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Umweltmedizin
Schnelltest auf Diclofenac soll Geier retten
Ein von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) entwickelter Schnelltest auf Diclofenac soll indische Geier vor dem Aussterben retten und könnte auch bei uns zum Nachweis von Umweltbelastungen eingesetzt werden.
In den meisten EU-Ländern ist Diclofenac nur für die Behandlung von Menschen zugelassen. In Indien, Pakistan und Nepal aber wird es seit den 90er-Jahren auch in der Tiermedizin eingesetzt, vor allem bei Rindern. Fressen Geier deren Kadaver, so nehmen sie den Wirkstoff auf. Als Folge kam es auf dem indischen Subkontinent in den vergangenen fünfzehn Jahren zu einem katastrophalen Geiersterben. Die Populationen von drei Arten dieser Greifvögel – Indischer Geier, Bengalengeier und Schmalschnabelgeier – schmolzen in der Folge bis auf drei Prozent ihres ursprünglichen Bestandes zusammen. Im Jahr 2004 erkannten US-amerikanische Wissenschaftler den Wirkstoff Diclofenac als Ursache. Die Regierungen der betroffenen Länder verboten 2006 die Anwendung von Diclofenac in der Veterinärmedizin, doch für eine wirkungsvolle Kontrolle des Verbots fehlte bisher ein einfaches Nachweisverfahren.
Jetzt wurden Stationen zur Zucht und späteren Auswilderung von Geiern eingerichtet. Um die Jungtiere mit diclofenacfreiem Futter aufziehen zu können, muss das Fleisch auf mögliche Rückstände getestet werden. Dazu werden analytische Nachweismethoden benötigt, die auch in den abgelegenen Aufzuchtstationen und von fachlich weitgehend ungeschultem Personal anzuwenden sein müssen.
Ein solches Verfahren haben Wissenschaftler des Lehrstuhls für Analytische Chemie am Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie der TU München entwickelt. Es besteht aus einem spezifischen Diclofenac-Antikörper für einen hochempfindlichen immunologischen Test, der mit miniaturisierten Kunststoff-Mikrotiterplatten arbeitet. Er hat den Vorteil, dass er ohne aufwendige Probenbehandlung auskommt, was schnelle und kostengünstige Analysen erlaubt. Auf den Mikrotiterplatten ist Diclofenac an Eiweißmoleküle fest gebunden und immobilisiert. Bei der Zugabe von Probe und Antikörper bindet der Antikörper entweder an gebundene oder in der Probe vorhandene Wirkstoffmoleküle. Je mehr davon in der Probe vorhanden ist, desto weniger Antikörper bleiben übrig und können sich an die gebundenen Diclofenacmoleküle anhängen. Die Menge der hier gebundenen Antikörper wird anschließend durch eine Farbreaktion mit einem Peroxidase-Enzym und Tetramethylbenzidin bestimmt.
Gegenwärtig wird die Methode in einer indischen Geier-Aufzuchtstation geprüft. Sie ist aber auch für viele weitere Einsatzfelder geeignet, zum Beispiel für Untersuchungen zur Diclofenac-Belastung von Abwässern. Diclofenac, von dem allein in Deutschland pro Jahr über 80 Tonnen verkauft werden, gehört zu den in Oberflächenwasserproben am häufigsten gefundenen pharmazeutischen Wirkstoffen und kann bei Forellen zu Nierenschädigungen führen. Auch in der Klinik wird der Antikörper inzwischen zur Erforschung von allergischen Reaktionen auf den Wirkstoff eingesetzt.
Nun arbeiten die Wissenschaftler an der weiteren Vereinfachung des Tests. Ziel ist ein immunologischer Schnelltest für den Einmalgebrauch, der das Vorhandensein des Wirkstoffs innerhalb weniger Minuten anzeigt und keine teuren Lesegeräte benötigt.
Quelle: Pressemitteilung der TU München, 27. September 2010.
München - 05.10.2010, 12:01 Uhr