Die Seite 3

Albtraum ALBVVG

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Der Entwurf für das „Arzneimittel-Liefer­engpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“, kurz ALBVVG, hat es in sich (s. S. 10). Ein erleichterter Austausch in den Apotheken soll nur für solche nicht lieferbaren Arzneimittel gelten, die auf einer Engpassliste des BfArM stehen. Zudem soll festgezurrt werden, dass die Apotheken für das Management eines solchen Lieferengpasses als Entschädigung 50 Cent erhalten. Das bringt sogar unsere ABDA-Präsidentin so auf die Palme, dass sie einen öffentlichen Brandbrief an den verantwortlichen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geschrieben hat. Sie findet deutliche Worte: Schamlos sei das und eine Missachtung der Apotheker. Wieder einmal droht sie, man werde sich wehren (s. S. 9). Wie und womit, das bleibt jedoch auch dem direkt betroffenen pharmazeutischen Personal in den Apotheken verborgen. ABDA-Präsidentin Overwiening prangert vollkommen zu Recht an, dass 50 Cent viel zu wenig seien, versäumt es aber, ein Honorar zu fordern, das den Apotheken das Überleben für ihren unentbehrlichen Versorgungsauftrag sichert. Ohne eine solche Forderung, gepaart nicht nur mit der Androhung, sondern auch der Durchführung empfindlich einschränkender Maßnahmen – wie eines flächendeckenden Streiks oder der Kündigung von strangulierenden Rahmenverträgen – bleibt der an sich wichtige und richtige Brandbrief ein zahnloser Papiertiger, der postwendend im virtuellen und realen Papierkorb des Ministeriums landen wird.

Abgesehen davon, dass auch die weiteren in dem Entwurf genannten Maßnahmen nicht in der Lage sein werden, den gordischen Lieferengpassknoten zu lösen. Was soll eine verpflichtende längere Vorratshaltung bringen, wenn schlicht zu wenig für den Weltmarkt produziert werden kann und andere mehr Geld in die Hand nehmen, um sich die knappe Ware zu sichern? Was bringt es, an einigen wenigen Stellen die strengen Erstattungsregeln ein wenig zu lockern, wenn ganz generell diese Regeln die Hersteller zwingen, aus wirtschaftlichen Gründen die Bereitstellung für den deutschen Markt einzustellen? Was hilft es, die Abhängigkeit von Asien zu beklagen, wenn hier die Voraussetzungen für eine schnelle unbürokratische Inbetriebnahme neuer Produktionsstätten fehlen?

Doch zurück zu den 50 Cent. Dieses Vorhaben zeigt die ganze Geringschätzung unseres Bundesgesundheitsministers für unseren Berufsstand. Und wenn es dazu noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, dann sollte man sich den Passus zum neuen Pflichttext für Arzneimittelwerbung anschauen, den er diesem Gesetzentwurf untergeschoben hat. In Zukunft soll er lauten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke!“ Es scheint unserem woken Gesundheitsminister eine Herzensangelegenheit zu sein, für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen – jedoch nur für seine ärztlichen Kolleginnen. Der Heilberuf des Apothekers soll dafür mal kurzerhand dem Gendergötzen geopfert werden. Der fundierte Rat einer Apothekerin oder eines Apothekers ist nicht mehr zwingend erforderlich. Bei der Wertschätzung, die Lauterbach unserer Profession entgegenbringt, ist das nicht wirklich verwunderlich. Und so folgt diese Änderung ganz der Logik des Entwurfs, nach der das Engpassmanagement eine so niedere Tätigkeit ist, die nicht einmal den Mindestlohn rechtfertigt. Alles in allem ein Albtraum! Der ALBVVG-Entwurf ist für unseren Berufsstand brandgefährlich und verfehlt zudem noch sein erklärtes Ziel, Lieferengpässe wirksam zu bekämpfen.

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