Pharmazie

DCA als Krebsmedikament?

Edmonton - 26.05.2010, 10:04 Uhr


Eine Arbeitsgruppe um Evangelos Michelakis in Edmonton (Kanada) hat in vitro und in vivo die Wirkung von Dichloracetat (DCA) auf Glioblastome (Hirntumoren) untersucht und erstaunlich positive Resultate erhalten: Bei einer sehr geringen Toxizität wirkte DCA effektiv gegen das Tumorgewebe. Allerdings nahmen nur sehr wenige Patienten an der klinischen Studie teil, und für die Durchführung einer standardmäßigen klinischen Studie scheint das Geld zu fehlen.

Bereits 2007 publizierte Evangelos Michelakis in Edmonton (Kanada) einen Beitrag über die Ergebnisse von In-vitro-Studien mit DCA: Es schaltet den hauptsächlich auf aerober Glykolyse beruhenden Stoffwechsel von Krebszellen um, indem es das Enzym Pyruvatdehydrogenase-Kinase II hemmt. Dadurch veranlasst es die Krebszellen, wie gesunde Zellen zu „atmen“, das heißt, in den Mitochondrien ADP durch oxidative Phosphorylierung in ATP umzuwandeln und dabei Energie zu gewinnen. Wegen dieser Umstellung des Stoffwechsels werden die unsterblichen Krebszellen empfindlich für Apoptoseprogramme und gehen schließlich zugrunde.

Im Sommer 2008 startete Michelakis zwei Studien. In einer experimentellen Studie entnahm er 49 Glioblastompatienten Tumorgewebe, kultivierte dieses in vitro und testete die Wirkung von DCA. Wie erwartet, stellten die Krebszellen ihren Stoffwechsel schnell um und verloren ihre Unsterblichkeit. Eine kleine klinische Studie zur Wirksamkeitsprüfung von oral verabreichtem DCA begann Michelakis mit fünf Glioblastompatienten, von denen einer kurz darauf starb. Die anderen vier Patienten leben noch heute, obwohl die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose eines Glioblastoms ein Jahr beträgt. Bei ihnen hörte das Krebswachstum auf, und bei drei Patienten schrumpften die Tumoren. DCA führte nicht nur zur Apoptose der Krebszellen, sondern stimulierte die Expression des Tumorsuppressor-Gens p53, hemmte den Hypoxie-induzierbaren Faktor 1α und unterdrückte die Angiogenese des Tumorgewebes.

Der dosislimitierende Faktor der Gabe von DCA ist eine reversible periphere Neuropathie. Ansonsten weist DCA in therapeutischen Dosen weder eine hämatologische noch eine hepatische, renale oder kardiale Toxizität auf und unterscheidet sich in seinem Nebenwirkungsprofil positiv von zytostatischen Chemotherapeutika. Das kleine Molekül ist leicht herzustellen und verspricht wenig Profit. Deshalb scheint kein kommerzielles Unternehmen bereit zu sein, eine klinische Studie mit GCP-Standard zu finanzieren.

Quellen: Michelakis ED, et al. Sci Transl Med 2010;2:31ra34

faz-community.faz.net/blogs/planckton/archive/2010/05/18/altes-molekuel-als-krebsmedikament.aspx


Dr. Wolfgang Caesar