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Immunsuppression
Zellstress aktiviert Hepatitisviren
Wirkstoffe, welche die Immunabwehr unterdrücken und gleichzeitig Virusinfekte in Schach halten, wären ideale Arzneistoffe für Empfänger von Organtransplantaten. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum wiesen nun für bestimmte Substanzen mit einem solchen Wirkprofil nach, dass sie die Zellen in einen Stresszustand versetzten, der die Vermehrung von Hepatitis B-Viren begünstigt.
Menschen, die ein Spenderorgan erhalten haben, sind dauerhaft auf Medikamente angewiesen. Die Wirkstoffe sollen ihre Immunabwehr davon abhalten, das fremde Gewebe zu attackieren. Das gedämpfte Abwehrsystem lässt jedoch viele Infektionserreger zur Gefahr werden: Infektionen, etwa mit Cytomegalie- oder bestimmten Polyomaviren, nehmen bei Transplantatempfängern häufig einen komplizierten Verlauf. Für diese Menschen wären daher Substanzen, die das Immunsystem dämpfen und gleichzeitig Virusinfekte in Schach halten, besonders vorteilhaft.
Heidelberger Mediziner testeten nun verschiedene Substanzen mit einem solchen Wirkprofil. Sie prüften diese unter anderem an mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) infizierten Leberzellen in der Kulturschale. Das Ergebnis: Behandelte Leberzellen produzierten sogar deutlich mehr Virusnachkommen als unbehandelte. Die untersuchten Substanzen blockieren die Synthese von Erbgutbausteinen. Darauf beruht ihre immundämpfende Wirkung: Sie verlangsamen die Vermehrung der Immunzellen, die mangels Baumaterial ihr Erbgut nicht mehr verdoppeln können. Der Mangel an Erbgutbausteinen kann in bestimmten Zellen eine Art von Stress auslösen, der sich darin äußert, dass das Stressprotein p38 aktiviert wird. p38 aktiviert in Leberzellen sehr wirkungsvoll die Vermehrung von Hepatitis B-Viren.
Die Ergebnisse der Forscher sind ein deutlicher Hinweis, dass der Einsatz dieser Wirkstoffe bei Transplantatempfängern Risiken birgt. Gerade Lebertransplantationen werden oft deshalb erforderlich, weil das eigene Organ von Hepatitis B-Viren zerstört wurde. In diesen Fällen könnte eine Aktivierung noch im Körper vorhandener HBV durch Medikamente dazu führen, dass das Spenderorgan sogleich wieder von Hepatitisviren attackiert wird.
Möglicherweise können auch andere Substanzen bewirken, dass p38 aktiviert wird. So kommt es bei Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhalten, oft zur Reaktivierung chronischer HBV-Infektionen. Das schob man bislang immer auf das geschwächte Immunsystem. Die Forscher wollen nun prüfen, ob nicht auch hier eine Aktivierung des Stressproteins p38 dahinter steckt.
Literatur: Hoppe-Seyler, K., et al.: Hepatology 2012, Online: DOI:10.1002/hep.25602
Heidelberg - 21.02.2012, 09:25 Uhr