Kassen wollen ab Januar weiter streng prüfen

Retax-Terror: Streit um BtM und Krebsmedikamente geht weiter

Stuttgart - 08.12.2011, 10:13 Uhr


Krankenkassen und Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) ringen weiter um die Frage, ob Ärzte das Rezeptformblatt über Betäubungsmittel oder spezielle Krebsmedikamenten korrekt ausgefüllt haben oder nicht.

Wie der LAV mitteilt, wurde zwar von einer Krankenkasse im Fall einer besonders hohen Retaxation eingelenkt. Ein Apotheker aus Baden-Württemberg sollte wegen eines vermeintlichen Formfehlers auf fünf Rezepten um 35.000 Euro retaxiert werden (wir berichteten). Die Rücknahme dieser Retaxation erfolgte aber nur auf Kulanzbasis und ohne Rechtssicherheit für künftige und ähnliche Fälle.

Im gleichen Atemzug kündigt die BIG direkt gesund an, ihre beanstandete Retaxationspraxis ab Januar 2012 fortzusetzen. „Das ist kein Fairplay und so stellen wir uns eine Vertragspartnerschaft nicht vor“, sagt Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des LAV.

Des Weiteren fordert die Kasse, dass der LAV seine Pressemitteilung („Krankenkasse lässt Patienten im Regen stehen“)  und ein Informationsblatt für Patienten nicht mehr auf der Verbands-Homepage abbildet: „Diesen Eingriff in unser Recht zur Meinungsäußerung lassen wir nicht zu. Es ist unsere Pflicht für unsere Mitglieder und deren Probleme einzutreten. Es geht hier schließlich auch um die sofortige Versorgung schwerstkranker Patienten, was einzelne Krankenkassen in ihrer formalistischen Bürokratisierungswut vergessen zu haben scheinen.“

Der LAV Baden-Württemberg hat sich mittlerweile an die Politik und die Kassenärzte im Land gewendet und um Unterstützung bei der Problematik gebeten, so die LAV-Geschäftsführerin weiter: „Denn es kann nicht sein, dass Krankenkassen sich auf dem Rücken der Patienten am Apotheker bereichern. Wir prangern an, dass von den betreffenden Krankenkassen Formfehler der verordnenden Ärzte systematisch gesucht und vorgeschoben werden, um sich der Vergütungspflicht zu entziehen. Denn aus Gründen der Arzneimittelsicherheit sind diese Vollabsetzungen nicht zu rechtfertigen. In sämtlichen Fällen waren die vom Arzt verordneten Arzneimittel medizinisch notwenig und wurden ordnungsgemäß an die Versicherten abgegeben.“

Im Übrigen wird von den Kassen auch nicht bestritten, dass die Krankenkasse von ihrer Sachleistungspflicht gegenüber ihrem Versicherten frei wurde. Hofferberth: „Ein Recht, eine Leistung zu fordern und einzustreichen aber nicht zu bezahlen, gibt es nirgends! Der Apotheker erhält in solchen Fällen noch nicht einmal seinen Wareneinsatz erstattet, denn das Arzneimittel muss er ja selbst beim Großhandel kaufen. Das ist eine fragwürdige Doppelmoral einiger Krankenkassen und unserer Ansicht nach blanke Zechprellerei.“

Mittlerweile hat auch der zuständige Spitzenverband der GKV signalisiert, das Instrument der Null-Retaxationen generell zu überprüfen. Diesen Schritt fordere die Apothekerschaft schon lange. Zudem hat auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit Stellung bezogen und klargestellt, dass es keine rechtliche Regelung gebe, die vom Arzt handgeschriebene Kreuze auf dem Rezept verbieten würde. Auch Fachjuristen vertreten die Meinung, dass Null-Retaxationen nicht zulässig sind. „Wir sehen im Moment“, so die LAV-Rechtsanwältin Hofferberth weiter, „dass unsere Haltung sehr viel Unterstützung erfährt. Die Chancen stehen gut, dass wir hier zu einer gerechten Regelung für die Zukunft kommen.“


Peter Ditzel / LAV