Entwicklungsbiologie

Das Pubertäts-Gen

Würzburg - 11.10.2010, 06:38 Uhr


Wissenschaftler der Universität Würzburg haben bei einer Fischart ein Gen entdeckt, das die Pubertät auslöst. Auch Menschen tragen dieses Gen in ihrem Erbgut. Bisher wurde es mit der Regulation des Appetits und des Körpergewichts in Verbindung gebracht.

Ausgewachsene Männchen des Schwertträgerfischs Xiphophorus zeigen erstaunliche Unterschiede: Einige sind groß und schwer; andere hingegen klein und leicht. Wie groß ein Schwertträger-Männchen wird, hängt davon ab, wann es in die Pubertät kommt, denn mit dem Einsetzen der Pubertät stoppt das Wachstum. Je später also das Männchen geschlechtsreif wird, desto größer ist es am Ende.

Wie es zu dem unterschiedlichen Aussehen und auch Verhalten der Schwertträger-Männchen kommt, haben Würzburger Biochemiker unter molekularbiologischen Aspekten untersucht. Bei der Suche nach dem Auslöser für das, was Biologen als „Polymorphismus“ bezeichnen, ist das Würzburger Team jetzt fündig geworden: Auf den Geschlechts-Chromosomen hat es das verantwortliche Gen entdeckt. Das Gen reguliert den Zeitpunkt, wann ein Schwertträger-Männchen in die Pubertät eintritt. Man findet dieses Gen sowohl auf dem X- als auch auf dem Y-Chromosom in jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Für die Unterschiede bei den männlichen Schwertträgerfischen ist das Erbgut auf dem Y-Chromosom entscheidend. Was die Weibchen betrifft, gelten anscheinend andere Regeln: Sie wachsen ihr ganzes Leben lang.

Auf dem Y-Chromosom, das nur Männchen besitzen, existieren zwei Varianten des Gens. Sie sind für die unterschiedliche Ausprägung der männlichen Fische verantwortlich, genauer gesagt, die Häufigkeit, mit der sich Kopien von ihnen auf dem Chromosom aneinander reihen. Während die eine Sorte von Genen Botenstoffe produziert, die an anderen Stellen im Körper Prozesse in Gang setzen, an deren Ende die Geschlechtsreife steht, erweist sich die andere Sorte als eher inaktiv.

Die Forscher vermuten, dass diese inaktiven Allele den Eintritt in die Pubertät verzögern, indem sie das Signal der aktiven Allele schwächen. Je mehr Kopien es von ihnen gibt, desto länger dauert es, bis die Botenstoffe der aktiven Gene einen bestimmten Schwellenwert erreicht haben und der Prozess starten kann. So steuert ein und dasselbe Gen das unterschiedliche Aussehen und Verhalten der Schwertträgerfische.

Interessant ist das Gen allerdings noch aus einem weiteren Grund: Auch der Mensch trägt es in seinem Erbgut. Bei ihm, wie bei Säugern allgemein, wird das Gen im Bereich des Hypothalamus abgelesen. Dort greift es in die Regelkreise des Energiehaushalts ein; es beeinflusst den Appetit, die Nahrungsaufnahme und letzten Endes auch das Körpergewicht. Die Entdeckung der Würzburger Forscher legt nun den Verdacht nahe, dass dieses Gen auch beim Menschen in irgendeiner Art und Weise den Beginn oder Ablauf der Pubertät beeinflussen könnte.

Unwahrscheinlich ist ein molekularbiologischer Zusammenhang zwischen Pubertät, Appetit und Körpergewicht nicht. Immerhin ist von magersüchtigen Mädchen bekannt, dass sie verspätet in die Pubertät kommen, oder dass ihre Regelblutung wieder aussetzt. Es spricht also einiges dafür, dass eine biochemische Verbindung zwischen diesen Systemen existiert.

Quelle: Lampert, K., P., et al.: Current Biology, Online-Veröffentlichung DOI: 10.1016/j.cub.2010.08.029


Dr. Bettina Hellwig