von Lauterbach: „Er löst kein Problem.“ Die Apotheken hätten andere Probleme, aber der Minister mache Vorschläge, „um ein Problem zu lösen, das es nicht gibt“.

Die zentrale Forderung der Apotheker ist ein höheres Honorar. Darum wurde beklagt, dass Lauterbach keine zusätzlichen Mittel in Aussicht gestellt hat, sondern allenfalls Umverteilung. Doch das Problem der „Unterfinanzierung kann nicht durch Umverteilung gelöst werden“, folgerte Dr. Matthias Schneider. Tisch erklärte, „wir brauchen nicht die Ersetzung eines guten Systems durch ein Schlechtes, sondern eine angemessene Finanzierung“.

Apotheken stärken! Jetzt! Zur Stabilisierung der Arzneimittelversorgung

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat der Apothekerschaft seine Pläne zur Sicherung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf vorgestellt.

Der Minister ist auf einem gefährlichen Irrweg. Die Apothekerinnen und Apotheker erteilen diesen zerstörerischen Plänen eine klare Absage.

Die Apothekerschaft wird nicht zulassen, dass die Arzneimittelversorgung ihrer Patientinnen und Patienten durch fehlgeleitete und nicht zu Ende gedachte Ideen zum Spielball des Ministers und dadurch dramatisch gefährdet wird.

Die Menschen brauchen keine Medikamenten-Abgabestellen ohne persön­lichen Kontakt zur Apothekerin oder zum Apotheker. Sie brauchen keine Scheinapotheken ohne Rezepturen und Notdienste. Vielmehr brauchen sie ein gesundes, flächendeckendes Netz an Apotheken vor Ort. Dort stellen Apo­thekerinnen und Apotheker als niedrigschwellig zu erreichende und unabhängige Experten eine qualitativ hoch­wertige Arzneimittelberatung sicher.

Wir fordern statt einer Aushöhlung und eines Rückbaus des heilberuflich getragenen Apothekennetzes, das bestehende und funktionierende System der ambulanten Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort im Sinne einer resilienten und überall gleich­wertigen Versorgung aller Menschen zu stabilisieren.

Dafür stehen die Apotheken in Deutschland. Apotheken stärken! Jetzt!

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Umgang mit Nebelkerzen

Angesichts der vielen Facetten der Ideen von Lauterbach wurde immer wieder gewarnt, dies seien „Nebel­kerzen“. Außerdem wurde beklagt, dass Lauterbach den Begriff der Tele-Pharmazie umdeutet. Dieser beziehe sich bisher auf den Kontakt zu den Patienten, aber der Minister gebraucht ihn für den Kontakt zwischen Haupt- und Filialapotheken. Hier versuche der Minister, seine Ideen durch die Nutzung digitaler Instrumente als fortschrittlich anzupreisen. Dabei zeichnete sich bereits hier ein Problem ab, das im weiteren Verlauf des Apothekertages noch öfter auftrat. Einerseits mahnten immer wieder Delegierte, nicht über Nebenaspekte oder neue Ideen zu sprechen, sondern gezielt auf den Minister einzugehen. Andere forderten dagegen, sich nicht die Themen vom Minister diktieren zu lassen, sondern eigene Gedanken zu verfolgen.

Resolution im zweiten Anlauf

Letztlich ging es bei der Debatte um eine Resolution. Dazu hatte die ABDA einen Entwurf mit fünf Hauptkritikpunkten als Diskussionsgrundlage eingebracht. Dr. Andreas Ziegler konstatierte, dass die Wortbeiträge dazu in entgegengesetzte Richtungen liefen. Viele Delegierte wünschten stattdessen eine Stellungnahme, die das Problem „kurz und knackig“ für Außenstehende auf den Punkt bringt. Andere brachten hingegen immer mehr Aspekte vor, die noch ergänzt werden müssten. Hinzu kam die Vorstellung, dass eine Resolution vom Abend noch in den Zeitungen des nächsten Tages berücksichtigt würde. Dafür wurde es dann allerdings zu spät und ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer erklärte, es sei bereits eine Pressemitteilung mit den ablehnenden Stimmen aus der Videoschaltung und der Ankündigung des Protestmonats verbreitet worden. Daraufhin endete der Mittwochabend ohne Resolution, aber mit dem Auftrag, aus den Wortbeiträgen einen neuen Entwurf zu gestalten. Dieser wurde am Donnerstag zu Beginn der Sitzung vorgelegt und dann ohne weitere Diskussion mit überwältigender Mehrheit angenommen (siehe Kasten „Apotheken stärken! Jetzt! Zur Stabilisierung der Arzneimittelversorgung“). Am Freitag folgte kurz vor dem Ende des Apothekertages mit der „Düsseldorfer Erklärung“ eine weitere Resolution (siehe Seite 69 in dieser DAZ). |

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