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Pflanzenbiochemie
Neue Wirkstoffe aus Algen
Die Naturstoffchemiker des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie (IPB) werden künftig in Algen nach neuen antibiotischen und zytostatischen Wirkstoffen suchen. Algen können unabhängig von Umwelteinflüssen
Darüber hinaus produzieren sie eine enorme Vielfalt an biologisch wirksamen Sekundärstoffen, die andere Lebewesen nur in geringer Menge oder gar nicht herstellen. Bisher fand man in Algen Wirkstoffe, die das Zellwachstum hemmen und so gegen Tumore wirken und andere, die Bakterien, Viren oder Pilze abtöten oder Entzündungen heilen.
Im Gegensatz zu den gut untersuchten landbewohnenden Organismen ist der Sekundärstoffwechsel der Algen noch weitgehend unerforscht. Von den geschätzten 280.000 Algenarten unseres Planeten sind bisher nur 40.000 bekannt und davon nur wenige hundert phytochemisch charakterisiert. Dennoch kennt man schon jetzt rund 70 Substanzen aus Algen, die Krebszellen abtöten können. Einige von ihnen sind bereits in der klinischen Testphase.
Während Wissenschaftler der Hochschule Anhalt sich um die Optimierung der Algenanzucht in den Flüssigkulturen der Bioreaktoren bemühen, werden die Hallenser Chemiker die Wirkstofffindung und -entwicklung vorantreiben. Aus der Mikroalge Eustigmatos will man Substanzen isolieren, die zur Gruppe der Lipopeptide gehören. Das sind sehr kleine, fettlösliche und oft ringförmige Eiweißmoleküle, unter denen man Wirkstoffkandidaten gegen Krebs oder bakterielle Infektionskrankheiten erwartet.
Um die natürlichen Ressourcen zu schonen und um die Lipopeptide in ihrer Wirkung zu optimieren, versucht man am IPB, die Naturstoffe synthetisch herzustellen und chemisch zu modifizieren. Dabei sollen neue Methoden der kombinatorischen Chemie zum Einsatz kommen, die von den Chemikern des Instituts vor einigen Jahren entdeckt und entwickelt wurden. Mit diesen so genannten Mehrkomponentenreaktionen ist es möglich, die komplexen Eiweißringe aus einzelnen Modulen zusammenzusetzen. Dabei können sich bis zu 24 Einzelbausteine in einem Reaktionsgefäß und in nur einem Reaktionsschritt selbst organisiert zusammenfinden und Ringstrukturen mit bis zu 68 Gliedern bilden.
Die Selbstorganisation der Module kann in vielfältigen Kombinationen erfolgen, sodass man neben dem ursprünglichen, in der Natur vorkommenden Wirkstoff, einen ganzen Pool an chemischen Varianten erhält, die ihrem natürlichen Vorbild ähneln, aber nicht identisch mit ihm sind. Durch leichte chemische Veränderungen der einzusetzenden Einzelbausteine erhöht sich die Zahl der entstehenden chemischen Varianten um ein Vielfaches. In der Konsequenz erhält man eine ganze Bibliothek an potentiell wirksamen Substanzen, die nun erneut nach den aussichtsreichsten Kandidaten durchforstet wird.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich unter diesen synthetisch hergestellten, naturähnlichen Stoffen aktivere Varianten mit einem besseren pharmakologischen Profil finden, als es bei den ursprünglichen, aus den Algen stammenden Wirkstoffen der Fall ist. Mit diesem Versuchsansatz ist es demnach möglich, evolutionäre Prozesse im Zeitraffer und im Reagenzglas nachzuahmen.
Quelle: Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie, Halle, 1. Juni 2010.
Halle - 05.06.2010, 06:55 Uhr