Neurologie

Wie Infektionen zur Entstehung der Multiplen Sklerose beitragen

Würzburg - 25.06.2012, 11:03 Uhr


Bei der Suche nach den Auslösern der Multiplen Sklerose sind Forscher der Universität Würzburg jetzt einen Schritt weitergekommen: Um einen größeren Schaden durch mikrobielle Erreger zu vermeiden, nimmt das Gehirn das kleinere Übel in Kauf.

Die Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Oligodendrozyten im Gehirn vom Immunsystem zerstört werden. Oligodendrozyten bilden eine Isolierschicht um die Fortsätze der Nervenzellen, die für eine effiziente Reizleitung notwendig ist. Aufgrund der Untersuchung von Gehirnen verstorbener MS-Patienten vermutet man schon lange, dass ein bestimmter Lymphozytentyp, die Killer-T-Zellen, an der Zerstörung der Oligodendrozyten beteiligt sind. Die Würzburger Wissenschaftler haben nun entdeckt. dass das Gehirn den Angriff der T-Zellen auf die Myelinscheide unter bestimmten Voraussetzungen selbst zulässt – weil es damit möglicherweise einen größeren Schaden für den Betroffenen verhindern kann.

Die Würzburger Forscher infizierten Mäuse im Labor mit Listerien, die ein Protein mit den Oligodendrozyten teilen. Bei einer Infektion in der Peripherie suchen die Killer-T-Zellen im gesamten Körper nach dem Erreger, also auch im Gehirn. Allerdings ist das Immunsystem in diesem Fall in der Lage, diejenigen Killerzellen zu erkennen, die Myelinscheiden fälschlicherweise als fremd bewerten, weil sie das mit den Listerien gemeinsame Protein erkennen und deshalb angreifen. Es wehrt diese ab und zerstört sie.

Anders ist der Ablauf, wenn die Infektion im Gehirn selbst vorliegt. Dann wird der Angriff zugelassen und es kommt zur Zerstörung der schützenden Myelinscheide und zur Ausbildung von Plaques, wie bei der Multiplen Sklerose. Die „Entscheidung“ des Gehirns, den Angriff zuzulassen, dient also der Bekämpfung des Erregers. Möglicherweise „überschätzt“ das Gehirn aber bisweilen auch die Gefährlichkeit eines mikrobiellen Erregers und opfert ohne Not die schützende Myelinscheide. Diese Befunde könnten die Grundlage für zukünftige Therapien bilden, die die Bekämpfung von mikrobiellen Erregern im Gehirn sowie die Dämpfung der von ihnen ausgehenden lokalen Entzündung in den Mittelpunkt stellen.

Literatur: Na, S.-Y., et al.: Immunity, Online: doi:10.1016/j.immuni.2012.04.009


Dr. Bettina Hellwig