Alzheimer-Demenz

Vorbericht zu Galantamin und Rivastigmin erschienen

Köln - 02.08.2011, 14:46 Uhr


Ob Patientinnen und Patienten mit Alzheimer-Demenz von Galantamin und Rivastigmin profitieren können, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Demnach gibt es bei Galantamin Belege und bei Rivastigmin-Pflastern zumindest Hinweise, dass die Arzneistoffe den Abbau kognitiver Fähigkeiten leicht verzögern können. Bei beiden liefern dieselben Studien aber auch Belege für einen möglichen Schaden, vor allem in Form von häufiger auftretender Übelkeit und Erbrechen sowie von Hautirritationen beim Rivastigmin-Pflaster. Für wichtige andere Therapieaspekte wie etwa die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten oder die Notwendigkeit einer vollstationären Pflege gibt es derzeit keine Daten. Zu diesem Vorbericht können interessierte Personen und Institutionen bis zum 22. August 2011 schriftliche Stellungnahmen abgeben.

Bereits 2007 hatte das IQWiG eine Nutzenbewertung der zur Gruppe der Cholinesterasehemmer gehörenden Wirkstoffe Donezepil, Galantamin und Rivastigmin vorgelegt. Eine Aktualisierungsrecherche von 2009 ergab, dass es zu Galantamin inzwischen weitere, zum Teil unveröffentlichte Studiendaten gibt und Rivastigmin nicht mehr nur als Tablette, sondern seit 2007 auch als Pflaster zur Verfügung steht. Da dieser Umstand auch Einfluss auf die Aussagen der ersten Nutzenbewertung von 2007 haben könnte, beauftragte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG den Nutzen von Galantamin erneut und von Rivastigmin-Pflaster erstmalig zu untersuchen.

Bei den Fähigkeiten, den Alltag zu bewältigen, und bei begleitenden psychopathologischen Symptomen, wie Unruhe oder depressive Verstimmung, stellten die Wissenschaftler zwar Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen fest. Sie konnten diese jedoch nicht als Beleg oder Hinweis für einen Nutzen werten, denn die Unterschiede waren so klein, dass zweifelhaft ist, ob Betroffene oder Angehörige sie überhaupt als Vorteil wahrnehmen können.

Wie die Auswertung zeigt, gibt es aber auch unter Einbeziehung der neueren Studien Belege, dass Galantamin bei Patientinnen mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz zumindest bei einer höheren Dosis die Denk- und Merkfähigkeit positiv beeinflussen kann.

Die Studien lieferten auch Belege für einen Schaden: Patientinnen und Patienten, die Galantamin einnahmen, litten häufiger unter Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall als diejenigen, die ein Placebo erhielten. Zudem brachen sie die Studie häufiger wegen unerwünschter Nebenwirkungen ab. Diese Befunde gelten für einen Behandlungszeitraum von bis zu sechs Monaten.

Bislang gibt es nur eine einzige Langzeitstudie zu Galantamin. In dieser wurde untersucht, ob bei Patientinnen und Patienten, die zwölf Monate mit Galantamin behandelt worden waren und auf diese Therapie ansprachen, eine darüber hinaus gehende Galantamin-Therapie sinnvoll ist. In dieser Studie konnte jedoch nicht gezeigt werden, dass die Weiterbehandlung einen Nutzen hat.

Rivastigmin-Pflaster ist seit 2007 in Deutschland zugelassen und wird in zwei Dosierungen (5 cm² und 10 cm²) angeboten. Im Unterschied zur Tablette muss das Pflaster nicht zweimal, sondern nur einmal täglich angewendet werden.

Für den Nutzen der neuen Applikationsform fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Studien keine Belege - und zwar weder für die kognitiven noch für die alltagspraktischen Fähigkeiten. Im Vergleich zu Placebo zeigte sich lediglich in der höheren Dosierung (10 cm²) bei Patientinnen und Patienten unter 75 Jahren ein Unterschied bei der Kognition, den das IQWiG als Hinweis auf einen Nutzen wertet. Dass das IQWiG keinen Beleg, sondern nur einen Hinweis sieht, liegt vor allem an einer der hier maßgeblichen Studien. Denn in ihr wurden die Daten nicht so berichtet, dass die Ergebnisse wirklich belastbar sind.

Rivastigmin-Pflaster hat aber auch ein Schadenspotenzial: Die Wissenschaftler fanden bei der niedrigeren Dosierung in den Studien dafür Hinweise, bei der höheren Belege. Neben Übelkeit und Erbrechen, die beim 10-cm²-Pflaster häufiger auftreten, lösen beide Dosierungen zudem vermehrt Hautirritationen aus. Aus der einzigen Studie, in der die beiden Applikationsformen von Rivastigmin direkt verglichen werden, ist nicht erkennbar, dass das Pflaster der Tablette über- oder unterlegen ist. Diese Befunde zu Rivastigmin gelten nur für einen Behandlungszeitraum von 24 Wochen, denn Langzeitstudien gibt es bislang nicht.

Die beiden Hersteller-Firmen, Janssen-Cilag und Novartis, lieferten sämtliche angeforderten Studiendaten, so dass die Ergebnisse aller fünf vom IQWiG neu identifizierten Studien in die Bewertung einfließen konnten. Denn die Daten von insgesamt 48 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Studien waren bislang nicht öffentlich zugänglich.

Zu diesem Vorbericht können bis zum 22. August 2011 Stellungnahmen abgegeben werden. Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im April 2010 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im August 2010 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern die Stellungnahmen Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den Auftraggeber G-BA weitergeleitet.

Quelle: Presseinformation des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln, 25. Juli 2011.


Dr. Bettina Hellwig