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Betrug im Gesundheitswesen
Politiker und Experten gemeinsam gegen Korruption
Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte in der SPD-Fraktion des Bundestags, fordert gesetzliche Maßnahmen gegen Korruption, Betrug und Falschabrechnung im Gesundheitswesen. Er will die „Verschwendung von Beitragsmitteln“ in Milliardenhöhe nicht länger hinnehmen, zumal eine durch Schmiergeldzahlungen beeinflusste Behandlung und Arzneiauswahl auch die Gesundheit und das Leben der Patienten bedrohe.
Am 27. Mai debattierte der Bundestag über die Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, nachdem die SPD-Fraktion bereits im November 2010 einen Antrag dazu vorgelegt hatte (siehe www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-ausgabe/artikel/articlesingle/2010/47/41982.html).
Lauterbach betonte, dass es sich bei den Betrügern zwar um eine Minderheit der Ärzte handle. Diese besitze aber „enorme Energie“. Zudem seien Ärzte sehr großen Verlockungen der Pharmafirmen ausgesetzt. Dies liege auch daran, dass die Arzneimittelhersteller bei rezeptpflichtigen Präparaten kaum Einfluss auf die Patienten nehmen können; deshalb versuchen sie umso mehr, das Verschreibungsverhalten der Ärzte direkt zu beeinflussen, insbesondere wenn es um hochpreisige innovative Medikamente geht. Beispielsweise gebe es wirksame Chemotherapien für 3000 Euro, aber auch für 80.000 Euro, und es sei „keine Seltenheit“, dass ein Krebstherapeut während eines Jahres Rezepte im Wert von über 20 Millionen Euro verschreibt, so Lauterbach.
Ein weiterer Kritikpunkt der SPD sind die sogenannten multizentrischen Anwendungsbeobachtungen in Arztpraxen, die in den Augen einiger Gesundheitsexperten nur „Pseudostudien“ sind. Laut Transparency International investieren die Pharmafirmen bis zu 1,2 Milliarden Euro jährlich in diesen Bereich. Für das Umstellen der Medikation und das Ausfüllen banaler Formulare erhalten Ärzte „Kopfgelder“ bis zu 2500 Euro.
Dies gefällt auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nicht. So fordert KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller folgende Mindeststandards für Anwendungsbeobachtungen: Die Patienten müssen eingewilligt haben. Die Ergebnisse müssen in allgemein zugänglichen Foren veröffentlicht werden. Die Zahlungen der Pharmafirmen müssen sich am tatsächlichen Aufwand orientieren. „Anwendungsbeobachtungen allein zu Marketingzwecken sind in keinster Weise akzeptabel“, sagte Müller.
Dieser Meinung sind auch die staatlichen Gesetzeshüter: In Arztpraxen stoße man immer wieder auf Packen vorab ausgefüllter Formulare, sagt Jörg Engelhard vom Berliner Landeskriminalamt. Er wünscht sich mehr Kontrolleure – sowohl bei der Polizei als auch bei den Krankenkassen, ohne deren Fachverstand die Ermittler „aufgeschmissen“ sind. Doch Kassen, die Personal aufstocken, um Abrechnungsbetrug aufzuspüren, bekommen Probleme: Mit der jüngsten Reform wurden die Verwaltungskosten "gedeckelt". Das Problem ließe sich lösen, wenn die Kontrolleure nicht mehr als Verwaltungskosten gebucht, sondern als „Profit-Center“ geführt würden; dies sei berechtigt, weil sie ja Erträge bringen.
Berlin - 30.05.2011, 15:19 Uhr