Neu auf dem Markt

Agomelatin bei Depressionen

13.09.2009, 06:00 Uhr


Agomelatin ist ein Melatoninderivat, das zur Behandlung von Episoden einer Major Depression auf den Markt kommt.

Agomelatin wird einmal täglich in einer Dosis von 25 mg abends vor dem Zubettgehen eingenommen. Nach oraler Einnahme wird es schnell und gut (≥80%) resorbiert; die absolute Bioverfügbarkeit beträgt 55%,  kann allerdings sehr stark variieren Die maximale Plasmakonzentration wird ein bis zwei Stunden nach der Einnahme erreicht. Agomelatin wird schnell - hauptsächlich durch CYP1A2 in der Leber - metabolisiert. Arzneimittel, die mit diesen Isoenzymen interagieren, können die Bioverfügbarkeit von Agomelatin entweder vermindern oder verstärken; daher ist die gleichzeitige Anwendung von Agomelatin und starken CYP1A2-Inhibitoren (z. B. Fluvoxamin, Ciprofloxacin) kontraindiziert. Die mittlere Plasmahalbwertszeit liegt zwischen ein und zwei Stunden. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend (zu 80%) über den Urin in Form von Metaboliten.

Die Zulassung für Europa basiert auf den Kurz- und Langzeitergebnissen klinischer Studien mit fast 6.000 erwachsenen Patienten mit Depressionen, von denen 3900 mit Agomelatin 25 bis 50 mg täglich über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen behandelt wurden. In diesen Studien war Agomelatin teilweise statistisch signifikant besser antidepressiv wirksam als Placebo und vergleichbar wirksam wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Die antidepressive Wirkung konnte bis zu sechs Monate aufrecht erhalten werden: Zu Rückfällen kam es unter der Agomelatintherapie bei 22% und unter der Placebobehandlung bei 47% der Patienten. Agomelatin war auch bei schweren Depressionen (Baseline HAM-D ≥25) wirksam.

In den klinischen Studien wurde Agomelatin gut vertragen. Häufige unerwünschte Wirkungen waren Angst, Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit und Migräne. Typische Nebenwirkungen anderer Antidepressiva, wie Libidoverlust, Erektionsstörungen und Gewichtszunahme, waren unter Agomelatin-Therapie seltener als unter einer Behandlung mit  Vergleichssubstanzen. Auch kam es nicht zu Tagesmüdigkeit. Agomelatin hat kein Missbrauchspotential, und nach abruptem Absetzen traten seltener Absetzerscheinungen auf als z.B. nach Absetzen von Paroxetin.

Agomelatin wird in der Leber abgebaut und kann zu erhöhten Leberenzymwerten führen. Wegen der möglichen Lebertoxizität ist eine entsprechende Patientenüberwachung erforderlich, und bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist Agomelatin kontraindiziert. Bei einer Gelbsucht ist die Behandlung abzubrechen und bei Patienten, die beträchtliche Mengen Alkohol konsumieren oder mit potenziell leberschädigenden Arzneimitteln behandelt werden, ist Vorsicht geboten.


Bettina Hellwig