Editorial

VFApoFördVO statt ApBetrO?

Stuttgart - 27.10.2011, 08:00 Uhr


Seit vergangener Woche liegt er vor – der lange erwartete Referentenentwurf zur neuen Apothekenbetriebsordnung. Apothekerkammern und Verbände haben jetzt die Möglichkeit, bis 18. November zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Das BMG scheint es plötzlich eilig zu haben, nachdem es sich mit der Erstellung seines Entwurfs jahrelang Zeit gelassen hatte.

Auf welchen Wegen wollen Bahr & Co. mit ihrem Entwurf die Apotheken in Deutschland sehen? Gleichgültig, wie man die vorgesehenen ApBetrO-Neuerungen im Einzelnen beurteilt – eines steht fest: Wenn seine Regelungen in Kraft treten sollten, hätte dies für die Qualität der flächendeckenden Arzneimittelversorgung in Deutschland weitreichende Konsequenzen. Offensichtlich versucht das BMG gegen die nahezu geschlossene Front des Berufsstandes eine Zwei-Klassen-Pharmazie zu etablieren, die sich von der Arzneimittelregelversorgung durch Vollapotheken verabschiedet. Der Entwurf privilegiert an allen Ecken und Enden Versand- und Filialapotheken und stellt Letztere mit ausstattungsarmen Zweigapotheken in Notstandsgebieten gleich: mit reduzierter räumlicher und sächlicher Ausstattung, ohne Mindestgröße, ohne Rezeptur, ohne Labor, ohne entsprechende Ausstattung und ohne zwingenden Notdienst. Übrig bleiben sollen nur noch ein Verkaufs- und ein Lagerraum sowie – skurril genug – das Nachtdienstzimmer.

Es ist eine traurige Ironie der (Apotheken-)Geschichte, dass es ein FDP-geführtes Gesundheitsministerium ist, das gewillt zu sein scheint, auf noch nie da gewesene Art und Weise die ordnungspolitischen Grundlagen des bestehenden Apothekensystems erodieren zu lassen. Als geradezu perfide erscheint es,  die Deprofessionalisierung der Pharmazie vor Ort unter dem Label der „Deregulierung“ und des „Bürokratieabbaus“ voranzutreiben und sich dabei auf die partikularen Wünsche interessengeleiteter Mini-Verbände wie den Bundesverband der Versandapotheken oder den Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen zu berufen. Dass ihre Chefs, Christian Busse (BVDVA) und Stefan Hartmann (BVDAK), den Entwurf eilfertig als gelungen bezeichneten, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Ihre Einflüsterungen scheinen bei Hartmanns Parteifreunden in Berlin auf offene Ohren zu stoßen. Die Versand- und Filialapothekenbetreiber sind, sollte der vorliegende Entwurf in Gesetzesform fließen, die eindeutigen Gewinner der neuen Apothekenbetriebsordnung. Wie Hohn klingt es da, wenn das BMG als Ziel der ApBetrO-Novelle die „Verbesserung der Versorgung im Nahbereich der Apotheke“ nennt. 

Während Vollapotheken immer weitere – zum Teil pharmazeutisch durchaus plausible – Verpflichtungen auferlegt werden sollen, können Versandapotheken agieren wie eh und je. Hier sind neue Regelungen nicht zu erwarten. Spannend dürfte es immerhin werden, wie die Versandapotheken in Zukunft bei der Arzneimittelabgabe den Informations- und Beratungsbedarf „durch Nachfrage feststellen“, zumal der Kunde dabei „aktiv in das Gespräch eingebunden werden“ soll, damit „der Apotheker dessen Informations- und Beratungsbedarf erkennen und auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen kann“.

Und die ABDA? Sie steht ziemlich nackt da. Sie scheint von Schwarz-Gelb schlichtweg ignoriert zu werden: Bahr zieht einem Auftritt auf dem Deutschen Apothekertag ein FDP-internes Treffen mit Parteifreunden und saarländischen Ärztefunktionären vor; gleichzeitig schlägt das BMG mit seinem ApBetrO-Entwurf alle einmütig gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung zum Erhalt einheitlicher Kompetenz- und Qualitätsstandards in Haupt- und Filialapotheken in den Wind. Worin ABDA-Präsident Wolf, wie gegenüber DAZ.online geäußert, im nunmehr vorgelegten ApBetrO-Entwurf Verbesserungen zum BMG-Positionspapier vom April dieses Jahres sieht, bleibt sein Geheimnis. Jetzt müsse, so der Präsident, der Entwurf zunächst einmal „exakt durchgearbeitet“ werden. Eile mit Weile? Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, das BMG hat für Stellungnahmen der Verbände – provokativ genug – lediglich eine knappe Vier-Wochen-Frist gesetzt. Nicht einmal beim Pick-up-Tohuwabohu gibt es Fortschritte. Stattdessen macht das BMG die Rolle rückwärts und möchte in der neuen Apothekenbetriebsordnung wieder jene Regelung zu Rezeptsammelstellen verankert wissen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner dm-Entscheidung bereits im Jahre 2008 für obsolet erklärt hatte.

Die ABDA sollte sich jetzt nicht weiter düpieren lassen und klare Kante zeigen. Die Lage ist ernst. Kammern und Verbände müssen nun zügig ohne Berührungsängste ihre Kontakte zu den Gesundheitspolitikern der Länder nutzen, um auf die Gefahren einer Zwei-Klassen-Pharmazie vor Ort hinzuweisen – immerhin bedürfen die neuen Regelungen der Zustimmung des Bundesrats. Und vielleicht gelingt es ja doch noch, eine zukunftsweisende neue ApBetrO zu verabschieden – und keine Versand- und Filialapotheken-Förderungsverordnung (VFApoFördVO).


Dr. Christian Rotta