Bundessozialgericht zu Potenzmitteln

Kein Erstattungsanspruch bei erektiler Dysfunktion

Kassel - 07.03.2012, 13:52 Uhr


Krankenkassen müssen nicht für die Versorgung ihrer Versicherten mit Cialis® oder anderen Potenzmitteln aufkommen. Das Bundessozialgericht (BSG) lehnte mit dieser Entscheidung die Forderung eines 51-jährigen Barmer GEK-Versicherten ab, der infolge einer chronisch progredienten Multiplen Sklerose an erektiler Dysfunktion leidet.

Der Kläger beantragte im Januar 2007 bei seiner Krankenkasse, die ihm durch den Kauf des Potenzmittels Cialis® (Tadalafil) entstehenden Kosten zu übernehmen – erfolglos. Daraufhin zog er vor Gericht und berief sich auf die besonderen Belange behinderter und chronisch Kranker. Die Versorgung mit dem Arzneimittel sei aufgrund seiner Behinderung eine erforderliche Gesundheitsleistung. Doch das Sozialgericht Lübeck und das Landessozialgericht Schleswig-Holstein lehnten seine Forderung ab: § 34 Abs. 1 S. 7 bis 9 SGB V in Verbindung mit der Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie schließe verfassungskonform Cialis® zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus.

Nun bestätigte auch das BSG die vorinstanzlichen Entscheidungen: Das Potenzmittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion werde vom GKV-Leistungskatalog nicht erfasst. Die Kasseler Richter lehnten einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot ab. Die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zur Leistungsbestimmung der GKV entsprächen im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Art. 3 GG. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Mit dieser Vorgabe sei der Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB V jedoch vereinbar. „Er knüpft nicht an eine Behinderung an, sondern erfasst wei­tergehend im Vorfeld alle Fälle der Erkrankung oder Schwächung der Gesundheit, die in abseh­barer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen“, so das BSG. 

Angesichts der begrenzten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV beschränke der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er Leistungen aus dem Leistungskatalog ausschließe, die „in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen“. Dies gelte erst recht, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Über­gänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen auch maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Versicherten abhängen können.

Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, Az. B 1 KR 10/11 R


Juliane Ziegler