Zentrales Nervensystem

Genaues Abbild der Myelinscheiden

München - 07.06.2011, 10:01 Uhr


Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) hat eine neue Computertomographiemethode entwickelt, die molekulare Einsichten ins Gehirn ermöglicht.

In ihrer Online-Ausgabe berichtet die renommierte Fachzeitschrift NeuroImage über die Ergebnisse der Forschung.

Die Myelin-Ummantelung der Gehirn-Nervenzellen besteht aus schichtartigen Lamellen. Sie umschließen die Fortsätze der Nervenzellen, die sogenannten Axone und sorgen für eine schnelle Weiterleitung der Nervensignale sorgen. Änderungen oder Ausfälle dieser Funktion stehen im Verdacht, an degenerativen Gehirnkrankheiten, wie der Alzheimer-Demen oder der Multiplen Sklerose, beteiligt zu sein.

Die detaillierte Entwicklung dieser Krankheiten ist bisher nicht verstanden. Sie wird aber zunehmend mit Veränderungen in den Myelin-Schichten in Verbindung gebracht, die für Unterbrechungen in der Signalübertragung zwischen Nervenzellen verantwortlich sind. Vereinfacht gesagt ist das so, wie wenn bei elektrischen Leitungen die Isolierung beschädigt wird und es so zu Kurzschlüssen und Leckströmen kommt.

Die neue Entwicklung basiert auf konventioneller Computertomographie(CT)-Technik, die wohl etabliert ist und in klinischen Anwendungen weltweit eingesetzt wird. Bei einer CT-Untersuchung wird der Körper von Röntgenstrahlen durchleuchtet, ein Bilddetektor nimmt unter unterschiedlichen Winkeln die Schattenwürfe des menschlichen Körpers auf. Aus diesen Bildern wird dann durch Bilddatenverarbeitung ein dreidimensionales Abbild des Körperinneren errechnet.

Der neue Aspekt der Methodik besteht darin, dass nicht nur die vom Körper absorbierte Röntgenstrahlung in solchen Bildern gemessen wird, sondern auch das genaue Streumuster, das durch die Wechselwirkung der Röntgenstrahlen mit den Strukturen im Körperinneren entsteht. Solche Streubilder werden für jeden Punkt und unter jedem Winkel aufgenommen. Diese Zusatzinformation lässt Rückschlüsse auf die molekulare Struktur in jedem Teil der Probe zu.

Die Streubilder werden mit einem von dem Forscherteam entwickelten Algorithmus verarbeitet. Dieser errechnet hoch-aufgelöste, dreidimensionale Bilder der Probe und analysiert typischerweise einige hunderttausend Streubilder. Dabei berücksichtigt er insbesondere die Streusignatur der molekularen Struktur in der Probe.

Als Anwendungsbeispiel hat das Team mit der Methode das Gehirn einer Laborratte untersucht – und verblüffend präzise Einsichten gewonnen. Sie können im Detail die Myelin-Ummantelung der Nervenzellen sichtbar machen und sogar verschiedene Schichten von nur 17,6 Nanometern Dicke unterscheiden. Bis jetzt musste man immer kleine Stücke aus der Probe herausschneiden und analysieren, um ähnliche Information zu erhalten. Mit der neuen Methode können 250.000 Punkte in der Probe auf einen Schlag analysiert werden. Dies wird Reihenuntersuchungen bezüglich Dicke und Konzentration von Myelin-Ummantelungen im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern ermöglichen.

Die Ergebnisse entstanden in einer internationalen Zusammenarbeit von Forschern aus Deutschland, Dänemark, Schweiz, und Frankreich. Die Experimente wurden an der Synchrotron Lichtquelle des Paul Scherrer Instituts in Villigen (Schweiz) ausgeführt. Zukünftig sollen sie auch auf dem Campus Garching am derzeit im Aufbau befindlichen „Centre for Advanced Laser Applications” (CALA) möglich werden, mit neuen Laser-basierten brillanten Röntgenquellen, wie sie im Exzellenzcluster „Munich-Centre for Advanced Photonics“ entwickelt werden.

Literatur: Jensen, T. H., et al.: NeuroImage 2011; 57:124-9; Online: doi:10.1016/j.neuroimage.2011.04.013.


Dr. Bettina Hellwig