DAZ.online-Interview mit AVWL-Chef

Michels: Wir brauchen mehr Erfolg

Berlin - 27.07.2012, 09:23 Uhr


Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, Dr. Klaus Michels, hat eine offene und „lebhafte“ Diskussion über die Zukunft der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und mehr Erfolg bei der Interessenvertretung eingefordert.

Michels kritisierte die bisherige Arbeit der ABDA: „Wir brauchen mehr Erfolg in der Interessenvertretung, namentlich bei den Themen Honorierung und Bürokratieabbau“, sagte der AVWL-Vorsitzende. Man müsse eine Diskussionskultur entwickeln, die eine „regelmäßige Analyse unserer Positionen und Ziele zum Inhalt hat“. Nach Einschätzung von Michels hat in der letzten Zeit die Unzufriedenheit mit der Arbeit der ABDA „spürbar zugenommen", weil es bei immer mehr Kollegen mittlerweile um die Existenz gehe.

Hier das vollständige Interview:

DAZ.online: Zum Jahresende müssen wichtige Spitzenämter bei ABDA und BAK neu besetzt werden. Auch im DAV wird neu gewählt. Geht es dabei vor allen um neue Gesichter und Personen, oder sollte in diesem Zusammenhang auch über Inhalte und Ausrichtung diskutiert werden?

Michels: Alle, die sich um ein Amt bemühen – ob nun in ABDA, DAV, BAK oder den Landesorganisationen -, sollten eine Vorstellung davon haben, was sie mit diesem Amt anfangen wollen, für welche Inhalte und welche Richtung sie stehen. Deshalb ist beides untrennbar verbunden und eine Diskussion über die jeweiligen Vorstellungen unverzichtbar. Ich wünsche mir, dass diese Diskussion lebhaft wird und über die bloße Betonung des gemeinsamen Grundkonsenses – Ja zur heilberuflich ausgerichteten, wohnortnahen, inhabergeführten Apotheke, Ja zum Versorgungsauftrag, Ja zu angemessener Honorierung – hinausgeht. Zukunftsfragen wie die nach einer Teilhabe der Apotheke an einem wachsenden Gesundheitsmarkt, nach der Übernahme von neuen Aufgaben in einer rückläufigen Struktur medizinischer Versorgung auf dem Lande sollten nicht vom Tisch gewischt werden, sie gehören jetzt auf die Tagesordnung.

DAZ.online: Sollten mehr Frauen in die ABDA-Führung gewählt werden?

Michels: Frauen sind in den meisten Berufsvertretungen unterrepräsentiert, da bilden die Apothekerorganisationen bedauerlicherweise keine Ausnahme. Das mag hier daran liegen, dass in der Regel zu dem Spagat zwischen Selbstständigkeit und Ehrenamt noch der zwischen Beruf und Familie hinzukommt. Ich würde mich freuen, wenn sich mehr kompetente Frauen in der Berufspolitik engagieren würden. Dieses Problem haben wir auf der Landesebene ebenso wie auf der Bundesebene.

DAZ.online: Laut HAV-Vize Diefenbach gibt es an der Apothekerbasis viel Kritik an der Standesvertretung. Teilen Sie diese Einschätzung?

Michels: Ja, das entspricht auch meiner Wahrnehmung. Das war sicher auch früher schon so, hat aber in letzter Zeit spürbar zugenommen, weil es bei immer mehr Kollegen mittlerweile um die Existenz geht.

DAZ.online: Was muss besser werden?

Michels: Wir brauchen mehr Erfolg in der Interessenvertretung, namentlich bei den Themen Honorierung und Bürokratieabbau. Und wir müssen eine Diskussionskultur entwickeln, die eine regelmäßige Analyse unserer Positionen und Ziele zum Inhalt hat. Nur so kann auf aktuelle Entwicklungen zeitnah reagiert und die Zukunft mitgestaltet werden. Wir – der Apothekerverband Westfalen-Lippe – haben beispielsweise im vergangenen Jahr unsere Positionen zu verschiedenen zentralen Zukunftsthemen in Informationsveranstaltungen erläutert und mit Stimmzetteln direkt zur Abstimmung gestellt. Die positive Resonanz unserer Mitglieder hat uns gezeigt, wie wichtig diese Transparenz und diese Partizipationsmöglichkeiten sind.

DAZ.online: Ausdruck der Unzufriedenheit ist auch die Existenz der sogenannten jungen Apothekerverbände. Das Verhältnis zur ABDA ist schwierig und spannungsgeladen. Sollte die ABDA auf die jungen Verbände zugehen?

Michels: Wenn die ABDA weiter den Anspruch erheben will, eine Stimme für alle Berufsträger zu sein, muss sie das tun. In vielen Fragen wird es hier sicher ohnehin Übereinstimmung geben. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass es eben auch durchaus unterschiedliche Interessen innerhalb des Berufsstandes gibt und verschiedene Ansichten darüber, auf welchem Weg diese umzusetzen sind. Das betrifft auch das Verhältnis der etablierten Verbände und Kammern. Ich halte es deshalb für kein Drama, wenn sich in solchen Fragen unterschiedliche Stimmen zu Wort melden, solange der genannte Grundkonsens als solcher nicht in Frage steht. Eine nicht im Verdacht der Erfolglosigkeit stehende Branche, die Kreditwirtschaft, praktiziert das seit über 50 Jahren: Sie spricht mit einer Stimme, was den gemeinsamen Nenner zu den jeweiligen Themen betrifft, und gibt so diesen Positionen große Schubkraft, auch weil sie von der Überzeugung aller Beteiligten getragen werden. Ist man sich aber uneins, gibt es Sondervoten der einzelnen Verbände zu einer gemeinsamen Stellungnahme oder eben gesonderte Stellungnahmen, die sich im Wettstreit der Argumente messen lassen müssen. Wenn die ABDA die unterschiedlichen Strömungen erfolgreich integrieren und ein Auseinanderdriften des Berufsstandes auf Dauer verhindern will, muss sie sich einer solchen Kultur annähern.

DAZ.online: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten berufspolitischen Herausforderungen der neuen ABDA/BAK/DAV-Spitze?

Michels: Nach außen muss die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Apotheken das zentrale Thema sein. Das betrifft zum einen die überfällige Anpassung des Apothekenhonorars und der Vergütung der im Rahmen des Versorgungsauftrages erbrachten Leistungen. Die aktuellen Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums, nach neun Jahren eine Erhöhung des Apothekenhonorars von gerade einmal drei Prozent um 25 Cent vorzusehen, sind eine schallende Ohrfeige für alle Apothekeninhaber und ihre Mitarbeiter. Das gilt umso mehr, als nach wie vor offen ist, wie es weitergeht mit dem Apothekenabschlag für die GKV und der Vergütung für Rezepturen und den Nacht- und Notdienst, die bereits seit Jahren nicht mehr auskömmlich ist. Diese Fragen müssen jetzt absolute Priorität haben. Hier bedarf es jetzt einer großen gemeinsamen Anstrengung der Bundesebene und aller Landesorganisationen. Unabhängig davon müssen wir uns Gedanken machen über die Erschließung neuer, zur Gesundheitskompetenz der Apotheke passender Aufgabenfelder, die zur Wirtschaftlichkeit der Apotheke beitragen können. Ich denke hier vor allem an die Herausforderungen, die der demografische Wandel an die Gesellschaft stellt, aber auch an mögliche Optionen, die sich aus dem rasanten technischen Fortschritt ergeben. Von der neuen Apothekenbetriebsordnung sind hierfür leider keine Impulse ausgegangen. 

Nach innen wünsche ich mir effizientere Strukturen mit klaren Zuständigkeiten. Bei einer Reihe von Entscheidungswegen tut eine Verkürzung not, um schneller handlungsfähig zu werden. Insbesondere aber muss es gelingen, die Zentrale in Berlin stärker als Dienstleister für die Mitglieder aufzustellen. Das Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis von Bundes- und Landesebene hat sich gut bewährt, und auch der Austausch unter den Landesorganisationen funktioniert gut. Gleichwohl gibt es aber immer noch viele Sachverhalte, in denen eine zentrale Übernahme von Aufgaben sinnvoll ist.


Lothar Klein