Gesetzliche Krankenversicherung

Kabinett beschließt Finanzreform

Berlin - 22.09.2010, 17:23 Uhr


Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines „Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzierungsgesetz) beschlossen. Das bedeutet für Versicherte und Arbeitgeber höhere Beiträge.

Kernpunkte des geplanten Gesetzes sind eine Erhöhung der Kassenbeiträge von 14,9 auf 15,5 Prozent und Zusatzbeiträge ohne Obergrenze. Arbeitgeber und Beschäftigte tragen den Beitragsanstieg je zur Hälfte. Danach wird der Satz eingefroren. Die dann zunehmend fälligen Zusatzbeiträge sollen allein von den Versicherten gezahlt werden - und das pauschal und unabhängig vom Einkommen. Damit werden künftige Kostensteigerungen allein von den 50 Millionen Kassenmitgliedern getragen. Gegen zu hohe Belastungen von Versicherten mit geringen Einkommen ist ein Sozialausgleich aus Steuermitteln geplant. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und soll zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.

Gegen die schwarz-gelben Reformpläne hagelt von allen Seiten Kritik. Rösler verteidigte jedoch die Pläne: „Es gibt dazu keine vernünftige Alternative.“ Die großen Probleme für 2011 und für die Folgejahre seien gelöst. Das 2011 erwartete Defizit der Kassen von bis zu elf Milliarden werde gestopft. „Wir haben Wettbewerb wieder stärker möglich gemacht.“ Kassen könnten Zusatzbeiträge nach Bedarf erheben. „Hätten wir nichts getan, dann wäre das System im nächsten Jahr gegen die Wand gefahren“, so der Minister Rösler sprach ausdrücklich nicht von einer „Jahrhundertreform“. Die massive Kritik überrasche ihn nicht. Es sei nicht ganz unüblich, dass Beteiligte unzufrieden sind, wenn ihnen Geld genommen werde. 2011 erwartet Rösler nicht mehr Zusatzbeiträge als heute: „Dann werden sie vom Jahr 2012 an langfristig steigen.“

Für Einsparungen soll darüber hinaus das zeitgleich in Kraft tretende Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) sorgen. Rösler sprach von einem insgesamt ausgewogenen Sparpaket. Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber auch Ärzte, Apotheker, Kassen, Krankenhäuser sowie die Industrie würden beteiligt. Vorwürfe, die Pharmaindustrie werde geschont, wies er zurück. Schließlich müsse diese mit 2 Milliarden Euro den Großteil des Sparpakets von 3,5 Milliarden tragen.

Unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss forderte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) Korrekturen bei der Verteilung der Ärztehonorare auf die Bundesländer und bei den Hausarztverträgen: „Es kann nicht sein, dass auf die bayerischen Patienten höhere Beiträge zukommen, aber die Leistungen möglicherweise sinken.“

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, die Bundesregierung bringe „eine Gesundheitsreform auf den Weg, die elementare Grundprinzipien unseres Sozialstaates zerstört“.Während Arbeitnehmer künftig alle Kostensteigerungen alleine tragen müssten, blieben die Arbeitgeber verschont. Nahles kritisierte zudem, dass gleichzeitig „die marode PKV mit viel Geld vollgepumpt und künstlich am Leben gehalten“ werde.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt monierte, die Beiträge würden deutlich erhöht, obwohl der Steuerzuschuss nahezu unverändert bleibe. Höhere Beiträge trieben die Arbeitskosten um mehr als zwei Milliarden Euro nach oben. „Das belastet Wirtschaft und Beschäftigung.“

Die Kassen warfen der Koalition vor, verkrustete Strukturen etwa bei den Kliniken unangetastet zu lassen. „Die Bundesregierung will den Krankenkassenbeitrag (...) erhöhen, damit die Einnahmen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser weiter kräftig steigen können“, sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.


dpa/Kirsten Sucker-Sket