Medizintechnik

Mikroelektronik ersetzt Sinneszellen

München - 09.01.2012, 09:25 Uhr


In Zukunft sollen kleinste Implantate zerstörte Sinneszellen ersetzen und Menschen Sehen, Hören oder das Bewegen von Armen und Beinen ermöglichen können. Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des Forschungszentrums Jülich haben jetzt gezeigt

Implantate sollen zerstörte Sinneszellen ersetzen und beispielsweise tauben Patienten das Hören wieder ermöglichen. Doch bisher sind diese Implantate um ein Vielfaches größer als die Nervenzellen, mit denen sie kommunizieren sollen. Ihre Mikroelektronik arbeitet auf der Basis von Silicium und passt weder zur Flexibilität biologischer Zellen noch zu deren wässriger Umgebung.

Als besser geeignete Alternative könnte sich Graphen erweisen. Es besteht im Wesentlichen aus einem zweidimensionalen Netzwerk von Kohlenstoffatomen, bietet hervorragende elektronische Eigenschaften, ist chemisch stabil und biologisch inert. Es kann leicht zu flexiblen Folien verarbeitet werden und sollte sich in größeren Mengen kostengünstig herstellen lassen. Die Ergebnisse Münchener Forscher bestätigen nun die gute Eignung von Graphen und ebnen den Weg zu weiteren Untersuchungen der Einsatzmöglichkeiten dieses Materials für bioelektronische Anwendungen.

Ausgangspunkt für die jetzt veröffentlichten Untersuchungen war ein Aufbau mit 16 Feldeffekttransistoren, bei denen das Graphen-Netz in direktem Kontakt zu den biologischen Zellen und der sie umgebenden wässrigen Lösung steht (graphene solution-gate-field-effect transistors, G-SGFET). Die Graphen-Netze sowie die Elektronik wurden mit in der Halbleitertechnologie üblichen Verfahren hergestellt.

Zu Anfang ihrer Versuche ließen die Forscher eine Schicht Herzmuskelzellen über die Transistoren wachsen. Mit ihren Graphen-Transistoren konnten sie anschließend die Aktionspotenziale der einzelnen Zellen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung messen. Die für Herzmuskelzellen typische Ausbreitung der Aktionspotenziale über die Schicht, den Herzschlag, konnten sie elektronisch verfolgen. Als sie der Nährlösung das Stresshormon Noradrenalin beigaben, reagierten die Herzzellen mit erhöhter Schlagfrequenz. Vergleichsmessungen mit Silicium-basierten Elektronikbausteinen zeigten, dass die Graphen-Transistoren ein deutlich geringeres Grundrauschen besitzen. 

Jetzt arbeiten die Forscher an einer weiteren Verringerung des Eigenrauschens der Graphen-Sensoren sowie an der Übertragung dieser Technologie auf flexible Substrate wie Parylen und Kapton, die beide bereits in Implantaten verwendet werden. Außerdem soll auch die räumliche Auflösung der Sensoren verbessert werden. Parallel dazu untersuchen die Wissenschaftler in Kooperation mit dem in Paris ansässigen Vision-Institute die Biokompatibilität von Graphen-Schichten mit Kulturen von Seh-Nervenzellen. In einem breit angelegten europäischen Projekt namens NEUROCARE erforschen sie die Anwendungsmöglichkeiten für Gehirn-Implantate.

Literatur: Hess, l. H., et al.: Advanced Materials 2011;23:5045-9, Online: DOI:10.1002/adma.201102990.


Dr. Bettina Hellwig


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