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Elektronische Gesundheitskarte
Schleppender Rollout in Nordrhein
Bald acht Monate nach dem Beginn des Rollouts in Nordrhein breitet sich die elektronische Gesundheitskarte weiterhin nur langsam aus. Von den neun Millionen Versicherten in der Pilotregion sollten bis zum Frühjahr wenigstens 100.000 der neuen Karten verteilt sein - doch von diesem Ziel ist man weit entfernt.
Die AOK Rheinland als größte Kasse der Region will bis Juli 25.000 Karten verteilt haben. Die Techniker Kasse hat erst 5000 Karten in Essen ausgegeben. Und die Barmer GEK als zweitgrößte Kasse in der Pilotregion überhaupt hat bisher nur 100 neue Plastikkärtchen verteilt. Über die anfangs angekündigte bundesweite Verteilung der eGK in mehreren Schritten mag inzwischen keiner der Beteiligten mehr reden. „Der Zeitplan ist über den Haufen geworfen“, sagt Wilfried Jacobs, Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg. „Das ist keine Sternstunde der Nutzung der elektronischen Möglichkeiten im Gesundheitswesen.“
Zuletzt hatte die im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vereinbarte Überprüfung das ohnehin schwerfällige Projekt ins Stocken gebracht. Aber auch der ausgerufene Neustart nach der im April abgeschlossenen Bestandsaufnahme brachte keinen Schwung. Die Beteiligten in der Betreibergesellschaft gematik einigten sich lediglich auf eine abgespeckte Form eGK mit drei Funktionen: der online-gestützten Verwaltung der Stammdaten der Patienten, den Notfalldaten sowie dem Arztbrief. Mit dem Lichtbild auf der Versichertenkarte soll zudem Missbrauch künftig verhindert werden. Durch die automatische Aktualisierung der Stammdaten – etwa bei Umzug oder Heirat – muss die Karte zudem nicht mehr wie die bisherige Versichertenkarte ausgetauscht werden.
Das ursprünglich vorgesehene elektronische Rezept dagegen ist ebenso vom Tisch wie die elektronische Patientenakte, die dem Papierkrieg der Praxen und Kliniken ein Ende bereiten sollte. Und dennoch ist der Widerstand vieler Ärzte gegen die Gesundheitskarte ungebrochen. Vorletzte Woche beim Ärztetag in Dresden untermauerten die Mediziner ihre Ablehnung wegen Zweifeln an der Datensicherheit. Patientenakten gehörten in die Hand von Arzt und Patient, nicht von Kassen und schon gar nicht auf Zentralserver.
Die Kassen sind nun in Wartestellung. So lange sie nicht wissen, was mit der Karte wird, treten sie bei der Verteilung an die Millionen Versicherten auf die Bremse. Sie wollen, dass die Online- Verpflichtung für die Stammdaten garantiert wird. Dabei hoffen sie darauf, dass dies im sogenannten GKV-Änderungsgesetz festgeschrieben wird, das noch vor der Sommerpause durch den Bundestag gehen soll. Für weitere Millionen-Investitionen in die Karte brauchten sie die Planungssicherheit per Gesetz, heißt es bei Barmer GEK und TK. Alle anderen Patientendaten sollen auch weiterhin nur freiwillig sein. „Keiner wird gezwungen, seine Daten online zu geben“, heißt es bei der TK.
„Das ist nach wie vor ein Schauspiel mit mehreren Akten, wo man das Ende nicht absieht“, sagt Jacobs. In den Praxen gebe es keine Probleme mit der Akzeptanz der Karte. Der Widerstand komme vielmehr aus den Reihen der Funktionäre. Die Sorge um den Datenschutz sei eine reine Schutzbehauptung. „Man wird es langsam leid.“ Um die unterschiedlichen Ziele der Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen überhaupt unter einen Hut zu kriegen, wurde in der Betreibergesellschaft gematik inzwischen ein Schlichter installiert – das Amt übernimmt der frühere Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder.
Der schleppende Schritt in das neue High-Tech-Zeitalter im Medizinbetrieb hat sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem lapidaren Kommentar veranlasst. „Deutschland ist hier manchmal etwas langsam.“
Düsseldorf - 25.05.2010, 07:35 Uhr