Pharmakonzern unter Druck

Celesio muss 116 Millionen Euro abschreiben

Stuttgart - 27.07.2011, 11:30 Uhr


Die Ära Dr. Fritz Oesterle ist beim Pharmakonzern Celesio endgültig passé: Jetzt müssen sich seine Nachfolger um das schwierige finanzielle Erbe kümmern.

Nach Aussage der Interims-Geschäftsführung um Vorstand Wolfgang Mähr hinterlassen staatliche Sparmaßnahmen in Europa, allgemeine Marktschwäche und Konsumflaute sowie die Schuldenkrise deutliche Spuren in der Bilanz. Zwar hält der Vorstand an der Gewinnprognose von 600 Millionen Euro für 2011 fest. Diese werde aber „von unten bestätigt“, wie Finanzvorstand Christian Holzherr bei einer Telefonkonferenz vorsichtig sagte. Es gebe keine Anzeichen für eine Verbesserung des insgesamt schwierigen Umfeldes in diesem Jahr. Mit den angepeilten 600 Millionen Euro läge das operative Ergebnis für 2011 um 100 Millionen Euro unter dem Vorjahresgewinn.  An der langjährigen Dividendenpolitik, rund 30 Prozent des bereinigten Konzernjahresüberschusses auszuschütten, solle festgehalten werden.

Auch an den Investitionsplänen will der Celesio-Vorstand vorerst festhalten. Allerdings werde gemeinsam mit den neuen Celesio –Vorstandschef Markus Pinger, der am 15. August in der Stuttgarter Firmenzentrale antritt, eine gründliche Analyse der Unternehmensstrategie erfolgen. Dann würden die „Weichen neu gestellt“, sagte Mähr. Es gebe allerdings keinen Grund, von der von Oesterle eingeschlagenen Strategie der Abkoppelung vom regulierten und der Stärkung des nicht regulierten Pharmamarktes abzurücken.   

Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage wurde zur Jahresmitte nach den internationalen Bilanzregeln ein „Belastungstest“ der Werthaltigkeit Celesios fällig. Dabei ergab sich laut Holzherr ein Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 116,3 Millionen Euro: Betroffen sind der jüngst komplett übernommene Pharma-Personaldienstleister Pharmexx mit 72,0 Millionen Euro sowie der Großhandel in Dänemark mit 21,0 Millionen Euro in Portugal mit 23,3 Millionen Euro. Alle andere Celesio-Aktivitäten wie der deutsche Großhändler Gehe hätten den Belastungstest bestanden.

Bei Pharmexx muss mit 72 Millionen Euro etwas mehr als der halbe Firmenwert abgeschrieben werden. Die Umstrukturierung komme nur „schleppend“ voran, räumte Holzherr ein. Die Gesamtkosten für die Pharmexx Übernahme beziffert Holzherr auf 60 Millionen Euro. Seit der Beteiligung im Jahr 2006 seien die positiven Beiträge von Pharmexx zum Celesio-Ergebnis kontinuierlich gesunken. In diesem Jahr erwartet Celesio von Pharmexx noch einen einstelligen Millionengewinn.

In Dänemark kämpfe der Großhandel Tjellesen Max Jenne mit einem „schwachen Markt und geringen Margen“. Dort muss der Firmenwert mit 21 Millionen Euro „vollständig“ abgeschrieben werden. Auch im krisengeschüttelten Portugal laufen die Geschäfte des Celesio-Großhändlers OCP Portugal schlecht. Allgemeine Konsumzurückhaltung und ein „kritisches gesamtwirtschaftliches Umfeld“ führen dort zu einem Abschreibungsbedarf von 23,3 Millionen Euro.

Mitte August will Celesio mit der Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses weitere Geschäftszahlen bekannt geben. Schon bei Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal hatte die mehrheitlich zum Mischkonzern Haniel gehörende Gesellschaft den Markt auf ein schwieriges Jahr vorbereitet. Mitte Juni warnte der Konzern dann vor überhöhten Gewinnschätzungen der Analysten.

Am Aktienmarkt kam Celesio wegen der Abschreibungen erneut leicht unter Druck. Zuletzt hatte sich das Papier etwas von den heftigen Kursverlusten von Mitte Juni infolge einer als Gewinnwarnung interpretierten Aussagen des damals noch amtierenden Chefs Oesterle erholt. Mit einem Abschlag von rund 25 Prozent seit Jahresbeginn gehört die Aktie zu den bisher größten Verlierern im MDax.


Lothar Klein